#NDW: Sam Vance-Law hatte Spaß

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Es hat einen sehr eigenen Charme, wenn ein in Berlin lebender Kanadier, ein begnadeter Pop-Songwriter und Sänger, Urheber von Indie-Perlen wie „Gayby“ und „Prettyboy“, ein Charmebolzen, wie man ihn nicht oft auf den Bühnen des Landes sieht, kurz: Wenn Sam Vance-Law diese Zeilen singt: „Ich sprüh's auf jede Häuserwand / Ich such' den schönsten Mann im Land / Ein Zettel an das schwarze Brett / Er muss nett sein, auch im Bett.“  

Man darf davon ausgehen, dass Ina Deter, von der das Original stammt, ein breites Grinsen im Gesicht trägt, wenn sie diese Version ihres damals wie heute für Trubel sorgenden Hits „Neue Männer braucht das Land“ aus dem Jahr 1982 hört.

Einen diebischen Spaß hatte auch Sam Vance-Law bei den Aufnahmen seiner neuen 4-Track-EP, auf der er sich vor der Neuen Deutschen Welle verneigt. Das hört man schon bei der Vorabsingle „Eisbär“ und man hört es auch bei den weiteren Songs, von denen zum Weltfrauentag eben der Deters-Hit als Single erscheint. Was natürlich ein politisches Statement ist, das Sam so nicht genannt haben will. Leise lachend sagt er: „Ich weiß, ich komme aus der Sache nicht raus, wenn ich sage, ich singe den Song aus reiner Freude. Also sagen wir es so: Schon bei meinem Album ‚Homotopia‘ schwingt ja so eine gesellschaftliche Ebene mit, wenn ich Lieder wie ‚Gayby“ singe. Aber meine Musik ist nicht dogmatisch, ich sage niemandem, wie er leben soll, aber ich freue mich, wenn meine Geschichten und Erfahrungen Diskussionen auslösen.“

So sei es auch mit „Neue Männer braucht das Land“: „Ich wollte ja eigentlich nur mal als Mann den Satz singen ‚Er muss nett sein auch im Bett‘. Wenn sich dadurch Leute empowered oder ans Bein gepisst fühlen – gerne.“ Und es sei doch auch erstaunlich, dass ein Lied, das 40 Jahre alt ist, noch immer die Leute triggern kann. „Da schwingt natürlich die Frage mit: Tja, meine Lieben hat sich wirklich so viel geändert?“ Eine Frage, die Ina Deter übrigens immer wieder gerne in aktuellen Interviews mit einem entschieden „Nö!“ beantwortet.  

Diese erstaunliche Zeitlosigkeit war es auch, die Sam und seine Band auf die Idee brachten, sich der NDW zu widmen. „Lieder wie ‚Eisbär‘ oder ‚Neue Männer braucht das Land‘ klangen schon damals außergewöhnlich, weil sie eine ganze eigene Sprache und Stimmung haben, die man zu der Zeit anderswo extrem selten fand.“ Und sie machten Sam einfach Spaß, weil das, was man so NDW nennt, ihm bis zu seiner Ankunft in Deutschland vor gut zehn Jahren gar nicht bekannt war: „Als ich in meinen ersten Berlin-Jahren nach einer Weile auch wirkliche Berlinerinnen und Berliner in meinem Freundeskreis hatte, war ich auf vielen privaten WG-Partys – und da liefen öfter diese NDW-Songs, die alle mitgrölen konnten. Ich habe die geliebt – und hatte vorher noch nie von denen gehört.“ Es sei ja eh so, dass man in Amerika, Kanada oder England eher Can, Neu! oder höchstens noch Rammstein kenne. Selbst unter Musikfans. „Ich habe Nerds in meiner Clique, die sich stundenlang über B-Seiten von 1967 unterhalten können, aber mich hat nie einer gefragt, was die Deutschen denn wirklich hören. Oder was hier in jüngerer Vergangenheit die Popmusik geprägt hat.“  

Neben den beiden genannten Songs hat sich Sam Vance-Law auch den unvermeidlichen „Major Tom“ von Peter Schilling vorgenommen. „Ein faszinierender Song. Den konnte bei diesen Partys wirklich jeder mitsingen, aber wenn man sich ihn genau anschaut, ist er eigentlich völlig irre. Das Arrangement macht an einigen Stellen aus musikalischer Sicht überhaupt keinen Sinn. Aber am Ende macht es gerade das so intensiv. Und dann dieses creepy Flüstern von Schilling – herrlich!“ Man spürt selbst im Gespräch noch die Euphorie und den Spaß, der im Studio vorherrschte. Wobei Sam klarstellt: „Es ist eine Verneigung. Keine Parodie. Ich liebe diese Lieder. Ich habe sie exakt studiert und sicher hundertmal gehört. Ich wollte sie genauso betonen, wie sie im Original gesungen werden.“ Eine eher überraschende Wahl ist der letzte Song im NDW-Bunde: „Ich will nicht älter werden“ von der hannoveranischen Pop-Punk-Band Bärchen und die Milchbubis um Sängerin Annette Grotkasten. Hier singt Sam im Duett mit Max Gruber alias Drangsal. „Von ihm stammt auch die Idee, das Lied zu covern. „Ist es nicht großartig? Es ist wahnsinnig catchy und hat diesen naiven Optimismus, den man 1981 nicht oft fand. Und wie die Gitarrenmelodie und der Bass ineinandergreifen – das ist simple as fuck but perfect.“


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