Liebe kennt keine Pause

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Foto: Rene Beck – Weigangphotography

Im Vorfeld der Fußball-WM 2022 in Katar tauchten bereits einige Unstimmigkeiten auf; unter anderem ließ die dortige Regierung verlauten, dass Homosexualität während der WM nicht öffentlich gezeigt werden dürfe.

Das animierte den amtierenden Mr Gay Germany Benjamin Näßler Ende November 2020 dazu, die Kampagne „Liebe kennt keine Pause“ ins Leben zu rufen, die sich dafür einsetzt, eine WM zu ermöglichen, bei der alle Menschen unabhängig von Herkunft, Religion, Geschlecht, Hautfarbe und sexueller Neigung willkommen sind.

Mit einer Unterschrift kann man die Petition „Liebe kennt keine Pause“ unterstützen – Einzelheiten erklärt Benjamin Näßler im Interview.


Erkläre kurz die Kampagne und Petition „Liebe kennt keine Pause“.

„Liebe kennt keine Pause“ mache ich gemeinsam mit Bernd Reisig und seiner Stiftung „helfen helfen“. Der Name „Liebe kennt keine Pause“ bezieht sich auf ein Zitat der Organisatoren, die homosexuelle Menschen bitten, ihre Homosexualität für die vier Wochen zu pausieren. Wir finden, wer ein weltoffenes und weltumfassendes Sportevent organisiert, der muss auch weltoffen und tolerant sein. Da gehört es sich einfach nicht, dass man sagt, die Homosexuellen dürfen kommen, aber sie sollen doch bitte ihre Homosexualität nicht ausleben. In Katar ist Homosexualität verboten; wer öffentlich Händchen hält oder ähnliches wird mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft.

Das Ziel der Petition ist auch, Aufmerksamkeit für das Thema zu bekommen. Und wir wollen, dass der DFB während der WM Flagge zeigt und sich solidarisiert. Zum Beispiel im Form eines öffentlichen Statements, nach dem Motto „Wir haben die klare Botschaft, dass der DFB alle Lebensweisen unterstützt, toleriert, akzeptiert und respektiert, genau so bunt und vielfältig wie das Leben eben ist“. Und dass der DFB es nicht gutheißt, dass während der WM homosexuelle Liebe pausieren soll. Das I-Tüpfelchen wäre, wenn der DFB zusätzlich ein visuelles Zeichen setzt, zum Beispiel mit einem regenbogenfarbenen Logo, regenbogenfarbenen Schnürsenkeln oder einer regenbogenfarbenen Kapitänsmütze oder ähnlichem. Oder dass einer der Sponsoren sein Logo auf den Trikots regenbogenfarben bringt.

Foto: Liebe kennt keine Pause

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Wie läuft die Petition?

Wir haben bereits knapp 1.700 Unterschriften gesammelt (Stand: Mitte April, Anm. d. Red.), aber wir würden schon gerne noch ein paar tausend Stimmen mehr sammeln. Die Fußball-WM startet ja erst 2022, von daher haben wir ja noch ein bisschen Zeit. Nichtsdestotrotz ist es klar, je früher wir die Petition abgeben, umso einfacher wird es.

Du hast mir im Vorfeld erzählt, dass ihr auch ein Fußballturnier plant?

Ja, die Kampagne „Liebe kennt keine Pause“ setzt auf mehrere Bausteine. Neben der Petition wollen wir unser Anliegen auch mit einem Fußballturnier publik machen, zu dem wir nicht nur gezielt LGBTIQ*-Vereine einladen, sondern alle Sportvereine ansprechen wollen. Volker Bouffier hat die Schirmherrschaft übernommen und es wird mit ziemlicher Sicherheit im Deutsche Bank Park Stadion stattfinden. Aber wir müssen schauen, ob das mit Corona noch in diesem Jahr möglich ist. Zum Fußballturnier soll auch eine Party stattfinden.

Wir möchten unsere Kampagne außerdem mit Videobotschaften von nationalen und internationalen prominenten Menschen bekannt machen.

Wir haben bereits einige Prominente gewinnen können, unter anderem Vize-Kanzler Olaf Scholz und Politiker wie Lars Klingbeil, die Hessische Umweltministerin Priska Hinz, dann die Rheinland-Pfälzische Familienministerin Anne Spiegel oder Stefan Reuß vom Hessischen Fußballverband. Aus dem LGBTIQ*-Bereich sind zum Beispiel Lauritz Hofmann und Lars Tönsfeuerborn aus der „Prince Charming“-TV-Show dabei. Auch Mr Gay Germany 2019 Marcel Danner hat ein Statement abgegeben.

