„Music for the Masses“ im Nazi-Bauwerk

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„Spirit“, also „Zeitgeist“ ist für viele Fans von Depeche Mode das beste Album seit dem Spätneunzigerwerk „Ultra“. Die Welttournee „Global Spirit" endet im kommenden Juli mit zwei Open-Air-Konzerten an einem geschichtsträchtigen Ort.

Foto: Anton Corbijn

Schluss mit dem Zeitgeist!

In allen Interviews zum Album wurde Frontsänger Dave Gahan (55) nicht müde seine Verbitterung über die politischen Entwicklungen in der Welt auszudrücken und zu erklären, dass Depeche Mode „gar nicht anders konnte“, als darauf künstlerisch zu reagieren. Dennoch wolle die Band mit „Spirit“ nicht nur Kritik üben und sich in Melancholie baden, sondern ganz im Gegenteil dazu aufrufen, „uns zusammenzuraufen und auf unseren Weg zurückkehren.“

„Ich denke, die Menschheit ist sehr weit weggekommen von ihrem Pfad.“ Dave Gahan im Frankenpost-Interview 

„Where's the Revolution“ war die erste Single aus dem Album. Ein politischer Song, der im wie so oft verstörend-ästhetischen, aber auch ironischen Video von Anton Corbijn unter anderem mit faschistischen Motivanleihen auf den weltweiten Vormarsch nationalistischer Bewegungen anspielt.

Schon alleine dieses eine Stück lässt die Wahl des Ortes für die beiden Abschlusskonzerte auf seltsame Weise konsistent mit dem Geist einer „Global Spirit" erscheinen.

Going Backwards (Rückwärts gehen)

Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-P019137 / Frankl, A. / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, wikimedia.org

22.000 Zuschauer können in dem von Nazi-Architekt Werner March auf Anregung von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels hin 1936 errichteten Freilichtbühne Platz nehmen und vom Hang des Breiten Bergs in den natürlichen Talkessel der Murellenschlucht auf die dort gelegene Bühne hinabschauen. Durch die an die altgriechischen Theater angelehnte Bauweise verfügt die als Dietrich-Eckart-Freilichtbühne gebaute Anlage über eine herausragende Akustik. Nach dem Krieg erlebte die dann Waldbühne genannte Spielstätte eine wechselvolle Geschichte und ist heute einer der beliebtesten Konzertplätze der Bundesrepublik – mindestens aber der Berliner.

Vielleicht haben sich Depeche Mode, die hier 2006 das letzte Mal spielten, ja ganz bewusst diesen Ort für das Ende der Zeitgeist-Tour ausgesucht, um noch einmal ganz deutlich zu machen, dass das sinnbildliche Rückwärtsgehen der Massen eine ganz schlechte Idee ist. Zuzutrauen wäre es diesen, seit den späten 1980ern immer auch mit Symbolik spielenden Kreativen durchaus. 

Unsere Rezension zu „Spirit“


23. + 25.7.2018, Global Spirit – Tourfinale, Waldbühne, Berlin, Glockenturmstraße 1, 19 Uhr, www.depechemode.de

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