DFDC: „Hey, wir sind hier, alle zusammen!“

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Foto: Dominik Mentzos

Mit der ungewöhnlichen Auftakt-Choreografie „À la Carte“ stellten sich im November der neue künstlerische Leiter der Dresden Frankfurt Dance Company (DFDC) Ioannis Mandafounis und das Ensemble beim Frankfurter Publikum vor.

Im Januar kommen neue Stücke der DFDC ins Bockenheimer Depot: „Wandeln“ ist eine Choreografie für Kinder der Dresdener Choreografin Katja Erfurth (19. bis 21. Januar), „Scarbo“ ist ein Solo für eine Tänzerin (25. bis 28. Januar).

Im Rahmen der „Open KOMM!unikationsfabrik" im Frankfurt LAB lädt die DFDC am 21. Januar zu einem einstündigen Tanz-Workshop für Anfänger*innen und Fortgeschrittene, der in die improvisatorische Arbeit der Truppe erklärt. Außerdem präsentieren die Tänzer*innen Todd Baker, Emanuele Piras, Solène Schnüringer, Audrey Dionis, Louella May Hogan, Ashley Alexandra und Thomas Bradley eigene Kurz-Choreografien.

In unserem Gespräch erklärt Ioannis Mandafounis seine Idee von Tanz, die Illusion von Entertainment und seine Methode der „Live-Choreografie“, deren Stücke zwar komplett improvisiert sind, aber geplant wirken. 


„À la Carte" war das erste Stück, das du gezeigt hast. Ich fand es ziemlich mutig, weil es sehr weit entfernt von einem klassischen Ballettabend ist. Wird die DFDC in Zukunft also eher Performances oder Happenings zeigen? 

Diese Aufführung und damit auch alle Tänzer*innen vorzustellen, war sehr wichtig für mich. Ich arbeite sehr kollaborativ mit den Tänzer*innen. Sie improvisieren und agieren selbstbestimmt, die Struktur ist sehr frei und sie müssen auf der Bühne tänzerisch wie choreografisch sehr viele Entscheidungen treffen. Das ist unser neuer Ansatz und das wollten wir zeigen. Es war mir außerdem wichtig, dass das Publikum merkt, wie sehr wir es brauchen. Wir könnten stundenlang im Studio tanzen, aber irgendwann muss man seine Arbeit auch teilen. Das ganze Thema und die Art und Weise, wie wir es zusammengestellt haben, haben wirklich eine klare Botschaft: „Hey, wir sind hier, alle zusammen“. Zur Performativität: Mir gefällt, dass die Tänzer*innen Multitasking-Leute sind. Für „À la Carte“ hat zum Beispiel Thomas (Bradley) die Kostüme gemacht und Manon (Parent) war die musikalische Leiterin. Viele der Ensemble-Mitglieder sind, neben ihren Aufgaben als Tänzer*innen, auch Musiker, einige sind Schauspieler oder ähnliches. Selbst die Tänzer*innen kommen aus unterschiedlichen Zusammenhängen, einige vom klassischen Tanz, andere waren noch nicht mal in der Nähe einer Ballett-Stange.

Für mich ist auch ein politisches Statement. Ich finde es wichtig, einen Weg zu finden, damit alle zusammen koexistieren können, anstatt immer nach „formaler Harmonie" zu suchen, also so zu tun, als wären alle gleich. Niemand ist gleich! Und das ist auch das, was wir dem Publikum vermitteln wollen. Die Performativität kommt also eher aus dieser Idee, als aus dem Bedürfnis, eine Performance zu machen.

Foto: Dominik Mentzos

Ist Improvisation der Hauptbestandteil eurer Art zu arbeiten?

Ich nenne das eher Live-Choreografie oder Live-Dramaturgie, weil es viel damit zu tun hat, dass wir dem Publikum ein kontinuierliches Ergebnis präsentieren können. Das Publikum soll das Gefühl bekommen, dass es sie wirklich sicher irgendwo hinbringen, und nicht wie „oh, vielleicht passiert es, vielleicht auch nicht". Es geschieht jeden Abend, und es geschieht jeden Abend mit der gleichen Intensität, auch wenn für die Tänzer*innen nichts gleich ist. Vielleicht tanzt man nicht mit denselben Leuten, man tanzt nicht zur selben Musik, man weiß nicht, ob man allein auf der Bühne stehen wird oder mit drei anderen Personen. Du weißt nicht, ob du auf die Bühne kommst oder nicht und wann du von der Bühne gehst. Im Grunde genommen weiß man als Tänzer*in gar nichts.

Ist Entertainment etwas, das du im Sinn hast, wenn ein Stück entsteht?