Apropos Prominente: Der ehemalige Profi-Fußballer Philipp Lahm hat in diesem Zusammenhang Schlagzeilen mit seinem Buch „Das Spiel: Die Welt des Fußballs“ gemacht; dort rät er von einem Outing während der aktiven Phase als Fußballer ab. Die Chancen, dies unbeschadet zu überstehen, seien gering, da es im Profifußballalltag vermutlich an Akzeptanz fehlen würde. Wie viel Wahres steckt in Lahms Aussage?

Foto: Rene Beck – Weigangphotography

Er hat Recht damit, dass es weiterhin ein Tabuthema ist. Aber mit so einer Aussage, wie er sie getroffen hat, kommen wir natürlich auch nicht weiter. Das sehe ich eher als einen Rückschritt als ein Fortschritt. Und das finde ich schon sehr schade.

Ich finde es schwierig, dass er grundsätzlich von Outings abrät. Jeder Mensch ist anders, jeder Mensch hat andere Voraussetzungen und jedem Menschen sind andere Dinge wichtig. Besonders als Botschafter und Turnierdirektor der EM 2024 in Deutschland hätte ich mir von Lahm gewünscht, dass er Mut macht und für ein weltoffenes Deutschland spricht und sagt, wir Deutschen haben damit kein Problem und wir setzen uns dafür ein. Wie zum Beispiel die vielen vielen Fußballerinnen und Fußballer, die in einer Kampagne des Magazins „11 Freunde“ gesagt haben „Ihr könnt auf uns zählen“. Das hat er meiner Meinung nach verpasst.

Wie sieht es eigentlich bei den Sportvereinen aus – ist das Thema da präsent und gibt es dort vielleicht sogar Ansprechpartner für LSBTIQ*-Belange?

Meine andere Kampagne „Doppelpass“ behandelt genau dieses Thema: Ansprechpartner*innen in Vereinen und den Verbänden zu schaffen. Beim DFB gibt es seit Januar 2021 die „Zentrale Anlaufstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt“, die mit Christian Rudolph besetzt ist, der zuvor bereits in Berlin zu diesem Thema sehr aktiv war. Es gibt auch einige Landesverbände, die entsprechende Ansprechstellen geschaffen haben. Aber es ist immer noch nicht so verbreitet, dass man sagen könnte, dass es in den Vereinen angekommen ist. Da ist es eher selten, dass es Beauftragte für LGBTIQ*-Themen gibt. Da muss weiter dran gearbeitet werden. Auch im Austausch mit dem DFB kann sich jeder Verein die Frage stellen, wie man mit dem Thema umgehen soll: Will ich es mir im wahren Sinne des Wortes auf die Fahne schreiben und einmal im Jahr eine Regenbogenflagge hissen oder möchte ich aktiv werden und ein klares Zeichen setzen und stelle jemanden ein, der sich um Themen wie Diskriminierung oder Rassismus kümmert und versucht, den Verein offener aufzustellen.

Du hast in deiner eigenen Fußballvereinsgeschichte keine guten Erfahrungen gesammelt; hättest du dir einen solchen Ansprechpartner gewünscht?

Ja, das hätte ich! Ich wusste damals nicht, wie meine Eltern auf ein Outing reagieren würden. Ich hatte niemanden, mit dem ich darüber sprechen konnte, weil ich nicht wusste oder einschätzen konnte wie mein Umfeld reagiert. Und dann muss man alles mit sich selber ausmachen. Und da wäre ich schon sehr froh über jemanden gewesen, mit dem ich hätte reden können, der mich beraten hätte oder der mir andere Stellen hätte nennen können, an die ich mich hätte wenden können. Das hätte mir auf jeden Fall weitergeholfen. Das ist aber auch genau der Grund, warum ich mich heute selbst dafür engagiere – weil ich erlebt habe, wie man sich in dieser Situation fühlt.


Wer die Petition unterstützen möchte, die eine Fußball-WM fordert, bei der alle Menschen unabhängig von Herkunft, Religion, Geschlecht, Hautfarbe und sexueller Neigung willkommen sind, klickt auf die Website www.LiebeKenntKeinePause.de oder auf www.change.org/Liebe-kennt-keine-pause

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