LENYA STORY: „Dass die AfD jetzt so stark geworden ist, ist einfach beunruhigend. Wehret den Anfängen!“

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Foto: M. Schell

Ein Stück über eine der berühmtesten Künstlerinnen des zwanzigsten Jahrhunderts.

Erste Theatererfahrungen sammelt Karoline Wilhelmine Charlotte Blamauer in Zürich und in Berlin, wo sie durch Brechts Dreigroschenoper über Nacht zum Star wird. Brechts Komponist Kurt Weill wird ihr Liebhaber und späterer Ehemann. Karoline erlangt als Lotte Lenya Weltruhm, doch im aufkommenden Nationalsozialismus wird die Arbeitssituation für Weill in Deutschland unerträglich, das Paar wandert nach Amerika aus.

Ab dem 18. Oktober ist im Renaissance-Theater Berlin eine Hommage an Lotte Lenya und Kurt Weill zu sehen. Wir sprachen mit der österreichischen Sängerin und Schauspielerin Sona MacDonald, die Lotte Lenya darstellt. 

Was bedeutet Ihnen die Musik Kurt Weills?

Unser Zuhause war sehr geprägt davon. Meine Mutter ist Schauspielerin, mein Vater war Konzertpianist – beide große Kurt-Weill-Liebhaber. Sie hörten ständig diese Platten und es hat mich von früh an geprägt. Als Teenager hab ich all diese Lieder sogar bereits gesungen.

Haben Sie ein Lieblingslied?

Oh ja, ich liebe besonders den „Bilbao-Song“. Wir haben zwanzig dieser herrlichen Lieder in unserem Stück, meine Seele geht auf, wenn ich die singen kann.

Sie spielten bereits Marlene Dietrich, nun Lotte Lenya. Waren die beiden vor Ihrer Karriere ein Vorbild für Sie?

Besonders diese beiden Damen haben mich interessiert, aber sie sind natürlich sehr unterschiedlich! Die eine ist so eine Ikone geworden und eine Legende, gerade auch durch ihre äußere Erscheinung. Mit Kostümen umgehen, das konnte die Dietrich wirklich. Lotte Lenya hingegen, die hatte so ein Urgespür, die Musikalität war ihr einfach gegeben. Mich hat immer fasziniert, dass sie keine Noten lesen konnte und einfach aufsog, was Brecht und Weill ihr beigebracht haben. Das englische Wort „streetwise“ beschreibt sie perfekt. Sie kam nicht grad aus der Gosse, aber sie kam aus sehr armen Verhältnissen. Man muss wirklich schlau und instinktiv sein, um es dann so weit zu bringen.

Foto: M. Schell

Was haben Sie und Lotte Lenya gemeinsam?

Also ich bin halbe Wienerin. (lacht) Lenya ist für mich DIE Sängerin für Kurt Weill, und dann gibt’s erst mal gar nichts. Sie hat so etwas Urpersönliches in der Stimme. Die ist einfach für mich ganz da oben. Und alles, was ich tun kann – so wie bei den anderen Damen auch (lacht) –, ist, die Essenz darzustellen. Das, was ich an ihr liebe, das möchte ich der Welt vermitteln.

Lotte Lenyas letzte drei Ehemänner sollen homosexuell gewesen sein. Kommt das im Stück vor?

Ach ja, das wird angedeutet. Mein Bühnenpartner, Tonio Arango, spielt alle Ehemänner in ihrem Leben. Ich denke, sie hatte so eine Art Helfersyndrom. Ihre Partner waren meistens Alkoholiker und schwerstdepressive Künstlernaturen. Vielleicht hat sie sich solche Männer ausgesucht, weil auch ihr eigener Vater Alkoholiker war. Der Weill war als Einziger vollkommen gesund, aber ein totales Arbeitstier.

Welchen Raum nehmen die vielen Briefe ein, die Lenya und Weill sich geschrieben haben?

Sie sind elementar für mich, um die beiden kennenlernen zu können. Und da habe ich diese tiefe Freundschaft entdeckt, die sie für ihn hatte. Sie waren ja auch viel getrennt. Aber sie haben trotz Scheidung zusammengehalten und sogar wieder geheiratet, nachdem der Hitler kam und sie nach Amerika auswandern mussten. Es ist unheimlich, da sind schon Parallelen in der Geschichte, die manchmal in diesen Briefen durchkommen. Wie es brodelt in der Politik in Deutschland und in Österreich. Dass die AfD jetzt so stark geworden ist, ist einfach beunruhigend. Wehret den Anfängen!

Sie traten bereits früher in Berlin auf. Wie unterscheiden sich denn das Berliner und das Wiener Publikum?

Also, die Wiener reden über ihre Schauspieler immer mit dem Nachnamen. Wenn du da mit dem Nachnamen erwähnt wirst, dann hast du es geschafft. Das ist wie ihr Eigentum, sie verehren die so. Bis zum Taxifahrer nimmt jeder teil am Theater. In Deutschland weniger, wobei ich glaube, dass die Berliner sich noch ein bisschen abheben. Und wenn sie dann da sind, sind sie so direkt. Das habe ich geliebt, damals am Schillertheater. Da wurde schon gemotzt und reingeredet, wenn das irgendwie fad ist. Ich fand das unmittelbar und gut. In Wien ist das Publikum eher höflicher, lässt sich das gefallen und motzt später. (lacht)

*Interview: Leander Milbrecht

21. – 25.11., Lenya Story, Renaissance-Theater, Knesebeckstraße 100, U Ernst-Reuter-Platz, 20 bzw. 16 Uhr, www.renaissance-theater.de

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