Interview • Mark Forster: „Ich liebe es, wenn Musik so entsteht!“

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Foto: Jens Koch

Wenn man es richtig macht, dann ist das Aufnehmen eines neuen Albums ein großes, einzigartiges Abenteuer. Und Mark Forster macht es richtig: „Ich mag es sehr gerne wegzufahren. Den Kopf wirklich freizuhaben, um nur Musik zu machen. Und es gibt ein ganz tolles Studio in Florenz, auf einem Berg voller Olivenbäume, etwas außerhalb der Stadt, von wo man direkt auf den Dom blickt. Da hat man wirklich seine Ruhe.“ Dort haben er und sein Team sich dieses Jahr eingenistet und einen Großteil des neuen Albums „Liebe“ erarbeitet. Darüber hinaus hat er – wie es mittlerweile gute Tradition bei ihm ist – die Streicher wieder in London aufgenommen. „Mit Rosie Danvers, einer ganz tollen Arrangeurin, die zum Beispiel mit Adele und Kanye West arbeitet. Und wir sind immer ihre einzige deutsche Produktion. Wir verstehen uns gut – und sie macht das glücklicherweise gerne für uns.“

Aber das ist zugegebenermaßen alles gar nichts, verglichen mit der Reise, die Mark unternommen hat, um einen Kinderchor aufzunehmen – dafür ist er nämlich bis nach Uganda geflogen, damit er mit dem African Children’s Choir, dem berühmtesten afrikanischen Kinderchor, arbeiten konnte. In der Stadt Entebbe, um genau zu sein. „Das ist ein unglaublicher Ort! Die haben diese eine Akademie direkt am Victoriasee, der aussieht, als wäre er ein ganzes Meer. Die Kinder wohnen dort und gehen dort auch zur Schule, es sind alles Kids, die ursprünglich aus den Slums kommen. Später, während ihres Studiums, kehren sie zurück, um die nächste Generation auszubilden.“ Dieser Kreislauf funktioniert so nun schon seit gut vierzig Jahren und führte auch zu mehreren Grammys, die die Kinder gewinnen konnten. Mark stieß rein zufällig auf den Chor – durch eine Dokumentation auf Netflix namens „Imba Means Sing“. „Die kann ich nur empfehlen!“, sagt er nachdrücklich. Kein Wunder, denn es ist ja kein Geheimnis, dass Mark sehr gerne Chöre in seine Lieder einbaut – er mag es, wenn viele Leute gemeinsam singen („Da passiert dann auch etwas!“), wie beispielsweise auf dem letzten Album „Tape“, wo er auf vielen Liedern die Harlem Gospel Singers gefeatured hat.

Also irgendwie schon klar, dass er einen Tag, nachdem er die Dokumentation gesehen hatte, in Entebbe anrief. Eine Woche später war er mit seinem Team auf dem Weg nach Afrika. Dort haben sie dann letztlich nicht nur mit den Kindern gearbeitet. „Wir haben drei Tage mit ihnen aufgenommen und sind dann in die Hauptstadt Kampala gefahren, wo wir die zwei größten Popstars aus Uganda kennengelernt haben, Maro und Maurice. Wir sind spontan mit ihnen in ihr Studio, einem Zimmer in einem Parkhaus, haben einen Song geschrieben und aufgenommen. Abends sind wir dann direkt in die größte Radiosendung des Landes damit gegangen.“ Um am Folgetag auch gleich das Video dazu zu drehen: „In den Slums von Kampala, wo wir nur reindurften, weil wir mit Maro unterwegs waren. Und dieser Song ist jetzt auch auf meinem Album. Ich liebe es, wenn Musik so entsteht! Man hört es den Liedern an, wenn sie mit einer besonderen Motivation verbunden sind.“

Um solche einmaligen, wichtigen Momente und Erlebnisse geht es auch schon in der ersten Single zum neuen Album, „Einmal“. Sie ist das Statement einer Lebenseinstellung, und das Video nimmt sich der ganzen Sache auf besondere Art an – es war wieder ein Abenteuer. „Ich habe auf Instagram und Facebook dazu aufgerufen, dass mir Fans, wenn sie Lust haben, Videos ihrer einmaligen, großen Momente schicken. Ich war platt, wie viel da gekommen ist und welche krassen Momente uns die Menschen geschenkt haben! Zum Beispiel den ersten Schritt des Kindes oder wie der Kleine sich das erste Mal die Schuhe selbst zubindet, es gab Videos von einem Heiratsantrag oder einer Hochzeit – wir wurden überrollt von großartigen Momenten! Ich bin ja nicht nah am Wasser gebaut, aber – kein Scheiß – ich musste echt hier und da heulen.“ Er selbst wollte in diesem Video natürlich auch mit dabei sein und Kim Frank fragte ihn, worauf er denn am wenigsten Lust hätte oder wovor er am meisten Angst hätte … und so kam es, dass Mark für „Einmal“ zum ersten Mal in seinem Leben einem Fallschirmsprung machte. „Ich habe latente Höhenangst. Ich habe sogar schon mal einen Gutschein dafür geschenkt bekommen, den ich aber habe verfallen lassen.“ Doch jetzt sagt er einfach: „Ich kann es jedem nur empfehlen – macht das!“, und lacht.

Dass sich so viele Menschen auf seinen Aufruf über die sozialen Medien gemeldet haben, überrascht allerdings gar nicht so sehr, denn er hat allein auf Instagram über 700.000 Follower. „Ab und zu, wenn mir langweilig ist, spiele ich mit den Storys rum und poste Bullshit. Ich gehe da nicht sonderlich strategisch oder sonderlich professionell ran.“ Wenn er wieder mal auf Bahnhöfen oder am Flughafen wartet, liest er sich aber gerne die Kommentare und Nachrichten durch. „Mir werden teilweise superpersönliche Geschichten erzählt.“ Es scheint fast so, als würde er sich dafür revanchieren wollen, denn das mit dem Persönlichen gilt ausdrücklich für den Inhalt seiner neuen Lieder. „Sie zeigen, wo ich gerade stehe, sie sind ein Spiegel meiner letzten Jahre. Ich singe sehr viel und sehr konkret über mich.“ Der Albumtitel „Liebe“ meint deswegen auch mehr als nur das Offensichtliche: „Es geht nicht nur um die Liebe zwischen Mann und Frau oder Mann und Mann oder Frau und Frau, sondern auch um die zu sich selbst, zur Familie, den Menschen um mich herum.“ Die Musik kommt aus seinem innersten Seelenleben. „Das da hat mich in den letzten Jahren beschäftigt, während all dieser Trubel um mich herum stattfand. Ich habe tief in mich reingeguckt, was in mir los ist.“ Er hat lange mit seinem Umfeld diskutiert, ob er denn wirklich so offen sein darf. „Ich finde es ein kleines Wagnis. Ich bin sehr gespannt, wie die Menschen reagieren werden – vor allem die, über die ich auch singe.“ Genauer will er jetzt aber nicht werden … was und wie und wer gemeint sein mag, kann jeder selbst herausfinden. Obwohl man sich wohl besser auf die Suche nach seinen eigenen Abenteuern machen sollte.

*Interview Christian K.L. Fischer

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