„Dinge zu machen, die mir guttun“ – Max Giesinger

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Foto: C. Köstlin

Mit Max Giesinger warm zu werden, das ist leicht. Zum Interview im Bullerei Studio im Hamburger Schanzenviertel bringt er Kuchen mit. Den hat ein Freund von ihm gebacken, weil der Sänger zwei Tage vor dem Gespräch seinen 33. Geburtstag gefeiert hat.

Doch nun muss er wieder in den Arbeitsmodus zurückkehren, schließlich hat der Wahlhamburger mit „Vier“ ein neues Album am Start. Es setzt auf eingängigen Pop und nachdenkliche Texte. Max Giesinger schrieb einfach das auf, was ihm beim Staubsaugen durch den Kopf ging. Denn während der Pandemie wurde natürlich auch er auf sich selbst zurückgeworfen. „Ich hatte zum ersten Mal richtig Zeit, all das, was in den letzten Jahren passiert ist, wirklich sacken zu lassen“, grübelt er. Statt auf der Bühne zu stehen, war er allein in seiner Wohnung im Schanzenviertel. Er las, er lernte kochen, er zog sich mehrere Monate komplett aus den sozialen Medien zurück. Das sei eine sehr positive Erfahrung gewesen, resümiert er: „Mir wurde klar: Ich habe zwar einen wunderbaren Beruf, aber mein Glück ist anscheinend nicht davon abhängig.“

Was er tatsächlich braucht: gute Gespräche mit reflektierten Menschen, in der Natur zu sein. Nicht umsonst heißt eines seiner Lieder „Berge“. Immer häufiger nimmt sich Max Giesinger kleine Auszeiten am Wasser oder eben in den Bergen. Er hat gelernt, öfter mal Nein zu sagen. Vor allem auf beruflicher Ebene. Heute steht der Musiker nicht mehr für alles zur Verfügung, so wie früher: „Ich wollte es immer allen recht machen.“ Die Ursache dafür liegt in seiner Kindheit, den Beweis dafür liefert das Stück „Deine Zweifel“. Es zeigt einen Jungen, der sich als Scheidungskind stets für das Wohlergehen seiner Mutter verantwortlich fühlte: „Wenn Mutti mal nicht so gut drauf war, habe ich das direkt auf mich bezogen. Ich dachte, ich müsste mich so anpassen, dass sie im besten Fall immer glücklich ist.“ Weil Max Giesinger die Emotionen anderer Personen dauernd auf sich bezog, wurde er ein harmoniesüchtiger Mensch: „Ich musste erst checken: Vielleicht hat mein Gegenüber einfach bloß einen schlechten Tag.“

So entwickelte er sich Schritt für Schritt weiter, seine Single „Irgendwann ist jetzt“ bringt sein Lebensmotto ziemlich gut auf den Punkt. „Diesen Song rufe ich mir ins Gedächtnis, wenn ich in den Unachtsamkeitsmodus abgleite und mich über Kleinigkeiten aufrege“, erläutert er. „Dann erinnere ich mich daran, die Dinge zu machen, die mir guttun und mir Energie geben.“ Nach Möglichkeit geht er jeden Tag im Park Planten un Blomen spazieren – das hilft ihm dabei, seinen Kopf freizukriegen. Er übt sich darin, auf Fleisch zu verzichten. In Portugal, wo er eigentlich nur acht Tage Tennis spielen wollte, blieb er letztlich mehrere Wochen. Wegen des zweiten Lockdowns in Deutschland. Er surfte, er machte Yoga, er wusch ständig seine schmutzigen Pullis, er tauschte sich mit achtsamen Menschen aus. Nicht über Oberflächlichkeiten, sondern über Werte.

Jetzt denkt Max Giesinger, der in einem Dorf bei Karlsruhe aufwuchs, ernsthaft darüber nach, aufs Land zu ziehen. Am liebsten mit seinen Kumpeln, sie wohnen alle in Hamburg in seiner direkten Nachbarschaft: „Wir haben uns schon darüber unterhalten, irgendwo eine Kommune aufzubauen.“ Auch Nachwuchs wäre der Sänger grundsätzlich nicht abgeneigt: „Eine Family und Kids könnten mir irgendwann bestimmt Stabilität geben. Es hat ja einen Grund, warum dieses Modell bereits so lange erfolgreich ist.“ *Interview: Dagmar Leischow www.maxgiesinger.de

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