Der Star aus MOONLIGHT

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Der Oscar für den besten Film, den besten Nebendarsteller und das beste adaptierte Drehbuch. Das Drama Moonlight war an den US Kinokassen schon untergegangen, jetzt ist es plötzlich in aller Munde. Wir sprachen mit Oscar-Preisträger Mahershala Ali.

MR. ALI, KANN MAN SAGEN, DASS DER FILM IHR LEBEN VERÄNDERT HAT?

Oh ja, „Moonlight“ ist etwas ganz Besonderes, Einzigartiges. Aber gar nicht so sehr wegen irgendwelcher Preise oder Nominierungen, die ich dafür bekomme. Die Veränderung, die der Film in meinem Leben ausgelöst hat, fing schon viel früher an, bei der Arbeit. Es fällt mir allerdings gar nicht leicht, die richtigen Worte zu finden. Die Geschichte, meine Rolle, die Arbeit mit Regisseur Barry Jenkins – schon beim Gedanken daran werde ich von Emotionen überwältigt, die tiefer sind als alles, was ich sonst in meinem Beruf als Schauspieler erlebt habe.

AB WELCHEM ZEITPUNKT HABEN SIE DENN BEGRIFFEN, DASS DIES NICHT NUR EIN WEITERER KLEINER INDEPENDENT-FILM UNTER VIELEN IST?

Für mich persönlich habe ich das gleich beim Lesen des Drehbuchs begriffen. Ich war damals an einem Wendepunkt in meiner Karriere, mit „House of Cards“ war ich durch und hatte die freie Wahl, was als nächstes kommt. Sobald ich „Moonlight“ in den Händen hielt, war klar: dieser Film ist meine absolute Priorität. Dass mich mein Gefühl, diese Geschichte sei etwas Ungewöhnliches, nicht betrogen hatte, begriff ich dann ziemlich schnell nach den Festivalpremieren in Telluride und Toronto letzten Herbst. Der Film schien die Zuschauer auf eine Weise zu bewegen, wie ich es so intensiv noch nie erlebt hatte. Und auf den unterschiedlichsten Ebenen. Von der Thematik über die Musik und die Kameraarbeit bis hin zu uns Schauspielern sprachen die Leute über die verschiedensten Elemente, die sie begeisterten.

SEHEN SIE DEN ERFOLG VON „MOONLIGHT“ AUCH ALS EIN ZEICHEN DAFÜR, DASS SICH IN HOLLYWOOD ETWAS TUT IN SACHEN RASSISMUS?

Dafür braucht es schon etwas mehr als einen Film. Zumal es bei dem Thema ja nicht nur um Afroamerikaner geht. Asiatischstämmige Schauspieler und Latinos beklagen sich genauso oder sogar mehr über den Mangel an Rollen und Geschichten. Als 1974 geborener Afroamerikaner habe ich Zeit meines Lebens mitbekommen, dass der Weg Richtung Veränderung und Fortschritt sehr langsam vorangeht. Aber ich freue mich über jeden noch so kleine positive Veränderung. Und wenn ich mir Alex Hibbert, Ashton Sanders und Trevante Rhodes ansehe, die drei jungen „Moonlight“-Hauptdarsteller, dann habe ich schon den Eindruck, dass ihnen ein paar mehr Möglichkeiten offen stehen als mir damals in dem Alter. Das ist doch schon mal was.

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SIE BLICKEN ALSO OPTIMISTISCH NACH VORNE?

Dafür gibt es meiner Meinung nach durchaus gute Gründe. Nicht nur der Erfolg von und all diese Auszeichnungen für „Moonlight“. Schon jetzt lässt sich doch beobachten, dass die Aufmerksamkeit für Filmemacher vor und hinter den Kameras immer größer wird, die nicht weiß, nicht männlich oder nicht heterosexuell sind. Ich hoffe einfach, dass wir alle diese neuen Chancen nun auch nutzen. Mein Motto war es ohnehin immer schon, nicht zu sehr das zu bedauern, was ich nicht machen konnte oder durfte. Sondern lieber die Möglichkeiten, die sich bieten, voll und ganz auszukosten.

WIE WAR DAS IN IHRER JUGEND? BEKAMEN SIE OFT VERMITTELT, DASS IHNEN AUFGRUND IHRER HAUTFARBE NICHT ALLE TÜREN OFFEN STEHEN?