Oh, ich kann sagen, wo für mich das Problem der Frage liegt. Entertainment entscheidet sich nicht daran, dass wir Spaß haben oder dass wir glücklich sind, das Publikum zu treffen. Es gibt da so eine Art von ... Illusion, ich weiß nicht, wie ich es nennen soll. Es ist so eine Sache wie: „Oh, die haben Spaß, also ist es Entertainment". Oder ein Stück scheint eine gewisse Leichtigkeit zu haben, also ist es Entertainment. Für mich liegt die Kunst in der Schwierigkeit, das zu erreichen, was man erreichen will. Was ist, wenn diese Sache traurig, langsam, schneller, fröhlicher, heller oder dunkler ist?

Ich kann verstehen, dass manche Leute, wenn sie nach der Show nach Hause gehen, vielleicht sagen, oh, das hat sich wirklich wie Entertainment angefühlt – für mich hat das nichts mit Entertainment zu tun. Das Handwerk der Tänzer*innen und die Aufgaben, die sie dabei bewältigen müssen – das ist die Kunst. Wenn das dann eine glückliche Kunst ist, gut, dann bin ich auch glücklich!

Ich habe dich mit der Frage nach „Entertainment“ natürlich ein bisschen aufgezogen ...

Ja, aber es war eine sehr gute Frage, denn es gibt diese große Illusion über Entertainment. Natürlich können die Leute so etwas sehr leicht kritisieren. Aber das ist mir eigentlich egal.

Foto: Volker Metzler

Im Januar zeigt DFDC zwei Stücke in Frankfurt. Das erste ist ein Stück für Kinder, es ist nicht von dir.

Nein, Katja Erfurth ist eine Choreografin, die wir eingeladen haben. Sie macht Stücke für Kinder. Für mich ist das aus verschieden Gründen wichtig. Ich habe ja schon erklärt, dass ich sehr daran interessiert bin, das Publikum zu uns zu holen. Wir sind selbst aktiv geworden und haben in Schulen gespielt. Wir würden das gerne in die nächsten Spielzeiten integrieren, damit wir jedes Jahr ein oder zwei Stücke in Schulen aufführen können. Katjas Kreation „Wandeln“ ist für Jüngere gedacht. Das ist etwas, von dem ich persönlich nicht weiß, wie ich es machen sollte. Für mich als Vater ist das auch interessant, ich könnte mit meiner viereinhalbjährigen Tochter zu Aufführungen gehen. Wichtig ist mir das Projekt auch, weil Katja aus Dresden ist. Sie lebt und arbeitet seit vielen Jahren mit Hellerau zusammen und ist wirklich Teil der dortigen Szene.

Foto: Jean Baptiste Bucau

Das zweite Stück ist der Soloauftritt einer Tänzerin?

Ja, „Scarbo" ist Teil meines Repertoires und ein wichtiger Punkt in meiner bisherigen Arbeit. Es ist ein abendfüllendes Stück, ein 55-minütiges Solo, was bereits an vielen, vielen Orten aufgeführt wurde. Es ist ein sehr, sehr starkes Solo und wird von Manon Parent getanzt, Sie ist eine der Tänzer*innen mit der ich in der Vergangenheit schon oft zusammengearbeitet habe. „Scarbo“ enthält so viel an Funktionalem, was wir bei der DFDC jetzt auch nutzen und umsetzen. „Scarbo" ist wie ein offenes Buch. Wenn man sehen will, wie unsere Methode funktioniert, dann schaut euch „Scarbo" an, und ihr werdet es verstehen!

19. – 21.1., „Wandeln“ und 25. – 28.1., „Scarbo“, Bockenheimer Depot, Carlo-Schmid-Platz 1, Frankfurt, 25.1.: Premierenfeier (ab 21:30 Uhr freier Eintritt), 27.1.: Nachgespräch zur neuen Produktion

21.1., im Rahmen der „Open KOMM!unikationsfabrik" im Frankfurt LAB:

Community Dance Tanzworkshop ab 14 Jahren. Studio der DFDC, Schmidtstr. 12, Frankfurt, 14:15 Uhr, Eintritt frei

Im Anschluss Kurz-Choreografien verschiedener Tänzer*innen der Company: „Polaris Sonata. A Glamorous Disaster" von Todd Baker (15 Uhr), „Just a Duet" von Emanuele Piras  und Solène Schnüringer (15:30 Uhr),  „Kahl. Surreal Bowling" von Audrey Dionis, Louella May Hogan und Ashley Alexandra (16 Uhr), „Text, Bewegung, Gegenstand" von Thomas Bradley (17 Uhr), Frankfurt LAB, Schmidtstr. 12, Frankfurt, ab 15 Uhr

www.dfdc.de

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