FOTOGRAFIE: „Ich mag echte Charaktere“ – Ashraf El Bahrawi

by

Foto: Ashraf El Bahrawi

Foto: Diana @anjuzi

Geboren und aufgewachsen ist dieser international arbeitende Fotograf in Kairo, Ägypten, nach einigen Jahren in Kanada lebt er mittlerweile in Frankfurt, ist aber weiterhin weltweit im Einsatz. Wir erreichten ihn in Kapstadt.

Was ist dir bei einem Bild wichtig? Ein Bild muss immer ein „Reveal“ sein. Es muss eine Seite der Person zeigen, die sie selbst so noch nie gesehen hat. Wenn wir uns unbeobachtet fühlen und komplett wir selbst sind, zeigen wir Seiten, die wir nicht im Spiegel gesehen haben und so selten festgehalten wurden. Das ist mir das Wichtigste an einem Bild. Dass die Komposition stimmen muss und das Bild „hängen bleibt“, ist natürlich auch wichtig, aber ich habe gelernt, dass je mehr es um das Model selbst geht, desto mehr gefällt das Bild generell.

Was ist dir bei einem Model wichtig? So merkwürdig das klingen darf, aber das Model muss eine gewisse Introversion bewahrt haben. Es muss ja etwas geben, was wir beide entdecken können. Ich mag echte Charaktere und meine Models müssen auch nicht klassisch schön sein. Attraktiv ist, was ins Auge sticht und etwas mit uns macht. Es ist ein wenig wie bei einem selbst. Wenn man jung ist, schaut man eher „wow ist der hot.“ Wenn man älter wird, erkennt man, wie sexy ein Charakter sein kann.

Foto: Ashraf El Bahrawi

Wie erotisch darf es denn werden? Wie erotisch ein Shoot wird, hängt davon ab, was wir erkunden wollen. Würde ich zum Beispiel ein Model shooten, das bekannt ist für Aktbilder, dann kann es sogar sein, dass etwas im Angezogenen verborgen liegt. Oder wir schauen, was er noch nicht gezeigt hat. Das klingt jetzt vielleicht versaut, aber das Gegenteil ist gemeint. Viele Male Models, die Akt machen, sind immer das Lustobjekt. Vielleicht gilt es dann, die Verletzbarkeit festzuhalten oder aus dem Objekt wieder einen Menschen zu machen.

Deine Modelle findest du auf Social Media? Ich finde meine Modelle auch auf Social Media, aber vor allem im echten Leben. Ich glaube, fast jeder Mensch hat schon einmal mit dem Gedanken gespielt, sich ablichten zu lassen. Nur, wer wird denn viel fotografiert? Die, die extrovertiert sind und dazu stehen. Und wer lässt sich nicht ablichten? Diejenigen, die die Aufmerksamkeit nicht wollen, die sich nicht schön genug fühlen oder den Akt, sich fotografieren zu lassen, als narzisstisch wahrnehmen würden. Gerade solchen Menschen tut es aber wahnsinnig gut, mal im Mittelpunkt zu stehen. Und bei mir steht eben nicht ihr Körper im Mittelpunkt, sondern wirklich sie selbst.

Wie läuft denn ein Fotoshooting ab? Wir lernen uns als Allererstes einmal kennen. Ich muss ja wissen, welche Seite meines Models jeder kennt. Und das ist die Seite, die ich in den ersten zehn Minuten unseres Treffens kennenlerne. Die Seite ist sicher auch völlig in Ordnung und wahrscheinlich auch schön, aber mich interessiert die verborgene Schönheit, auch bei einem klassisch schönen Model gibt es die nämlich. Manchmal dauert der Austausch vor dem Shoot eine halbe Stunde, manchmal auch drei, vier. Erst wenn wir uns beide auf die nächste Ebene begeben haben, wird geshootet. Meistens ist der Anfang des Shoots ein Warm-up – Bilder, auf denen jeder das Model erkennt und die schön sind – klassischer Insta-Stuff. Aber irgendwann werden wir beide locker und dann kommt ein Moment, ein Blick, eine Pose – etwas, das ich noch nicht kenne. Und wenn ich dann abdrücke, weiß ich schon: Das wird was. Solche Bilder halten meist den gesamten gemeinsamen Tag und den Progress des ganzen Tages fest. Zum Shoot gehört natürlich auch ein Austausch, wenn ich die Bilder teile. Und mich macht es immer sehr glücklich zu hören, wenn die Models das Shooting so beschreiben, dass es ihnen neue Impulse gegeben hat. Ich höre sogar ab und zu, dass das Erlebnis als heilend empfunden wurde. Das erfüllt mich sehr.

*Interview: Michael Rädel

www.byashrafb.com, www.instagram.com/byashrafb

Foto: Ashraf El Bahrawi

Foto: Ashraf El Bahrawi

Foto: Ashraf El Bahrawi

Back to topbutton