#INTERVIEW: Wolfgang Müller

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Ein Künstler, wie er im Buche steht: Wolfgang Müller vereint als Buchautor, Musiker, bildender Künstler und Schauspieler mehr Talente in sich, als viele der jungen Wilden, die sich gerne als Multitalent bezeichnen. Zeit, ihn in der blu vorzustellen ...

DU HAST SCHON MIT STEREO TOTAL GEARBEITET ...

Ja, wir sind gut befreundet und kennen uns seit 1983. Im Jahr 2002 war ich mal ihr „Manager“. Ich vermittelte STEREO TOTAL zum Gay Pride nach Island, wo sie im Open-Air-Konzert vor über 60.000 Menschen spielten, also eigentlich vor allen Isländern, die gerade in Reykjavík waren. Sie sangen dort ihren Song „Liebe zu dritt“ – aber auf Isländisch. Ich verteilte Zettel zum Mitsingen im Publikum. Genau genommen war es dann keine Liebe zu dritt mehr, sondern eine geschlechtsübergreifenden Massenorgie.

GETROFFEN HABE ICH DICH IM NBI IM PRENZLAUER BERG, DEIN SCHAFFEN HAT ABER OFT UND VIEL MIT KREUZBERG ZU TUN. LIEBST DU DAS ALTERNATIVE?

Das Alternative kann leider genauso öde, mittelmäßig und geschmacklos sein, wie sein nicht-alternatives Gegenstück. Mir gefällt weder ein autoritärer konservativer Chef, der dumm ist und trotzdem das Sagen hat, noch ein sanft lächelndes linkes Kollektiv, das seine Hierarchien hinter einer Maske von Pseudo-Chaos oder Gleichberechtigungsanspruch versteckt. Die spannendsten Tageszeitungsartikel zur Kultur finden sich derzeit jedenfalls in der „FAZ“ und der „jungen Welt“. Vielleicht sollten die einfach redaktionell miteinander fusionieren – und dann als neues, neo-alternatives Kulturmagazin „FjAWZ“ erscheinen?

WAS IST FÜR 2010 ALLES GEPLANT?

Zunächst wird im Sommer der Kinofilm „Sumarland“ von Regisseur Grímur Hákonarsson in Reykjavík uraufgeführt. Dort spiele ich einen blasierten deutschen Kunstsammler mit süßem, rotlockigem Freund. Dieser „Wolfgang Muller“ (sic!) kauft einen echten Elfenstein von einem geldgierigen, stumpfen Macho-Isländer, um diesen Stein in seine Kunstsammlung nach Hannover zu überführen. In Hannover werden dann dekadente Elfenpartys mit Sushi-Häppchen und Champagner um den Naturstein herum gefeiert. In der Folge des Elfenstein-Deals bricht in Island die bürgerliche Welt zusammen. Der Rest ist noch geheim. Im Mai erschien dann endlich auch mein Buch über die queere Berliner Künstlerin Valeska Gert (1892–1978). Sie tanzte in den Zwanzigerjahren Themen wie Zeitlupe, Orgasmus und Autounfall. In den 1950ern engagierte sie den jungen Kinski für ihr Lokal „Hexenküche“ und tanzte die Nummer „KZ-Kommandeuse Ilse Koch“. Nach einer NDR-Talkshow bekam sie Fanpost von Punks. Kein Wunder: Wer mit 87 Jahren seinen Widerstand gegen die Gewalt des alles verschlingenden Mittelmaßes immer noch nicht aufgegeben hat, fällt sofort auf. Freie Gedanken sind für Menschen schwer zu (er)tragen.

*Interview: Michael Rädel

www.wolfgangmuellerrr.de

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