Rupert Everett: „... ein unglaublich eitler Gockel ...“

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Einer der weltweit bekanntesten Szenestars ist ab Ende Mai in einem herausragenden Film über Oscar Wilde zu bewundern. Wir sprachen mit Rupert über Erfolg und Eitelkeit.  

Mr. Everett, welchen persönlichen Bezug haben Sie eigentlich zu Oscar Wilde?

Als Kind hat mir meine Mutter häufig sein Märchen „Der glückliche Prinz“ vorgelesen, das nun meinem Film „The Happy Prince“ den Titel gegeben hat. Damals wusste ich natürlich noch nicht, wer er war. Und meine Mutter im Übrigen auch nicht wirklich. Hätte sie gewusst, dass dieser Schriftsteller im Gefängnis gesessen hat, weil er schwul war, hätte sie mir sicherlich nichts von ihm vorgelesen. Aber sowohl sie als auch ich waren damals sehr berührt von seinen Worten. Wer Wilde wirklich war und was er als schwuler Mann alles durchgemacht hat, habe ich erst später für mich entdeckt.

Bewundern Sie Wilde?

Ich bewundere ihn nicht uneingeschränkt, denn er hat sich auch ein wenig zum Narren gemacht. Er war geblendet von seiner Borniertheit. Aber das ist nur menschlich, wir alle sind manchmal geblendet von Borniertheit und Ruhm. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, schließlich ging es mir früher genauso! Trotzdem sollte er – ganz unabhängig von seinem Werk als Schriftsteller – eine wichtige Figur für alle schwulen Männer sein.

Warum?

Oscar Wilde wurde wegen seiner Homosexualität ins Gefängnis gesteckt, ging für die letzten drei Jahre seines Lebens nach Frankreich und wurde von der Gesellschaft als schreckliches Monster gebrandmarkt. Wann immer Menschen ihm auf der Straße begegneten, zogen sie hektisch ihre Kinder an sich. Es ist unglaublich, wie er behandelt wurde! Aber in seinem Umgang damit liegen auch die Anfänge der Schwulenbewegung!

Die Idee zu „The Happy Prince“ hatten Sie schon vor vielen Jahren ...

Wenn ich ehrlich bin, weiß ich gar nicht, ob ich mir in all der Zeit wirklich sicher war, dass diese Idee irgendwann in die Realität umgesetzt werden könnte. Ein bisschen fühlte ich mich wie Don Quixote. Immer dachte ich, auf der anderen Seite des Berges könnte der Schlüssel zum Erfolg liegen, aber immer, wenn ich dort endlich ankam, war da nichts. Trotzdem konnte ich einfach nicht aufgeben. Jedes Mal, wenn ich kurz davor war, passierte doch wieder etwas, das mich wieder hoffen ließ. Nur damit dann doch wieder eine Hiobsbotschaft kam.

Was passierte denn zum Beispiel?

Am Anfang sah es eigentlich richtig gut aus. Ich schrieb das Drehbuch und schickte es an Scott Rudin, der ohne Frage einer der besten Produzenten der Welt ist. Er rief am nächsten Tag an, um mir zu sagen, wie begeistert er sei. Für mich einer der glücklichsten Momente überhaupt! Doch noch einen Tag später war er wieder am Telefon: Statt meiner wollte er lieber Philip Seymour Hoffman als Oscar Wilde sehen. Innerhalb von zwei Tagen also war ich erst im siebten Himmel und wurde dann von meinem eigenen Film gefeuert. So ähnlich ging es dann immer weiter. Im Filmbereich das Geld für Independent-Produktionen zu beschaffen ist heutzutage echt eine Qual und man muss unglaublich penetrant sein, wenn man es schaffen will.

Warum haben Sie sich das jahrelange Hin und Her überhaupt angetan?

Aus Verzweiflung, könnte man wohl sagen. Ich wurde immer älter und meine Schauspielkarriere löste sich zusehends in ihre Bestandteile auf. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass Wilde endgültig Besitz von meinem Leben ergriffen hatte. So als würde ich nicht mehr existieren, wenn dieses Projekt nicht Wirklichkeit würde. Aufgeben kam also tatsächlich nicht infrage. Und am Ende war es den langen Kampf wert, denn als es dann nach zehn Jahren doch endlich so weit war, gab es wirklich keinen Aspekt dieses Films mehr, den ich nicht in- und auswendig kannte.

Wenn’s in der Karriere plötzlich nicht mehr so richtig läuft, ist das sicher nicht einfach, oder?

Es ist natürlich fürchterlich! Denn selbstverständlich ist man kein bisschen darauf vorbereitet. Wenn man im Leben so etwas wie Erfolg erreicht, dann denkt man irgendwie immer, dass sich daran nichts ändern wird. Man kann sich nicht vorstellen, dass die guten Zeiten mal zu Ende gehen. Im Rückblick war ich wirklich nicht vorsichtig genug, keine Frage.

Wie meinen Sie das?

Ich war zu entspannt, was den Erfolg anging. Wenn man im Showgeschäft Karriere machen will, darf man nie zu entspannt sein. Das Showgeschäft ist wie ein Fluss, der immer wieder von einem wegfließen kann.

Wie kommt es eigentlich, dass jemand mit Ihrem Talent für Selbstdarstellung und freche Sprüche eigentlich nicht auf Twitter und Co. zu finden ist?

Ist einfach nicht mein Ding. Ich melde mich schon genug zu Wort. Und so toll es ist, dass heutzutage jeder an seinem Telefon eine Kamera hat und überall Fotos machen kann, muss ich mich an diesem Irrsinn nicht beteiligen. Diese Sucht, ständig Selfies von sich zu machen, finde ich ehrlich gesagt grauenvoll.

Da kommt eben die Eitelkeit ins Spiel. Die kennen Sie doch sicher auch ...

Und wie das eitel ist, dieser Selfie-Wahn. Und ja, ich war auch mal eitel. Sehr sogar. Aber heute bin ich es nicht mehr so sehr. Zumindest brauche ich kein Foto von mir vor dem Tadsch Mahal.

Moment mal ... Sie sind nicht mehr eitel?

Ich habe nicht gesagt: gar nicht mehr. Aber meine schlimmen Jahre diesbezüglich sind vorbei. Als ich jung war, war ich ein unglaublich eitler Gockel, wenn es um mein Aussehen ging. Was ja bekanntlich immer das erste Zeichen dafür ist, dass man eben nicht selbstbewusst ist und in sich ruht.

*Interview: Jonathan Fink


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