INTERVIEW: Blondies DEBBIE HARRY

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Bild: Andy Warhol

Ghosts of Download heißt das neue Album von Debbie Harry und ihrer Band Blondie, die in diesem Jahr ihr 40-jähriges Bestehen feiert. Wir trafen eine vom Husten geplagte Debbie Harry (wird am 1. Juli 69) im Hotel Mandala in Berlin und wollten von ihr wissen, wie es ihr gelingt, seit sieben Jahrzehnten cool zu sein.

IN DEN SIEBZIGERN HAST DU RAUSCHENDE PARTYS IM LEGENDÄREN SZENEKLUB CBGBS IN MANHATTAN GEFEIERT. DU WARST ENG BEFREUNDET MIT ANDY WARHOL UND VIELEN ANDEREN KÜNSTLERN. VERMISST DU DIE WILDEN ZEITEN?

Natürlich, es war wunderbar. Andy war ein Fan, und das Nachtleben in New York war überschaubar. Man traf sich immer in denselben Läden. Heute gibt es diese Szene nicht mehr. New York wird dominiert vom Geld. Das ist eine Scheißentwicklung. Die Kids kommen, finanziert von ihren Eltern, für ein paar Jahre in die Stadt, nehmen mit, was sie kriegen können, und hauen wieder ab. Sie saugen die Stadt aus. Die Subkultur verschwindet.

GEHST DU NOCH AUS?

Natürlich, soll ich zu Hause sitzen? Ist es das, was man von einer Frau in meinem Alter erwartet? Nicht mit mir! In der 23rd Street in Chelsea gab es bis vor kurzem einen S&M-Klub;, in den ich gerne gegangen bin. Hat dicht gemacht.

Foto: D. St Laurent

S&M?

Harry: Ja. Ist nichts für mich, aber zum Gucken ist es grandios. Du musst nur wissen, wann es Zeit ist zu gehen. Nämlich kurz bevor der erste durchdreht. Und glaub mir, irgendjemand dreht immer durch.

DU WARST EINE VORREITERIN DER SEXUELLEN BEFREIUNG. SIEHST DU DICH ALS IKONE?

Gegen das Attribut Ikone möchte ich mich verwahren. Das hört sich ja immer schon an wie ein Nachruf. Vorreiter waren wir, ja. Wir haben die Erotik und die Frivolität in der Popmusik gefördert.

IM NEUEN LIED MILE HIGH SINGST DU, DASS DU GERN SEX IN EINEM FLUGZEUG HABEN MÖCHTEST.

Korrekt. Aber bitte in einem Privatjet. Die Toiletten in den normalen Verkehrsflugzeugen sind definitiv zu eng.

DU GILTST ALS COOLE FRAU. WIE COOL FINDEST DU DICH SELBST?

Das müssen andere beurteilen. Ich bin selbstbewusst, habe einen guten Geschmack, feste Standpunkte und gehe neugierig durch die Welt. Macht mich das cool? Von mir aus. Vielleicht ist eine meiner besten Eigenschaften, dass ich nie Angst vor etwas hatte. Ich habe viel ausprobiert, viele Sachen gewagt und erst später darüber nachgedacht, was ich eigentlich trieb. Wir hatten nie einen Plan. Es gab auch zum Beispiel nie Stylisten, die uns vorgeschrieben hätten, wie wir auszusehen haben. Alles ist selbstgemacht. Wir waren Punks.

COOL SEIN IST ABER DOCH EINE KUNST, ODER?

Vermutlich, ja. Wer mich cool findet, macht mir ein Kompliment. Denn die Kunst beim cool sein ist, sich nicht zu sehr anzustrengen.

GHOSTS OF DOWNLOAD KLINGT DEUTLICH STÄRKER NACH REGGAE UND NACH DANCEFLOOR ALS EURE VORANGEGANGENEN PLATTEN. WAS IST DER GRUND?

Wir haben viel moderne Popmusik gehört in letzter Zeit und hatten uns vorgenommen, ein Album zu machen, das die Leute zum Aufstehen und Tanzen animiert. Es ist auch deshalb ein so leichtes und lockeres Album geworden, weil Clem (Schlagzeuger Clem Burke) und Chris so glücklich sind, wie lange nicht mehr.

UND DU?

Mir selbst geht es natürlich beschissen. Nein, nein, bei mir ist alles okay.

*Interview: Steffen Rüth

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