#Filmkritik: „Die zwei Päpste“ – ein zu weites Feld?

Foto: Netflix

Was für ein Film! Und welch´ ausgezeichnete Inszenierung! Vorneweg: „Die zwei Päpste“ von Fernando Meirelles ist einer der ganz wenigen Filme, die besser sind als das ihm zugrundeliegende Buch, hier jenes von Anthony McCarten, das vor Fehlern und völligen Überzeichnungen nur so strotzt, und wo man sich beim Lesen ab und an fragt, was der Lektor des „Diogenes“-Verlages, bei dem das Buch erschienen ist, denn eigentlich beruflich so macht.

Und so ist es bedauerlich, dass der Regisseur einen Kernfehler des Buches aufgreift, nämlich den, dass Papst Benedikt XVI. das Rücktrittsgesuch von Jorge Kardinal Bergoglio (dieses Gesuch hat es im Jahre 2012 tatsächlich gegeben) nur deshalb nicht angenommen habe, weil er ihn als seinen Nachfolger wollte. Das ist schon deshalb Unsinn, weil, hätte Ratzinger Bergoglios Wunsch nach einem Rücktritt angenommen, der Argentinier 2013 trotzdem wahlberechtigter Kardinal im Konklave gewesen wäre (nur Kardinäle, die über 80 Jahre alt sind, dürfen an der Papstwahl nicht teilnehmen). Und obwohl dieser Film eine Fiktion ist, kann es in einer Kritik wie dieser nicht unwidersprochen bleiben, dass beide Männer das Papstamt unbedingt gewollt hätten. Das Gegenteil ist der Fall: Beide wollten dieses Amt nicht.

Wer sich Ratzinger nähern will, droht zu scheitern

Bei alledem scheint es eher schlüssig zu sein, was Meirelles´ Film in einer Szene unterstellt: Dass nämlich Papst Benedikt XVI. den Rücktritt von Kardinal Bergoglio deshalb nicht akzeptiert hat, weil dies wohl neue Unruhen in die Kirche, die zu dieser Zeit ohnehin durch „Vatileaks“ und Missbrauchsdebatten arg gebeutelt war, gebracht hätte. Und, damit verbunden, ein solcher Rücktritt ganz sicher mit einer massiven Kritik an der Führung der Katholischen Kirche, am Papst eben, einhergegangen wäre.

Bevor der Autor dieser Filmkritik zu Jorge Bergoglio, dem heutigen Papst Franziskus, kommt: Wer sich Joseph Ratzinger/Benedikt XVI., seiner Person , seinem Werk und seinem Pontifikat, zu nähern versucht, droht vollends zu scheitern, was, in Teilen zumindest, auch dieser Film und vor allem das ihm zugrundeliegende Buch beweisen (vom geradezu schwachsinnigen Film-Pamphlet „Verteidiger des Glaubens“ von Christoph Röhl einmal ganz zu schweigen). Nicht umsonst toben sie, insbesondere in den (a)sozialen Netzwerken, die ja – Achtung: Ironie, rasch in Zynik umschlagend! – bekanntlich voll von ihnen sind, die selbsternannten Romexperten (auch „Vaticanisti“ genannt) und Religionswissenschaftler.

„Panzerkardinal“, wie Ratzinger einst genannt wurde, war da noch eine der, nun ja, zurückhaltenden  Beschimpfungen. „Nazi!“ haut da schon eher ins Kontor, eine Beschimpfung von Leuten, die irgendwann einmal ganz offensichtlich ihre letzte Gehirnsynapse beerdigt haben. Eine schlimme Verunglimpfung dies, die leider in dem Film „Die zwei Päpste“ auch zweimal vorkommt. Nein, bei Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. em. kommt  mir der Schlusssatz von Theodor Fontanes Buch „Effi Briest“ in den Sinn, wo es elegisch heißt: „(...) ein zu weites Feld“.

