Interview: Vertonte Tagebucheinträge

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Die Geschichte von LEA liest sich wie das perfekte Pop-Märchen: Im zarten Alter von sechs Jahren begann sie mit dem Klavierspielen, als Teenager landete sie ihren ersten YouTube-Hit und wenig später unterschrieb sie einen Plattenvertrag. 2017 gelang ihr dann der große Wurf:

Die Single „Leiser“ verkaufte sich über 400.000 Mal. Pünktlich zu ihrer Teilnahme in der VOX-Show „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ veröffentlicht die 27-Jährige nun ihr drittes Album „Treppenhaus“. Darauf bleibt sie ihrem Stil treu: Anspruchsvoller Pop trifft auf persönliche und intime Texte. Im Interview spricht sie über ihre Kindheit, ihre Kollaboration mit Capital Bra und Online-Konzerte in Zeiten von Corona.

LEA, auch du hast die Corona-Krise schon genutzt, um online zu musizieren, unter anderem bei Max Giesingers Wir bleiben Zuhause Festival“. Wie fühlt es sich an, ganz alleine zu Hause in eine Kamera zu singen?

Das war für uns alle eine neue Erfahrung! Aber es ist unglaublich schön zu sehen, dass man auch von zu Hause aus Musik machen und den Kontakt zu seinen Fans aufrechterhalten kann. Im Moment werden viele erfinderisch und versuchen, mit den Mitteln, die wir haben, trotzdem irgendwas herbeizuzaubern. Das finde ich toll. Keine Ahnung, ob meine Tour im November stattfindet, aber ich versuche positiv zu bleiben und schaue einfach, was trotzdem möglich ist. Zum Beispiel kann ich trotzdem mein Album rausbringen, worauf ich mich riesig gefreut habe.

„Treppenhaus“ knüpft ziemlich nahtlos an den Vorgänger „Zwischen meinen Zeilen“ an, oder?

Das kann man so sagen. Selbstfindungsphasen machen Sinn, wenn man noch nicht so richtig angekommen ist. Ich hatte bei „Zwischen meinen Zeilen“ aber das Gefühl, dass ich wirklich mit jedem einzelnen Song zu 100 Prozent bei mir war. Deswegen wollte ich dieses Mal gar nicht so viel anders machen.

Welche Themen haben dich dieses Mal beschäftigt?

Ich habe viel über Familie und Freunde geschrieben. Zwischenmenschliche Beziehungen werden ja einfach nie langweilig. Ob es um Freunde, Familie oder den Partner geht – es gibt immer wieder neue Blickwinkel, aus denen man schreiben kann. Ich habe aber auch mich selbst viel reflektiert.

Zum Beispiel erzählst du von „Sylt 98“. Was verbindest du mit Sylt?

Wir waren als Familie früher immer campen, in Italien, Kroatien oder eben auf deutschen Inseln wie Sylt. Ich hatte eine wunderschöne Kindheit und ich denke so gerne daran zurück, wie ich früher Indianer gespielt habe und überall Höhlen gebaut habe. Der Song blickt auf diese unbeschwerte Zeit und meine Kindheitserinnerungen zurück, vor allem auch mit meiner Schwester. Im Refrain heißt es: „Immer wenn du bei mir bist, ist es wie Sylt 98“.

Mit dem Stück „Elefant“ bedankst du dich bei deinen Eltern. Warum war dir das wichtig?

Der Song ist der persönlichste auf dem Album und handelt davon, wie unglaublich stark meine Eltern mich gemacht haben für meinen Lebensweg. Dass ich die Person sein kann, die ich jetzt bin, habe ich ihnen zu verdanken. Sie haben mir Selbstbewusstsein und Sensibilität mitgegeben. Sie haben mir beigebracht, dass ich die Welt hinterfrage und nicht alles hinnehme, sondern den Mund aufmache und für mich einstehe. Dass ich mir nicht alles gefallen lasse. Ich könnte jetzt noch stundenlang Sachen aufzählen. Das alles ist nicht selbstverständlich, und dafür wollte ich einfach mal Danke sagen.

