„Intersektionale Politik ist uns am wichtigsten“

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Foto: Rosa*Liste

Die Rosa*Liste engagiert sich als freie Hochschulpartei für queere Rechte an der Uni Frankfurt – mit Erfolg: Bei der diesjährigen Wahl zum Studierendenparlament wurde die Rosa*Liste drittstärkste Kraft, ist mit insgesamt drei Personen im Parlament vertreten und stellt mit Rosa Vogler sogar dessen gewählte Vize-Präsidentin. Damit ist sie in Frankfurt die erste Frau mit trans* Biografie, die ein solches Amt inne hat. Ein Gespräch mit Gönni Landsmann, Abgeordnete der Rosa*Liste, und Rosa Vogler.


Die Rosa*Liste gibt's noch gar nicht so lange, wie habt ihr euch gegründet?

Gönni: Gegründet haben wir uns im Juni oder Juli 2018 und sind 2019 zum ersten Mal zur Wahl angetreten. Ich bin schon länger als Referentin im Queer Referat der Goethe Uni, und eigentlich wollten wir uns hochschulpolitisch nicht zusätzlich engagieren, weil es uns ja schon als Referat gibt. Im AstA und in der Hochschulpolitik geht aber leider sehr viel unter, und queere Themen werden, wie in der Gesamtpolitik auch, sich sehr gerne angeeignet und als Deko und Schmuck in den Wahlversprechen zelebriert, aber am Ende kommt nichts bei raus. Wir wollten aber queere Themen nicht als Schmuck-Thema anderer Hochschulgruppen, sondern wirklich aus uns selbst heraus aktive hochschulpolitische Arbeit machen, damit sich auch wirklich was verändert.

Kam dieser Impuls auch so ein bisschen aus in der Wahrnehmung, dass ähnlich wie in der Gesellschaft an der Uni ein Rollback stattfindet?

Gönni: Das habe ich so an der Uni nicht wahrgenommen, aber wir sind halt, und das muss man auch sagen, schon in unserer Bubble unterwegs …

Rosa: Am Standort für Gesellschaftswissenschaften, wo wir beide studieren, ist mir das auch nicht aufgefallen. Es ging uns eher um Themen wie die Etablierung von All-Gender-Toiletten oder die vereinfachte Namensänderung für trans* Personen, die natürlich am authentischsten von queeren Menschen vertreten werden können. Verglichen mit dem Referat haben wir als Hochschulpartei natürlich auch ein ganz anderes Standing. Als studentische Vertreter*innen haben wir einen anderen Handlungsspielraum und mehr finanzielle Möglichkeiten.

Einen großen Rollback an der Uni habe ich nicht bemerkt. Klar, du hast, je nachdem wo du bist, schon mal Anfeindungen in Toiletten, aber dass das jetzt zugenommen hat, war eigentlich weniger der Punkt für die Gründung der Rosa*Liste.

Im Rahmen eures Wahlkampfs gab es Anfeindungen gegenüber der Rosa*Liste: Plakate wurden abgerissen, verschandelt oder es wurde versucht, euch daran zu hindern, eure Plakate aufzuhängen …

Gönni: Dass im Zuge des Wahlkampfs gegen uns von Seiten der Uni so geschossen wurde, hat sich für uns einzigartig dargestellt. Bei den Wahlen davor kam das eher so aus einer, ich nenne es jetzt mal religiösen Richtung, da wurden Anti-Abtreibungs-Sticker auf die Plakate geklebt und so Sachen. Also, von bestimmten Studiengängen waren wir das von den ersten beiden Wahlen gewohnt. Aber dass wir so krass öffentlich angegangen worden sind, auch mit Statements zu unseren Postings auf Instagram und auch wirklich mit Sachbeschädigung, das war neu.

Rosa: Ich fand schon heftig, dass gerade am PEG, dem Gebäude der Gesellschaftswissenschaften wo wir beide studieren, Plakate abgerissen wurden und viel überschmiert wurde. Zum Beispiel die „Radikal Feminist*innen“, ich finde das sehr schwierig, das mit meinem Feminismus übereinzubringen. Ich würde mich auch als Feministin bezeichnen, und ich fand es sehr erschreckend, dass da gar keine Diskussionsebene war, sondern einfach purer Hass geschürt wurde. Es geht da ja auch oft ganz explizit gegen trans* Frauen. Mir oder anderen trans* Frauen wird dann immer vorgeworfen, dass wir eigentlich nur verkleidete Männer sind und uns in die Frauenräume einzecken wollen um dort zu Spannen. Wie soll ich denn auf so ein Argument reagieren, wenn eine Person mich in meiner Gesamtheit als Mensch torpediert und nicht anerkennt? Wo ist denn da die Verhandlungsebene? Das hat mich sehr erschrocken.

