Owen Pallett „Es ist so wichtig, mit Fremden zu reden“

by

Foto: Yuula Benivolski

Es hat lange gedauert, bis Owen Palletts neustes Album „Island“ erscheinen konnte – der Vorgänger „In Conflict“ stammt immerhin schon aus dem Jahr 2014. Woran es lag? Zum Großteil an ihm selbst.

Der Kanadier, der seine ersten Schritte unter dem Namen Final Fantasy gemacht hat und mittlerweile für seine Arbeit mit Arcade Fire mit einem Grammy ausgezeichnet wurde, hat einfach viel zu tun. Ob Arrangements für Frank Ocean und Christine and The Queens, Taylor Swift oder die Pet Shop Boys oder die zahlreichen Aufträge für Filmmusik. Es dauerte einfach. „Dabei habe ich gar nicht hart an dem Album arbeiten müssen, es kam schnell zusammen. Sehr schnell. Es hat sich nur lange hingezogen aufgrund all der anderen Projekte.“ Selbst die Aufnahmen mit dem London Contemporary Orchestra in den Abbey Road Studios waren kein Drama. „Das war ein symbiotisches Verhältnis. Und es ist auch einfach meine Aufgabe als Arrangeur, so zu schreiben, dass man mich versteht.“

Zu seiner eigenen Überraschung setzt Owen auf „Islands“ eine Geschichte fort, die er mit seinem Solodebüt „Heartland“ 2010 begonnen hat, und die von einem Mann namens Lewis und seinem Ringen mit einem Gott namens Owen handelt – und die am Ende des neuen Albums dazu führt, dass Lewis in den Weltraum gefickt wird („Lewis Gets Fucked Into Space“ heißt dieses Lied dann auch bestechend direkt). Erst als Owen mit dem Album fast durch war, spürte er, wie gut er mit diesen dunklen, intensiven Liedern Lewis’ Story fortsetzen konnte. „Ich hatte die meisten Lyrics fertig, als mir auffiel, dass es Sinn ergibt, wenn die Songs in sein Narrativ eingepasst werden.“ Jetzt weiß Owen auch, dass es irgendwann ein drittes Album um diesen eigenartigen Charakter geben wird, selbst wenn es unsicher ist, wann es kommt. Bis dahin schwebt Lewis einfach weiter im Weltraum umher.

Doch selbst so eine eigenartige Handlung wie diese hat es schwer, mit unserer Realität zu konkurrieren, denn es waren auch für Owen Pallett sehr eigenartige zwölf Monate. „Dabei hat sich mein Leben weniger als das Leben anderer Menschen geändert. Ich habe wie immer zu Hause gearbeitet, mein Studio ist ja auch hier. Irgendwo war es zwar schon enttäuschend, nicht auf Tour zu sein – andererseits war ich aber auch seit 2017 nicht mehr unterwegs.“ Was Owen am meisten berührt, ist, wie sich die Pandemie auf seine Freunde, Familie und Liebhaber auswirkt: „Sie sind so gestresst, so einsam.“ Owen selbst fehlt es vor allem, neue Menschen zu treffen. „Es ist so wichtig, mit Fremden zu reden, für dich, für dein Gehirn. Bei mir in Toronto begegne ich normalerweise immer neuen Leuten.“ Inwieweit sich das alles auch auf ihn auswirkt, kann er kaum sagen, er weiß nur, dass er in diesen Monaten nichts Neues geschrieben hat, „ich fühlte mich nicht so. Aber ich habe Aufträge gesucht und viele gefunden.“ Doch vor allem hat er die Zeit genutzt, um an seinem Instrument zu üben, der Violine. „Ich bin richtig gut geworden!“, sagt er, obwohl er sie bereits seit dem dritten Lebensjahr spielt und am Anfang seiner Karriere gerade für sein Geigen berühmt wurde. Doch jetzt habe er ein ganz neues Niveau erreicht, berichtet er stolz. „Wenn ich wieder auf der Bühne bin, werde ich richtig spektakulär sein. Diese Wochen waren wie musikalische Push-ups für mich. Allerdings“, lacht er, „habe ich dafür keine echten gemacht. Ich bin in einer schlechteren körperlichen Verfassung als jemals zuvor in meinem Leben!“ Und er klingt dabei nicht, als würde ihm das Sorgen bereiten. *fis

Back to topbutton