Rinaldo Hopf: „Die riesige queere Familie genießen!“

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Fotos: Fox, M. Rädel

Foto: M. Rädel

Der international bekannte Maler wurde einst in Freiburg geboren, bei uns erzählt der Wahlberliner, der auch immer noch in Baden-Württemberg lebt und arbeitet, seinen ganz persönlichen CSD-Rückblick.

1981 war ich das erste Mal auf einem CSD, in San Francisco, wo ich damals lebte. Es war eine überwältigende Erfahrung, groß, bunt und fröhlich. Zwölf Jahre nach den Stonewall Riots waren schon viele Freiheiten erkämpft – und von Aids wussten wir noch nichts. Diese Zeit wird im Nachhinein im schwulen Amerika der „Candy Store“ genannt, das „Schlaraffenland“: Alles schien möglich zu sein und wir feierten ausgelassen unsere Freiheit. „So Many Men, So Little Time“ brachte die euphorische Stimmung dieser sehr speziellen Zeit genau auf den Punkt. Im Herbst des Jahres tauchten schon die ersten beunruhigenden Nachrichten über einen spezifischen „Schwulenkrebs“ auf – so wurde Aids anfänglich bezeichnet – und lösten bei mir sofort Panik aus. Dieser frühe Schock hat mir das Leben gerettet, weil ich als Hypochonder von da an vorsichtig war. Es folgten viele weitere CSDs, erst in Paris, dann immer wieder in Berlin und auch in meiner Heimatstadt Freiburg, was für mich am aufregendsten war, weil es so viel mit meiner persönlichen Entwicklung, meiner Schulzeit und meiner Familie zu tun hatte. Als besonderes Bonbon kommt für mich dazu, dass der CSD oft an meinem Geburtstag Ende Juni stattfindet. 2019 jährten sich die Stonewall Riots zum 50. Mal. Eine Razzia in der Schwulenbar Stonewall Inn auf der Christopher Street in New York hatte zu tagelangen Krawallen und Auseinandersetzungen der queeren Szene mit der Polizei geführt – und in der Folge jedes Jahr am letzten Juniwochenende zu Demonstrationszügen. Daraus entwickelten sich die weltweiten Christopher-Street-Day-Paraden, kurz CSDs. Aus diesem Anlass habe ich ein umfangreiches künstlerisches Projekt geschaffen, „Stonewall Riots 1969“, das ich in verschiedenen Städten ausgestellt habe.

Foto: M. Rädel

Letztes Jahr endlich auch in New York zum CSD. Ich hatte mir vorgenommen, eine Podiumsdiskussion mit Teilnehmern des ursprünglichen Aufstands vor über fünfzig Jahren zu machen, und fand tatsächlich drei Veteranen, die gerne mitmachten! Es war großartig: Die toughe Lesbe und die zwei sehr unterschiedlichen männlichen Aktivisten hatten sehr viel zu erzählen. Beim New Yorker CSD selbst war ich begeistert von der schieren Masse und Vielfalt der TeilnehmerInnen. Besonders auffällig fand ich die rigiden Absperrungen, das hohe Polizeiaufgebot und dass die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppierungen jeweils ihre eigene Abteilung der Parade bildeten. So z. B. die queeren Mitarbeiter der Deutschen Bank, queere Mitglieder religiöser Gruppierungen, der Polizei, der Feuerwehr und sämtlicher ethnischer Gruppierungen. Das ist schon ein großer Unterschied zum Berliner CSD, wo die Themenwagen das Bild bestimmen und Musik und Party jahrelang den Zug dominiert haben.Also, ich werde wieder zum CSD gehen und die riesige queere Familie genießen! Zwei Erlebnisse bei Berliner CSDs habe ich besonders in Erinnerung: Der Zug zog jahrelang am Haus der tollen Schauspielerin Lotti Huber (Rosa von Praunheims „Anita – Tänze des Lasters“) vorbei, die auf ihrem Balkon stand und wie die Queen der Menge zuwinkte. Eine sehr schöne Erfahrung war es auch, als ich mit meinem kleinen farbigen Neffen Francesco auf den Schultern zum CSD ging: Noch nie ist mir so viel freundliche Aufmerksamkeit zuteilgeworden. Und ihm machte es einen Riesenspaß, er fuchtelte begeistert mit seinem Regenbogenfähnchen.

Der CSD in Freiburg findet am 22.6. statt, freiburg-pride.de, www.rinaldohopf.com


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