Wir beide haben beide unsere Gesichter für die Wahlkampagne hergegeben, aber auf so eine anonyme Bedrohung, die dir wirklich nur das Schlechteste wünscht, kannst du gar nicht reagieren. Wir haben nie eine Anfrage von irgendeiner Gruppe bekommen, die mit uns diskutieren wollte. Es wurden auch Sachen drüber plakatiert, die gegen die Abschaffung Frauentoiletten oder gegen die Abschaffung von Frauenschutzräumen waren, was wir ja überhaupt nicht möchten und auch nie gesagt haben, das steht in keinem unserer Statements. Wir wollen eine Form von All-Gender-Toiletten, aber wir haben nie gesagt, dass wir alle Frauentoiletten umlabeln wollen oder sowas. Oder auch diese Sticker gegen das Selbstbestimmungsgesetz (von trans* und inter Menschen, Erg.d.Red.) – wir sind eine Hochschulpartei, wir entscheiden überhaupt nicht über solche Dinge und wir haben auch keine bundespolitischen Connections. Dann sollen sie sich bitte bei der FDP, der SPD oder den Grünen melden, aber nicht bei uns. Ich finde, das ist so verfehlt! Was soll ich damit anfangen?

Foto: Rosa*Liste

Ich habe eurem Wahlprogramm entnommen, dass ihr eine Idee einer diskriminierungsfreien Universität oder Uni als Safe Space habt; stimmt das so? Oder anders formuliert: Als kleine Utopie für die große Gesellschaft?

Gönni: Ich glaube, einen Safe Space zu schaffen ist unmöglich. Wenn überhaupt, dann versuchen wir einen Safer Space zu generieren, in dem man sich sicherer fühlen kann. Ich glaube, eine diskriminierungsfreie Uni wollen alle Studierenden. Und die soziale Frage ist von der queeren Frage natürlich nicht zu trennen. Das heißt, wir versuchen zu zeigen, dass wir intersektionale Politik an der Uni brauchen. Und nicht nur an der Uni, sondern auch gesamtgesellschaftlich, damit das überhaupt noch irgendwas werden kann. Intersektionale Politik ist einer unserer wichtigsten Punkte.Die Utopie haben wir natürlich, dass es irgendwann, irgendwie alles keine Rolle mehr spielt, Geschlecht, Sexualität und so weiter. Ob wir das noch miterleben werden?

Gönni: Du hast das ja schon angesprochen mit dem Rollback. Da muss man sich ja nur die USA angucken, was da gerade passiert …

Je mehr queere Menschen sichtbar werden, desto mehr Hass scheint es dagegen zu geben.

Rosa: Queer stellt natürlich ein konservatives Weltbild sehr in Frage. Ich glaube, das hat einfach mit den Identitätsbelangen jeder einzelnen Person zu tun. Wenn zum Beispiel ein queeres Paar Händchen hält und eine andere Person das sieht und was dagegen hat, ist das ja oftmals ein Unbehagen mit der eigenen Fremdheit. Wir sind alle in einer Gesellschaft sozialisiert, die sehr viel unterdrückt und die das heteronormative Ideal nur darüber stabilisiert, dass die Mitglieder*innen sich selbst in einer gewissen Weise beschränken müssen. Und ich glaube, dass das auf einer unbewussten Ebene stattfindet und auch schon frühkindlich geprägt wird. Und wenn eine Person ein queeres Paar sieht, ist das für diese Person immer eine Konfrontation mit sich selbst. Ich glaube, so entstehen reaktionäre Haltungen und der Hass. Das ist meine persönliche Theorie …

Und ich denke, gerade dadurch, dass queere Politik und queere Menschen sichtbarer werden, sind alle anderen gezwungen, sich damit mehr auseinanderzusetzen. Und das löst sehr viel Unbehagen aus, weil dass das Fremdsein mit der eigenen Identität aufkommt. Das wirft ja auch Fragen auf. Also, warum findest du das gut, dass zum Beispiel zwei Frauen oder Mädchen Händchen halten? Oder findest du das schlecht, macht es Angst oder welche Gefühle kommen da bei dir auf?