So kann man das nicht ausdrücken. Von meinem Vater habe ich nicht viel mitbekommen damals, der war in New York und stand in Musicals auf der Bühne. Aber allein das zeigte mir früh, dass man es schaffen kann, seinen Lebensunterhalt mit etwas zu verdienen, das nicht unbedingt dem klassischen Weg entspricht. Noch viel wichtiger war allerdings meine Großmutter, die bis heute mein Guru und mein großes Vorbild ist. Von klein auf, als Knirps in ihrem Einkaufwagen im Supermarkt, trichterte sie mir ein, dass ich im Leben alles machen und erreichen könne, was ich mir vornehme. Ich habe dann schnell gelernt, dass das nicht unbedingt über Nacht geht. Doch von ihr habe ich die Geduld, die Beharrlichkeit und das Selbstvertrauen mitbekommen, es dennoch nie aufzugeben.

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SEIT KURZEM IST IHRE OMA NUN AUCH UROMA, DENN KURZ VOR DEN OSCARS KAM IHRE TOCHTER BARI AUF DIE WELT. WAS HABEN SIE SICH VORGENOMMEN FÜRS PAPA-SEIN?

In erster Linie will ich einfach ein gesundes, rundum glückliches Kind großziehen. Und natürlich möchte ich ihr ähnliches vermitteln wie das, was meine Großmutter mir mitgegeben hat. Dass sie einzigartig und etwas Besonderes, einfach weil sie sie selbst ist. Ich hoffe sehr, dass meine Tochter immer Vertrauen in sich und ins Universum haben wird. Ganz gleich, wie die Welt um sie herum aussieht.

WO WIR GERADE DAVON SPRECHEN, WAS MAN KINDERN MITGEBEN KANN: WIE WÜRDEN SIE EIGENTLICH DIE BEZIEHUNG DES VON IHNEN GESPIELTEN DROGENDEALERS JUAN UND DEM KLEINEN CHIRON IN „MOONLIGHT“ BESCHREIBEN?

Das besondere an Juan ist meiner Meinung nach, dass er Afro-Kubaner ist. Bei den eher hellhäutigen Kubanern in Miami gehört er nicht wirklich dazu, und auch der afroamerikanischen Community fühlt er sich nicht zu 100% zugehörig. Deswegen hat er ein großes Gespür fürs Anderssein, für Menschen, die irgendwo nicht richtig reinpassen. Er erkennt sofort, dass Chiron so jemand ist, obwohl der noch so jung ist. In Juan erwacht eine Art Beschützerinstinkt, und vor allem will er den Jungen bestärken, ihm Kraft mitgeben. Aus ihnen werden Freunde, sie lieben sich. Und genauso viel wie Juan Chiron mit auf den Weg gibt, bekommt er von ihm auch zurück.

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CHIRON LEIDET DARUNTER, DASS IHN ANDERE KINDER ALS SCHWUCHTEL BESCHIMPFEN. DAS IST BIS HEUTE ÜBERALL AUF DER WELT TRAURIGER ALLTAG AUF DEN SCHULHÖFEN. WIE SIND IHRE ERFAHRUNGEN DAMIT?

Oh, ich wurde als Kind und Jugendlicher auch mit den übelsten Beschimpfungen belegt. Und ich kann leider auch nicht leugnen, dass ich meinerseits ziemlich heftige, verletzende Sachen zu und über andere Kids gesagt habe. Manchmal nützt die beste Erziehung nichts, wenn man mit seinen Freunden rum- und den Macker raushängen lassen will. Manche Jugendliche realisieren früher, was man damit anrichtet, als andere. Aber wenn man, wie ich, beide Seiten der Medaille kennt, realisiert man doch recht bald, dass so etwas nicht geht.

KURZ NOCH ZU „HOUSE OF CARDS“ BEDAUERN SIE ES, DASS REMY DANTON KÜNFTIG NICHT MEHR TEIL IHRES LEBENS IST?

Nein, ich freue mich, ein neues Kapitel meines Lebens aufgeschlagen zu haben. Es ist nicht immer ganz einfach gewesen, zu 100% mit dem „House of Cards“-Job zufrieden zu sein. Die Rolle selbst war toll, ein spannender Typ. Aber er ist halt nur einer von rund 20 wichtigen Figuren gewesen. Für alle jenseits von Kevin Spacey und Robin Wright ist es da natürlich manchmal etwas frustrierend gewesen, sieben Monate pro Staffel zu investieren, aber dann noch nicht einmal in jeder Folge dabei zu sein. Allerdings will ich mich nicht beschweren. So etwas weiß man ja vorher, wenn man sich auf eine Serie einlässt. Und ich bin unendlich dankbar, dass ich nach 12 Jahren in diesem Job plötzlich eine Plattform hatte, wo mir mehr Aufmerksamkeit entgegen gebracht wurde als je zuvor. Ohne „House of Cards“ hätte ich sicher nicht den nächsten Schritt gehen können, an dem ich mich aktuell so sehr erfreue.

•Interview: Jonathan Fink

Moonlight startet am 9.3. in den bundesweiten Kinos

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