Max Raabe „Wer hat hier schlechte Laune“

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Er möchte kein Video-Interview machen, sondern telefonieren. Auch musikalisch hechelt der Bariton aus Berlin mit seinem Palast Orchester keinen Trends hinterher. Er orientiert sich eher an den Klängen der Weimarer  Republik. Dennoch fließen in einigen Stücken seines Albums „Wer hat hier schlechte Laune“ elektronische Rhythmen ein.

Herr Raabe, eines Ihrer Lieder heißt „Irgendwas ist immer“. Hat Sie diese Erkenntnis dazu bewegt, die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen?

Ja. Eigentlich habe ich keine Lust, über Corona zu sprechen. Doch ich bin mit dieser Misere nur klargekommen, weil ich mir sagen konnte: Ich bin nicht schuld an diesem Stillstand. Das Orchester kann zwar nicht auftreten, wir verschieben unsere Termine. Das liegt aber nicht daran, dass wir ein schlechtes Programm haben oder uns die Leute plötzlich nicht mehr hören möchten. Der Grund ist eine Entscheidung der Regierung, die festgelegt hat: Wir dürfen nicht auf die Bühne. Dieser Entschluss war nachvollziehbar, darum konnte ich ihn akzeptieren.

Haben Sie in dieser Situation die Nummer „Es wird wieder gut“ geschrieben? Oder hat der Ukraine-Krieg dafür die Initialzündung gegeben?

Ich habe nie den Anspruch gehabt, die Welt zu erklären. Das Stück war schon fertig, als Putin das Nachbarland überfallen hat. Es soll nicht das widerspiegeln, was man in den Zeitungen oder Nachrichten liest, hört und sieht. Meine Lieder handeln eigentliche alle vom persönlichen Leben. Wenn mal etwas in der Beziehung oder in der Familie schiefläuft, steckt in „Es wird wieder gut“ ein kleiner Hoffnungsschimmer – weil ganz am Ende gut gelaunte Musik um die Ecke kommt.

Dabei trägt Ihr Album den Titel „Wer hat hier schlechte Laune“. Packt Sie zuweilen der Frust?

Ich glaube, es gibt niemanden, der regelmäßig auf der Bühne steht und nicht auch eine melancholische Seite hat. Richtig schlechte Laune habe ich allerdings selten. Wenn ich mit dem Orchester sehr viel unterwegs bin und Züge ausfallen, sinkt meine Stimmung manchmal. Ich reiße mich dann aber zusammen, schließlich sind in dem Moment alle gebeutelt. Da muss man eben durch.

Was kann Sie aus so einem Stimmungstief herausholen?

Ein wirkliches Gegenmittel habe ich leider nicht. Ich denke bloß: Hoffentlich geht dieser Durchhänger gleich wieder weg.

Hilft es Ihnen als leidenschaftlicher Radfahrer nicht, ordentlich in die Pedale zu treten?

Gerade nach einem Büro- oder Studiotag bin ich heilfroh, wenn ich mich aufs Fahrrad setzen kann. Sobald mir der Wind um die Ohren weht, geht es mir automatisch besser. Die frische Luft tut mir gut, nach einer Weile denke ich einfach an andere Sachen. Deshalb leihe ich mir auch während einer Tournee gern im Hotel ein Fahrrad aus.

Sind Sie inzwischen auf ein E-Bike umgestiegen?

Nein. Ich ziehe es vor zu strampeln. Natürlich habe ich elektrische Fahrräder bereits ausprobiert. Für Langstrecken finde ich sie ganz praktisch, innerhalb der Stadt sind sie jedoch nichts für mich. Ich war erstaunt, wie schnell man mit diesen Rädern um die Kurve fährt. Daran muss man sich erst gewöhnen.

Obgleich Sie ein normales Fahrrad vorziehen, singen Sie das Lied „Strom“. Wie kam es dazu?

Die Idee entwickelte der Komponist Achim Hagemann. Zunächst war ich ein bisschen reserviert, ich fragte mich: Wollen die Leute tatsächlich von mir erklärt bekommen, wie sie sich fortbewegen sollen? Aber dann habe ich mich mit Vergnügen auf das Thema gestürzt und mit Achim das Stück fertig geschrieben. Vor allem seine Beats begeisterten mich. Sie erinnerten mich an die Musik, die mein Bruder und ich früher gehört haben. Zum Beispiel Kraftwerk.

*Interview: Dagmar Leischow

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