Ist es vielleicht auch hoch angesetzt, wenn man sich damit immer auseinandersetzen soll? Das möchten Menschen ja genau nicht tun!

Gönni: Viele haben ja auch gar nicht die Möglichkeit dazu. Wenn ich einen Fulltime-Job habe, drei Kinder, drei Stunden Schlaf, und gucken muss, dass ich alles unter einen Hut krieg‘, also, diese ganzen Prekarisierungen die es gibt, da hast du einfach nicht mehr die Ressourcen, dich dann auch wirklich noch mal mit einem anderen auseinanderzusetzen.

Ich komme zum Beispiel aus dem Arbeiter*innenhaushalt, ich bin ganz anders aufgewachsen als andere und ich bin die einzige oder die erste in unserer Familie, die studiert. Da merkst du nochmal, dass du einen ganz anderen Background hast, und das merkt man auch mit Bildung, was glaube ich auch ganz wichtig ist.

Und was ich beim Thema „immer mehr Menschen sind dagegen“ total spannend finde: Das zeigt doch auch, wie brüchig dieses ganze System ist und wie schnell das in sich zusammenfallen kann. Und das zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind und das es auch eine Möglichkeit für was anderes gibt.

Könnt ihr euch erklären, wieso ihr so einen großen Erfolg bei dieser Wahl hattet? Lag es an den tollen Plakaten? Oder gab es Wahlkampfveranstaltungen, wo ihr euer Programm vorgestellt habt?

Gönni: Nee, gar nicht. Früher gab es einen Abend, an dem sich alle Hochschulgruppen und Vertreter*innen getroffen haben. Das war öffentlich an der Uni, da konnten Leute auch öffentlich Fragen stellen, es gab Interviews auf UTV, dem Uni Radio. Bei der letzten Wahl hat da alles coronabedingt nicht stattgefunden. Es gab lediglich kurze Video-Zusammenschnitte, aber die wurden nur von 30, 40 Leuten angeschaut, das ist jetzt nicht die große Range. Ich glaube, so hart es jetzt klingt, uns hat es wirklich geholfen, dass wir so hart angefeindet wurden. Das hat uns noch mal ziemlich viele Leute gebracht, die sonst vielleicht gar nicht wählen gegangen wären, dann aber gesagt haben: Jetzt erst recht! Allerdings ist die Wahlbeteiligung an der Uni unterirdisch, es waren diesmal glaube ich 10,2%, also von 40.000 Studierenden waren 4.000 wählen. Allein das ist schon wirklich sehr traurig. Da muss auch was passieren, eine allgemeine Politisierung der Studierendenschaft. Das ist natürlich von der Uni nicht erwünscht. Aber Studierende haben heute eigentlich nicht mehr die Chance, zu studieren und sich gleichzeitig politisch zu engagieren, zum einen, weil sie sonst Gelder gekürzt kriegen, oder weil sie eben Jobs haben und arbeiten müssen. Da sieht man einfach auch wieder, wie dagegen gearbeitet wird, dass Studierende sich mehr politisch engagieren können. Ich glaube, wir haben einfach einen superguten Wahlkampf gemacht, wir hatten gute Plakate und wir haben irgendwie gezeigt, dass wir auch wirklich daran interessiert sind, politisch was zu machen. Wir konnten auch schon Erfolge vorweisen und sind etablierter …

Was habt ihr als Rosa*Liste bislang erreicht?

Rosa: Wir hatten schon zwei große Erfolge, Wir stehen ja seit einem Jahr im Austausch mit dem Uni-Präsidium wegen einer vereinfachten Namensänderung für die trans* und inter Personen an der Uni, noch bevor man die offizielle Namensänderung durchgeführt hat. Die Uni hatte das in einem sehr begrenzten Rahmen schon zugelassen. Man musste zum Beispiel nach einem Jahr nachweisen, dass man die Namens- und Personenstandsänderung gemäß des Transsexuellengesetzes eingeleitet hat, was einfach wahnsinnig teuer und ein krasses Verfahren ist, was im Übrigen in vielen Teilen vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde. Es war an der Uni bislang trotzdem nicht möglich, dass zum Beispiel der selbstgewählte Name und die Identität auf den Zeugnisdokumenten erscheint. Darmstadt macht das zum Beispiel schon seit langem so, und es gab sogar schon Rechtsgutachten an anderen Unis, zum Beispiel der Humboldt-Uni in Berlin, die bescheinigen, dass die Uni das im Rahmen der Freiheit der Lehre machen kann. Das ist also eine politisch motivierte, eigene Entscheidung der jeweiligen Uni. Es hat jetzt sehr lange gedauert, auch weil die Goethe Uni nochmal ein eigenes Rechtsgutachten in Auftrag geben hatte. Da ist man dann sogar zu dem Ergebnis gekommen, dass es nicht nur wünschenswert, sondern auch die Pflicht der Hochschule ist, jeder einzelnen studierenden Person die Möglichkeit zur persönlichen Freiheit und individuellen Entfaltung zu geben. Und dazu gehört eben auch der Name und der Personenstand. Das gilt auch schon, es gibt bereits ein neues Dokument dazu, und man kann das einfach mit dem dgti-Ausweis beantragen.