Homosexualität spielt kaum eine Rolle

Was mag die Botschaft dieses Films sein, sofern es überhaupt eine geben soll? Vielleicht die, dass da zwei Männer, die bis heute von Charakter und Haltung her kaum unterschiedlicher sein können, um ihren Glauben ringen, und bei all dieser Gegensätzlichkeit die Stellung der Katholischen Kirche in der Welt hinterfragen, und diese bei alledem in stürmischen Zeiten zu festigen versuchen. Vielleicht verfolgen wir gar einen „Kampf“ der beiden Geistlichen um die Deutungshoheit. Dieses Ringen ist zu Beginn geradezu leidenschaftlich, zum Ende des über zweistündigen Films werden die Töne dann versöhnlicher, die Dispute entspannter, sodass man bei manchen Szenen gar laut lachen muss.

Foto: Netflix

Etwa dann, wenn Bergoglio den beiden eine Pizza bestellt, die sie dann im „Raum der Tränen“ (camera lacrimatoria) neben dem Altar der Sixtinischen Kapelle, wo der neu gewählte Papst eingekleidet wird, bevor er sich den Gläubigen auf dem Petersplatz zeigt, genüsslich verspeisen (selbstverständlich wurde das Tischgebet nicht vergessen). Oder aber dann, wenn Bergoglio dem Papst den Tangotanz beibringen will (Bergoglio führt). Oder wenn der Argentinier mit dem Deutschen am Ende des Films einträchtig auf einem Sofa sitzt, und die beiden das WM-Endspiel Argentinien gegen Deutschland schauen und dabei Bier trinken. Humor vom Feinsten! War es so? Ach, schön wär´s!

Doch ist dieser Film nicht nur solch leichte Kost, denn in Rückblenden wird gezeigt, wie Bergoglio während der Militärjunta in Argentinien (1976 bis 1983) einen schweren Fehler gemacht, und damit – ungewollt – zwei seiner Jesuitenbrüder ans Messer lieferte, was Papst Franziskus bis heute aufrichtig bedauert, sich vielleicht nicht verzeiht.

Foto: Screenshot Netflix

Homosexualität spielt in dem Film zweimal eine Rolle. Einmal direkt, als Bergoglio auf eine kritische Nachfrage des Papstes hin behauptet, man habe ihn zu diesem Thema in den Medien falsch zitiert beziehungsweise Aussagen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden, was Bergoglio als Papst Franziskus allzu gerne macht, wenn er für seine Worte kritisiert wird. Manchem Verantwortlichen im Vatikan soll regelmäßig der Schweiß auf der Stirn ausbrechen, wenn Franziskus auf Reisen zu den Journalisten im hinteren Teil des Flugzeuges geht und ihre Fragen beantwortet.

Und dann gibt es da diesen Auftritt von Papst Franziskus auf einer seiner Auslandsreisen, wo hinter ihm eine Regenbogenflagge geschwenkt wird. Eine kleine Sequenz nur in diesem Film, auf die der Regisseur aber wohl nicht verzichten wollte, weil diese Inszenierung mit dem Papst abgesprochen gewesen sein soll.

Mag Benedikt XVI. „Fanta“ und „Kommissar Rex“?

Es macht im Grunde ja gar keinen Sinn, die Treffen der beiden, sofern sie denn überhaupt so oder so ähnlich oder aber ganz anders stattgefunden haben, zu bewerten. Wir waren (der Autor dieses Textes seufzt: leider ...) nicht dabei.

