Jetzt mal Butter bei die Fische!

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Foto: Fotoatelier Elena F. Barba

Der LSVD Baden-Württemberg hat Anfang Mai in Kooperation mit dem LSVD-Landesverband Hessen und dem LSVD-Bundesverband eine Regenbogenfamilienkonferenz in Mannheim veranstaltet.

Der Abschluss der Konferenz fand im Rahmen des jährlichen International Family Equality Day am 7. Mai auf dem Gelände der Bundesgartenschau statt. Der LSVD fordert schon seit langem eine Reform des Abstammungsrechts, damit Familienkonstellationen jenseits von Vater-Mutter-Kind rechtliche Gleichstellung bekommen. Wie sieht es mit den Rechten von Regenbogenfamilien heute aus? Eine Bestandsaufnahme mit Kerstin Rudat vom LSVD Baden-Württemberg.


Kerstin, die Regenbogenfamilienkonferenz war ein voller Erfolg. Wächst die Zahl von Regenbogenfamilien?

Foto: Fotoatelier Elena F. Barba

Es gibt keine offiziellen Zahlen bei uns in Baden-Württemberg oder überhaupt in Deutschland. Aber wir vermuten es. Zum einen, weil die Konstellationen von Regenbogenfamilien insgesamt vielfältiger werden, zum anderen, weil es – als biologisch „einfachste Variante“ - immer mehr Zwei-Mütter-Familien gibt, also lesbische Paare, die Eltern werden wollen und die Familiengründung inzwischen auch konsequenter durchziehen können, als das noch vor 20 Jahren der Fall war. Es gibt inzwischen gute Netzwerke, unter anderem die ILSE-Gruppen unter dem Dach des LSVD, also die Initiative queerer Eltern. Es gibt Beratungsstellen. Auch wir betreiben ja als Träger mit BerTA (Beratung, Treffpunkt, Anlaufstelle) eine davon, für Regenbogenfamilien in Stuttgart beziehungsweise für alle Stuttgarter*innen, die Regenbogenfamilie werden wollen. Es gibt Eltern-Influencer*innen in Social Media, es gibt Allies zum Thema in nicht-queeren Bereichen, beispielsweise in Baden-Württemberg den Landesfamilienrat, in dem wir einen Sitz haben … Das Thema ist einfach viel präsenter geworden. Gleichzeitig heißt mehr Sichtbarkeit nicht automatisch, dass es auch mehr Regenbogenfamilien sind. Auf jeden Fall ist es aber kein Großstadt-Phänomen-only mehr.

Ging es bei der Konferenz mehr um rechtliche Fragen rund um Regenbogenfamilien oder eher um den „Alltags“-Austausch?

Beides. Mit der Regenbogenfamilienkonferenz haben wir vor allem zwei Ziele verfolgt: Erstens politisch zu diskutieren und unsere Statements und Forderungen auch sichtbar nach außen zu tragen. Deswegen auch der Zeitpunkt rund um den IFED. Zudem wurden am Freitag, dem 5. Mai, in Berlin Leitplanken an Vize-Bundestagspräsidentin Petra Pau übergeben, um Druck zu machen, das Abstammungsrecht nun endlich zu reformieren. Das ist nämlich gar nicht so schwierig, deswegen wollten wir ein bisschen Formulierungshilfe leisten (lacht). Wir sind mehr als 30 Organisationen in dieser Initiative. Es geht einfach nichts vorwärts! Wie du sagst, ist das Thema schon sehr lange ein großes des LSVD. Momentan sind aber auch sechs Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig von Zwei-Mütter-Familien, weitergereicht von Oberlandesgerichten, die sich nach wie vor gegen die unsägliche Stiefkindadoption wehren müssen, dabei war das ja im Ursprung sogar eine juristische Behelfsregelung für „echte“ Stiefkinder in heterosexuellen Zweit-Ehen.

Zweitens wollten wir nach der Corona-Pandemie, während der vermutlich alle Familien arg gebeutelt waren, einfach mal wieder einen Safe Space für die Regenbogenfamilien schaffen. Eine Möglichkeit zu Workshops und Austausch, für Spaß und Information, aber einfach auch mal zum „So-Sein“ unter Gleichen. Jenseits von schrägen Blicken, neugierigen Fragen oder auch mehr oder weniger offener Diskriminierung. Das ist enorm wichtig, auch für die Kinder. Empowerment!

Foto: Fotoatelier Elena F. Barba

Gab es in den vergangenen Jahren nennenswerte rechtliche Veränderungen für Regenbogenfamilien, oder tritt das eher auf der Stelle?