Was ist das für ein Ausweis?

Rosa: Das ist der Ausweis von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität dgti, dort kann man sich, wenn die offizielle Namens- und Personenstandsänderung vom Staat noch nicht erfolgt ist, eine Art Zusatzausweis zum Personalausweis ausstellen lassen, eine Art Übergangslösung. Dann hast du diesen Ausweis, mit Foto und einer Referenznummer zu deiner Personalausweisnummer, und damit kann man jetzt an der Hochschule den Namen ändern. Der alte Name wird dann gelöscht, damit auf den Zeugnisdokumenten der selbst gewählte Name erscheint. Das hat uns sehr gefreut. Es war ein langer Prozess, aber es hat geklappt …

Gönni: Das war auch eine der Kernforderungen, mit der wir zur Wahl angetreten sind. Wir haben ein Jahr gebraucht, bis wir den Uni-Präsidenten am Tisch hatten. Dann haben wir die Zusage bekommen, dass in einem halben Jahr das Ergebnis des Rechtsgutachtens kommt. Und wir hätten nicht gedacht, dass es tatsächlich durchgeht. Aber vielleicht hat das auch ein bisschen an unserem Wahlerfolg zu tun. Dass wir das angestoßen haben und unsere Forderung jetzt so reibungslos durchsetzen konnten, macht uns natürlich froh. Wir sind ja nicht im AStA sondern kommen aus der Opposition.

Gleichzeitig wurde uns zugesichert, dass es, wenn möglich, sogar Ende des Jahres All-gender-Toiletten und FLINTA*-Toiletten geben wird. Das heißt, auch hier ist ein Kampf, den ich eigentlich schon seit zehn Jahren als Referentin hier an der Uni führe, endlich gewonnen ist. Wir sind da noch lange nicht am Ziel, aber wir werden jetzt in den Bestandsgebäuden, schauen, wie viele Toiletten das betreffen wird, aber es wird auf jeden Fall ganz offizielle FLINTA*- und All-Gender-Toiletten geben.

Müssen die dazu umgebaut werden?

Rosa: Nein, überhaupt nicht! Es gibt es einfach nur eine andere Beschilderung.

Gönni: Deswegen ist das ja so absurd, dass wir uns seit 10 Jahren anhören müssen, dass dazu das Baurecht geprüft werden muss. Durch die Gaststättenverordnung und die Uniordnung muss es eine bestimmte Anzahl Frauen- und Männer-Toiletten geben, das steht per Gesetz fest. Und das war tatsächlich das Einzige, was dagegensprach. Aber es gibt an der Uni wohl genug Toiletten, dass man einige umlabeln kann. Also von der Uni aus ist es einfach nur eine Sache von „Wir kleben da ein neues Schild drauf“. Es wird dann entsprechend kommuniziert, und das muss natürlich auch klar und deutlich gemacht werden. Da haben wir jetzt schon mal gesagt, dass wir und da gerne einbringen. Wir sind mit dem Gleichstellungsbüro der Uni in Kontakt und werden das zusammen ausgestalten, damit die Labelung auf diesen Toiletten dann genau so aussieht, wie wir das kommunizieren, damit es auch in die Studierendenschaft getragen wird. Das sind jetzt zwei Erfolge, die wir uns nach drei Jahren langer und harter Arbeit, Pressearbeit, Verhandlungen und Networking endlich an der Uni geschafft haben.

Rosa: Und das wird die Situation für queere Studierende an der Uni nachhaltig verändern.

Foto: Rosa*Liste

Welche Angebote gibt es momentan für queere Studierende an der Goethe Uni?

