Marla Glen im Interview

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Foto: J. Kohlrusch

Jemand wie Marla Glen entschuldigt sich nicht für sich selbst, auch wenn so manchen Spießer diese unbändige Energie und übergroße Persönlichkeit einschüchtern. „Ich kam genau so aus der Vagina meiner Mutter – inklusive Nadelstreifenanzug“, lacht Marla laut und macht die Hebamme nach: „,Oh, Moment, da kommt ja noch der Hut!‘“ Ihr neues Album „Unexpected“ zeugt von dieser Wahnsinnspower: Hier verbindet sich R ’n’ B mit Soul und Funk, es gibt Reggae mit Ska, Bluegrass und geradlinigen Rock, alles mit voller Kraft und mit großer Band rausgehauen – Entschleunigung oder gar Balladen sind was für junge Leute. Alles andere wäre auch eine Verschwendung dieser einmaligen Reibeisenstimme gewesen.

Das neue Album kommt dabei wirklich „unerwartet“, nach all den Jahren ohne Veröffentlichung. Diese Musik hat viel mit einer endlich gewonnenen Freiheit zu tun, denn die letzten beiden Jahrzehnte waren vor allem dem Kampf gegen das Musikbusiness gewidmet. Diese Schlachten hatten ganz profunde Auswirkungen. „Ich bin viel umgezogen wegen all der Probleme mit den gierigen Menschen. Ich war immer wieder in Situationen, in denen ich aus meinen Wohnungen gekickt wurde. Ich war nur am Überleben letztlich und wusste oft nicht mal, wie ich meine Miete bezahlen sollte oder wo meine Briefe ankommen würden“, erklärt Marla ganz offen. „Doch ich wollte wissen, wo mein Geld ist!“ Trotz ihrer großen Erfolge in den 90ern kam aufgrund bestimmter Verträge nichts von den Einnahmen bei Marla an. Aber trotzdem: „Ich habe immer geschrieben, immer gearbeitet. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich einfach weitergegangen bin. Nichts kann mich stoppen, zumindest keine gierigen Menschen!“

Trotz dieser Tiefen kam und kommt das Schreiben ganz selbstverständlich, seit Jahren liegen viele fertige Lieder auf dem Regal und warten nur darauf, umgesetzt zu werden. „Unexpected“ soll da nur der Anfang sein. „Ich habe mehr Alben in mir, die herauskommen werden. Ich kann das jetzt wieder genießen.“ Die Inspiration kommt nämlich in jeder Lebenssituation. „Stell dir vor, du und ich sitzen an der Bar und trinken Bier. Plötzlich sehe ich etwas – und dann mache ich schon mein große Klappe auf!“, lacht Marla und macht klar, wie sehr die Storys der Lieder aus dem Leben gegriffen sind.

Und was für ein Leben das ist! Im Alter von fünf Jahren bekam Marla auf einer Geburtstagsparty eine Spielzeugmundharmonika geschenkt – von Muddy Waters persönlich, denn Marlas Mutter war mit der Frau von Muddy befreundet. Aber auch B.B. King und Quincy Jones lebten in dieser Nachbarschaft, so als wollte das Leben damals schon sagen, dass es gar keinen anderen Weg als den in die Musik gibt. Später lernte Marla dann auch Nina Simone kennen und arbeitete als Assistenz für die Legende, doch damals hatte die eigene Karriere von Marla bereits begonnen. Über viele Reisen und Bühnen führte der Weg dann nach Frankreich, wo man Marla endlich entdeckte. Bald danach gab es den großen Plattenvertrag mit einem Major-Label, der sich erst als Segen und später als ein Fluch herausstellen sollte. Dass die Alben Platin und Gold erhielten, nutzt Marla heute wenig, dafür aber umso mehr die Lieder, die auf „This Is Marla Glen“ (1993) oder „Love And Respect“ (1995) erschienen, vor allem der Song, der Marla berühmt gemacht hat: „Believer“. Denn seinetwegen kamen die treuen Fans, die in all den Jahren der Krise die Konzerte füllten – und die auch auf der neuen Tour wieder da sein werden. Und das kommt ausnahmsweise ganz und gar nicht unerwartet.

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