Foto: Netflix

Doch so wunderbar dieser Film auch sein mag, er fördert stellenweise gehörigen Unsinn zutage. Dass Benedikt XVI. „Fanta” mag, stimmt, aber nicht zum Essen. Ein Detail, das in einer solchen Kritik genauso bedeutungslos sein mag wie die Lieblingssendung des emeritierten Papstes, „Kommissar Rex“ (auch dies stimmt), und die er mit Bergoglio in dem Film im Fernsehen anschaut. Ärgerlich sind aber vom Buch übernommene Fehler (der Buchautor schrieb – leider – auch das Drehbuch), mit deren Hilfe versucht wird, manches falsche Bild, das von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. em. seit jeher gezeichnet, und das von nicht wenigen seiner Kritiker oder gar Hasser geradezu leidenschaftlich gepflegt wird, einmal mehr grell zu erhöhen.

So zeigt der Film, dass Papst Benedikt XVI. den in Castel Gandolfo angereisten Kardinal Bergoglio alleine zu Abend essen lässt, eine ungeheure Unhöflichkeit dies, die, was jeder, der ihm begegnet ist oder ihn gar kennt betont, dem wirklichen Papst Benedikt XVI. nicht einmal ansatzweise in den Sinn gekommen wäre. Hier soll die angebliche Unnahbarkeit des emeritierten Papstes gezeigt werden, die es in Wahrheit so überhaupt nicht gibt.

Auch sprachen und sprechen die beiden bis heute nicht Englisch miteinander, sondern Spanisch (eine Sprache, die Ratzinger sehr gut beherrscht) oder aber Italienisch (eine Sprache, die Bergoglio nicht so gut beherrscht). Manches kommt in den Dialogen ein wenig plump daher, etwa wenn Benedikt XVI. dem Kardinal aus Argentinien entgegen schleudert: „Sie wollen sich beliebt machen.“  Dem wahren Joseph Ratzinger kämen solche Unterstellungen so nicht über die Lippen, allenfalls subtil, und er brüllt auch nicht herum, wie es eine besonders unglaubwürdige Szene unterstellt.

Der Autor dieser Kritik durfte 2003 Joseph Kardinal Ratzinger in dessen Büro in der Glaubenskongregation begegnen, und in den darauffolgenden fünfzig Minuten wurde deutlich: selbst in kritischsten Momenten lässt der Mann sich nicht aus der Ruhe bringen und bleibt stets freundlich und sachlich. Seine Stimme war (und ist) sanft, seine Gestik wohltuend sparsam, was eine letzte Anmerkung zum Film mit sich bringt:

Mimik und Gestik von Benedikt XVI. stimmen in dem Film selten bis überhaupt nicht (was jedoch das Schauspiel des grandiosen Anthony Hopkins nicht schmälert), die von Bergoglio/Franziskus hingegen wird atemberaubend identisch gezeigt. Dies muss einem Schauspieler, hier Jonathan Pryce, erstmal gelingen. Chapeau!

*Holger Doetsch


Holger Doetsch, geboren 1963 in Bendorf/Rhein, ist Autor, Dozent und Publizist. Nach Ausbildung und Tätigkeit bei der „Deutschen Bank AG“ wechselte er in die Wirtschaftsredaktion der Koblenzer „Rhein-Zeitung“. 1990 war er (gemeinsam mit der heutigen Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel) einer der Sprecher in der ersten und letzten demokratisch legitimierten DDR-Regierung. Es folgte die Leitung von Pressestellen bzw. die Arbeit als presseverantwortlicher Mitarbeiter für verschiedene Bundestagsabgeordnete. Seit 2000 ist Holger Doetsch selbstständig tätig als Dozent für Öffentlichkeitsarbeit. Holger Doetsch ist außerdem Gründungsmitglied der „Schwule Gruppe in der Union“, dem Vorgänger der heutigen LSU.

Bücher: „Der Moderne Medienwahlkampf“ (2000), „Medienmanagement I - IV“ (Mitarbeit, 2007), „Elysander“ (Romanbericht, 2008), „Ein lebendiger Tag“ (Erzählung, 2010), „Die Summe meines Denkens“ (Essays, e. i. Oktober 2013) und „Das Lächeln der Khmer - ein Kambodscha-Roman“ (Mai 2018, 2. Auflage Februar 2019)

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