Gönni: Es gibt seit letztem Jahr eine queere O-Phase, eine queere Orientierungsphase, um zu zeigen, was es hier für Orte und für Möglichkeiten gibt, um zu partizipieren. Das war ein Wochenende und wurde im letzten Jahr, als wir das das erste Mal angeboten haben, sehr gut angenommen. Wir hatten einen Sektempfang, zu dem kamen 50, 60 Leute, dann hatten wir Samstag ein Brunch im LSKH mit queerer Schnitzeljagd durch die Stadt, einen Spieleabend und Wandern am Sonntag, also so ein bisschen gucken, einfach auch um Kontakte zu knüpfen, weil man als queere Person doch irgendwie auch mal ganz schnell alleine irgendwo in einem Seminar sitzt und nicht weiß, wohin. Wir haben das gemeinsam gemacht, die Rosa*Liste und das Queere Referat. Dieses Jahr wird es eine ganze Woche sein, mit verschiedenen Angeboten: Get-together, Wandern, Essen, Spielen und auch mit Vorträgen. Der genaue Termin steht noch nicht fest, wahrscheinlich wird die O-Phase vom 22. bis 29. Oktober stattfinden, Infos dazu gibt es rechtzeitig über unsere Internet-Kanäle.

Die queere Ringvorlesung haben wir vom Referat leider abschaffen müssen, weil wir die zeitlichen Kapazitäten nicht mehr hatten, aber auch nicht mehr die zeitliche und finanzielle Unterstützung der zuständigen Uni-Personen bekommen haben. Wir haben das ja ehrenamtlich gemacht und entschieden, dass wir das nicht mehr vollumfänglich tragen können und diese Vorlesungen in der Art leider einstampfen müssen.

Dann gibt es immer noch den Raum 102 vom Queer Referat im Studierendenhaus auf dem Campus Bockenheim, dort gibt es freitags die Barabende. Wir haben in den letzten 10 Jahren dort wirklich alles Mögliche gemacht, und die Barabende sind geblieben. Da kann man sich connecten, zusammen trinken, quatschen. Wir haben auch Spieleabende eingeführt, die aber leider durch Corona und personelle Ausfälle eher unregelmäßig stattfanden. Eigentlich sollten sie Montagabends alle zwei Wochen stattfinden. Dann hatten wir eine Zeit lang mal ein Sonntags-Café, was aber weniger angenommen wurde. Da haben ich und meine Mitreferentin zum Teil alleine da gesessen. Dann haben wir gesagt, die Kapazität haben wir einfach nicht. Es gab auch mal Beratungsstunden, auch die haben wir eingestampft, weil das Geld dafür fehlt, um das adäquat machen zu können.

Wir sind immer dabei zu schauen, welche neuen Formate wir bringen können. Während Corona haben wir sehr lange ein queeres Online-Quiz gemacht, jetzt wollen wir eine neue Filmreihe starten, wo wir drei, vier Mal im Semester Filme zusammen anschauen und darüber sprechen. Es hängt immer ein bisschen davon ab, wie die Kapazitäten sind, wie viele Leute sind wir gerade?, wer kann wie irgendwas leisten?, weil es ja auch alles ehrenamtlich ist, neben dem Studium.

Rosa: Nochmal zur Erklärung: Es gibt das Queer Referat und es gibt die Rosa*Liste. Das, was Gönni erzählt hat, da mischen sich die Ebenen ein bisschen. Ich bin zum Beispiel in der Rosa*Liste, ich bin auch oft im Referat oder helfe mit, aber ich bin keine Referentin. Aber wir verweisen ja auch immer gegenseitig aufeinander. Man kann sich ans Referat wenden, wenn man Leute kennenlernen möchte, ein bisschen partizipieren möchte. Wenn man hochschulpolitisch arbeiten möchte und Leute kennen lernen möchte, was sich ja nicht ausschließt, dann wendet man sich eher an die Rosa*Liste. Es gibt also zwei Anlaufstellen.