Dazu singst du von Trennungen und Herzschmerz – das sind alles sehr persönliche Themen. Macht es dir nicht manchmal Angst, die mit so vielen Menschen zu teilen?

Jeder, der im öffentlichen Leben steht, macht sich angreifbar. Ich glaube, man muss da ein bisschen abhärten, das gehört halt dazu. Dass ich Menschen mit meiner Ehrlichkeit und meinen Worten helfen kann, ihre eigene Geschichte vielleicht besser zu verstehen oder zu akzeptieren, ist mir wichtiger, als dass ich mich verschließe, um mich selber zu schützen. Jeder entscheidet ja, wie viel er preisgibt, und ich habe für mich die Regel gefunden, dass ich alles, was mit der Musik zu tun hat, gerne preisgebe, mein Privatleben dafür aber schütze.

Mit „110 (Prolog)“ befindet sich auf deinem Album auch eine neue Version deines Duetts mit Capital Bra, das letztes Jahr zum Nummer-1-Hit wurde …

Genau, ich wollte die Geschichte gerne noch mal mehr aus meiner Perspektive erzählen. Mit „110“ habe ich mich ja schon in ein ganz anderes Genre begeben.

Der selbst ernannte Frauenheld Capital Bra und die nachdenkliche Songwriterin LEA – das ist schon eine überraschende Kooperation. Was hat dich daran gereizt?

Ich bin ein sehr offener Mensch und mag Experimente. Insgesamt habe ich sehr positives Feedback bekommen. Natürlich haben einige gefragt, warum ich jetzt was mit Capital Bra mache. Aber statt Leute wie ihn zu ignorieren, ist es doch viel besser, etwas zusammen zu machen und so die Chance zu nutzen, etwas zu verändern. Auf einmal macht Capital Bra einen Liebessong, in dem es nicht um Frauen in Ferraris geht, und der eine völlig neue Seite von ihm zeigt. Ich finde das total schön und indem man einen Rapper mit der Reichweite auf so ein Thema lenkt, verändert man vielleicht auch ein Stück weit die Zuhörer.

Ob Lotte, Antje Schomaker oder du – in den letzten Jahren mischten immer mehr Frauen die deutsche Musiklandschaft auf. Glaubst du, dass sich da gerade etwas verändert?

Ich glaube, dass diese Frauen schon immer da waren, aber bisher nicht so viel gehört wurden wie die Männer. Gerade wurde in einer Studie bekannt gegeben, dass im Radio in Deutschland 79 Prozent Männer und 21 Prozent Frauen gespielt werden. Es muss sich also noch eine Menge ändern – aber wenn man nicht anfängt, kann sich auch nichts verändern. Je mehr Frauen erfolgreich werden, desto mehr öffnen sie die Türen für weitere Frauen. Und desto mehr ändern sie die Hörgewohnheiten der Leute. Das Problem ist halt, dass die Frauen das nicht alleine können. Da müssen die Männer schon mithelfen.

Derzeit bist du als eine von zwei Frauen auch in der VOX-Show „Sing meinen Song“ zu sehen. In den ersten Folgen flossen bereits Tränen. Was hast du aus der Zeit in Südafrika mitgenommen?

Das war eine unglaublich intensive Zeit für uns alle. Wir haben uns alle schockverliebt ineinander und hatten so schöne Tage zusammen. Ich glaube, keiner von uns hätte gedacht, was da möglich ist und dass man sich so fühlen kann. Ich hoffe, dass wir diese freundschaftliche Liebe, die wir gespürt haben, den Zuschauern nach Hause vermitteln können und sie in diesen doch schwierigen Zeiten etwas aufmuntern können.

*Interview: Nadine Wenzlick


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