Wie ich eben schon angedeutet habe, tritt das leider seit Jahren auf der Stelle. Und damit verweigert der Gesetzgeber Kindern in queeren Familienkonstellationen den zweiten Elternteil. Das geltende Abstammungsrecht diskriminiert zudem weibliche, trans*, inter* und nicht-binäre Personen als Elternteile. Im Koalitionsvertrag ist eine Reform vereinbart, die Ampelregierung ist aber bisher nicht tätig geworden. Es war aber auch teilweise in der queeren Community ein Denkfehler, dass mit der Ehe-Öffnung dann alles gut ist, also auch für Familien neu geregelt wird. Denn das sind juristisch gesehen zwei Paar Schuhe. Deswegen gilt momentan, wenn wir mal von Leihschwangerschaft und Mehreltern-Konstellationen absehen, praktisch für schwule Ehepaare die größtmögliche familienrechtliche Gleichstellung, denn sie können seit der „Ehe für alle“ auch endlich Kinder adoptieren. Ich persönlich finde das aber keine nennenswerte Veränderung, das hätte auch schon vorher geregelt werden können, also auch schon für die Eingetragene Lebenspartnerschaft. Nur als Pflegeeltern hat der Gesetzgeber nicht so genau hingeschaut. Da waren in der Bedürftigkeit lesbische und schwule Eltern immer gut genug, ob mit oder ohne Trauschein oder rechtliche „Zusatzregelung“. 

Eines der wichtigsten Themen bei gleichgeschlechtlichen Paaren ist nach wie vor die Anerkennung beider als gleichberechtigte Elternteile. Wie lösen lesbische oder schwule Paare das Problem derzeit?

Ich glaube, Paare oder auch Mehreltern-Konstellationen haben selbst keine Probleme damit und machen einfach. Für das Kind oder die Kinder sind die Erwachsenen, die sich kümmern und die Verantwortung übernehmen, die Erziehungsberechtigten, die Bezugsmenschen. Punkt. Genau deswegen, weil der Alltag bereits überall schon anders aussieht, muss die rechtliche Lage endlich der Realität angepasst werden. Es geht letztendlich um das Kindeswohl, um die Absicherung des Kindes. Und zu dem steht ja auch einiges im Grundgesetz. Wenn Kinder unter dem besonderen Schutz des Staates stehen, dann jetzt mal Butter bei die Fische! Frauenpaare nehmen immer noch zähneknirschend die Stiefkindadoption in Kauf – sie haben keine andere Möglichkeit, wenn es um den Umgang mit Behörden geht, Arztbesuche, Absicherung bei Krankheit oder Tod. Ich kenne aber auch welche, die sagen: Nee, ich warte das jetzt mal ab mit dem BVerfG, ich werde mit Sicherheit nicht mein eigenes Kind adoptieren, während Männer in Hetero-Ehen automatisch der Vater sind, egal, ob das Kind wirklich von ihnen ist!

Foto: Fotoatelier Elena F. Barba

Welche rechtlichen Veränderungen würden diesen Prozess erleichtern?

Das Wichtigste ist wirklich, die Stiefkindadoption abzuschaffen. Sie war, wie gesagt, eigentlich auch nicht für homosexuelle Paare gedacht, sondern wurde adaptiert. Das Stiefkind-Adoptionsverfahren dauert zudem sehr lange. Das sind sechs bis 18 Monate, in denen das Kind sorge-, unterhalts- und erbrechtlich nur durch einen Elternteil abgesichert und die Geburtsurkunde unvollständig ist. Dann braucht es rechtliche Regelungen zur Absicherung der Elternschaft, die Aufwertung der sozialen Elternschaft, die Öffnung des Samenspenderregisters für private Spenden, die Einführung einer Verantwortungsgemeinschaft unabhängig von der Ehe, damit auch Mehreltern-Familien möglich sind. Wir fordern zudem, die Identitätsverfälschung von trans Eltern zu beenden. Sie werden nämlich, auch wenn ihr Kind nach Abschluss der Transition geboren wird, mit ihrem unzutreffenden Geschlecht und Vornamen im Geburtenregister eingetragen. Auch die Vielfalt der Elternschaft muss endlich berücksichtigt werden. Nicht nur Mütter gebären. §1591 BGB ist aber seither beschränkt auf Frauen als Mütter, die dann auch in Eintragungen an erster Stelle stehen. Und letztlich, aber das hat nichts mit dem Abstammungsrecht zu tun, wäre es sinnvoll, das Geschäft mit dem Kinderwunsch zu beenden und den Krankenkassen reguläre Hilfen für Schwangerschaften zu ermöglichen. Hier gibt es noch eine große Grauzone, von deren Abschaffung auch heterosexuelle, bisexuelle oder non-binäre Frauen profitieren würden, die das Abenteuer Familie alleine oder mit anderen Verantwortlichkeiten anpacken wollen.

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