Gönni: Und die schließen sich ja auch nicht aus. Viele, die im Referat waren, sind inzwischen auch Teil der Rosa*Liste, weil sie gemerkt haben, es macht doch Bock, sich auch hochschulpolitisch zu engagieren. Und wir brauchen das ja auch. Wir sind alle nicht mehr die Jüngsten, wir werden alle demnächst irgendwann von der Uni weg sein. Ich mache das schon wirklich sehr lang, sowohl Referat als auch Rosa*Liste, und es fehlt uns schon ein bisschen an Nachwuchs. Im kommenden Jahr werden vier, fünf von uns weg sein, das heißt, da muss irgendwie Nachwuchs kommen. Das ist eine Problematik, die grundsätzlich fast alle Hochschulparteien und Hochschulgruppen haben, natürlich wir noch mal mehr, weil wir nicht die Kapazitäten und die Möglichkeiten und auch nicht die Leute haben, wie sagen wir mal die Grünen oder die Jusos. Und wenn das dann wirklich dumm läuft, dann wird es uns nächstes Jahr nicht mehr geben. Dann werden wir vielleicht noch eine Wahl gemeinsam machen können, aber wenn dann kein Nachwuchs da ist, wird‘s schwierig … Das war übrigens schon vor Corona so.Ich habe das Gefühl, und das hört sich jetzt irgendwie hart an, dass in den letzten Jahren oft bei den jüngeren Generationen sich so ein bisschen eingeschlichen hat, dass man jetzt alles erkämpft hat, und man kann jetzt konsumieren. Und zu Recht, kann man das auch tun, aber man muss irgendwie auch sehen, dass die ganzen Sachen natürlich nicht von allein bleiben werden. Gerade queere Strukturen oder linke Strukturen, wenn die irgendwann mal wegbrechen, weil die Kapazität fehlt, die kriegst du heutzutage so schnell nicht wieder. Du kriegst dafür so schnell keine Gelder oder Förderanträge. Ich sehe das jetzt auch nach Corona, es sind so viele queere Sachen weggebrochen, sei es hier in Frankfurt oder in anderen Großstädten wie Berlin und so weiter. Und es wird schwierig sein, diese ganzen Sachen wieder aufzubauen, in der jetzigen Zeit, wo das Geld tatsächlich in andere Sachen fließt. Deshalb ist es extrem wichtig, dass man konsumiert, aber auch irgendwie schaut, dass das am Leben bleibt. Unsere Vorgänger*innen oder ich auch, wir saßen jeden dritten Tag auf der Straße und haben uns irgendwo angekettet oder für irgendwelche Rechte gestritten, und die Generation vor uns natürlich noch mehr, und dass man auf ganz vielen Schultern steht und sich nicht dabei ausruhen kann, weil es natürlich auch alles ganz schnell wieder weg sein kann, was man sich hart erstritten hat. Und das trifft natürlich auch auf die hochschulpolitische Ebene zu. Die Sachen, die wir jetzt erstritten haben, die können, wenn die Uni Bock hat, nächstes Jahr wieder gestrichen werden. Deshalb ist es wichtig, auch eine queere Stimme hier an der Universität zu haben.

Rosa: Ich bin ja seit fünf Jahren an der Uni und in Frankfurt, und wenn ich schaue, wer sich seitdem aktiv engagiert, das ist nur eine Handvoll Leute. Das ist für diese lange Zeit nicht viel. In Hochschulsemestern gerechnet, ist das ja fast schon ein ganzes Studium. Es verteilt sich bei uns auf relativ wenige Schultern.

Gibt euch der Erfolg bei der Wahl nicht die Zuversicht, dass da engagierte Menschen nachkommen?

Gönni: Ja, aber die Gruppe, die wir widerspiegeln, ist auch eine marginalisierte Gruppe. Das habe ich eben schon mal angesprochen. Die neue Generation hat vielleicht auch weniger Privilegien, weniger Geld, weniger Zeit und führt andere Kämpfe, Kämpfe mit sich selbst, und dann gibt es natürlich weniger Zeit, sich noch politisch oder ehrenamtlich zu engagieren. Das ist dieser Teufelskreis, in dem wir immer drin sind. Ich denke, dass da ganz viel zusammenspielt. Leute, die hier herkommen, vielleicht aus einem Familienhaushalt der ländlich geprägt konservativ ist, die vielleicht sehr viel mit sich selbst zu kämpfen haben, die gerade ausgebrochen sind und sich irgendwie selber finden müssen. Natürlich kann es eine Anlaufstelle sein, es kann aber auch eine Riesenhürde sein, sich erstmal dahin zu wenden oder teilzuhaben. Also, was ich sagen möchte: Es gibt da ganz viele andere Dinge, die da mitreinspielen, als bloß dieses „ich habe keine Lust mich politisch zu engagieren“.


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