Tanzen für echte Kerle

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Foto: De-Da Productions

Echte Kerle tanzen nicht? Von wegen! Die Dresden Frankfurt Dance Company bietet im Rahmen ihres vielfältigen Education Programms im Mai einen Tanzworkshop, der das Gegenteil beweist! Im Interview erklärt Manuel Gaubatz, Education Manager der Company, um was es im kommenden „Workshop zeitgenössischer Tanz für Männer“ geht.


Foto: De-Da Productions

Manuel, warum hast du dich entschlossen, einen Tanzworkshop nur für Männer anzubieten?

Ich habe das Workshop-Format von meiner Vorgängerin Sarah Weber übernommen, und ich hatte ich mich in der Tat auch schon gefragt, wieso man dann nicht auch einen Workshop nur für Frauen anbietet; das konnte ich mir dann aber selbst beantworten: In den meisten Workshops sind die Frauen sowieso schon in der Überzahl. Viele Männer aber trauen sich nicht zu tanzen, weil sie entweder Angst haben oder sich noch nie so bewegt haben. Man weiß nicht, was auf einen zukommt: Was erwartet mich, wie sehr muss ich mich vielleicht öffnen?

Und Frauen haben weniger Ängste oder Bedenken?

Tatsächlich haben Frauen im Bereich Tanz weniger Probleme. Ich glaube, Frauen haben einen anderen Bezug zu ihrem Körper und definieren sich tatsächlich auch ein bisschen mehr über Bewegung. Männer in Deutschland oder Europa sind weniger tanzlustig. Natürlich es gibt auch einige Männer, die gerne tanzen. Warum es da aber oft diese Scheu gibt, weiß ich nicht. Aber vielleicht finden wir das ja zusammen raus. Ich biete zum ersten Mal diesen Männer-Workshop an, für mich ist das auch ein neues Format.

Wie wird dein Männer-Workshop aussehen?

Es ist so ähnlich wie bei unseren anderen Workshops auch. Ich werde zum Beispiel auf die Meißner-Technik zurückgreifen, die aus dem Schauspiel kommt, wo es unter anderem darum geht, im Moment zu sein und den inneren Instinkten freien Lauf zu lassen, ohne das zu bewerten. Das wird am Anfang vielleicht nicht jedem leichtfallen, aber wir erarbeiten das unter anderem mit geschlossenen Augen. Ich finde, wenn man die Augen schließt, kann man viel mehr bei sich sein und man bewertet sich weniger. Beim Tanzen kommt es auch nicht unbedingt immer darauf an, wie ‚schön‘ es aussieht. Wenn du dir heutige Contemporary Performances anschaust, zeigen die auch nicht ausschließlich ‚schöne‘ Bewegungen.

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Lernt man auch eine richtige Tanz-Choreografie?

Ja, es gibt auch eine kleine Choreografie, die ich der Gruppe beibringen werde. Sie wird sehr einfach gehalten sein, also keine Angst. Es wird auch auf Improvisation eingegangen und es wird verschiedene Positionsaufgaben geben, zum Beispiel Impulse von einer Person zu bekommen und sie im Körper weiterführen. Die Impulse können auch von der Musik kommen. Ich möchte mich auch auf das Thema „Emotionen“ fokussieren; wir schauen dann, wie die Choreografie in verschiedener Art und Weise von Musik oder inneren Ereignissen beeinflusst wird und dann anders getanzt werden kann.

Klingt nach einem strammen Programm für zwei Abende! Braucht man Vorkenntnisse?

Nein, man braucht keine Vorkenntnisse. Wenn du als Mann deinen Körper einfach mal neu erfahren möchtest und die eigenen Barrieren, die man sich im Kopf aufstellt, brechen willst, dann musst du in den Workshop kommen! Ich denke, wir kommen da gut durch und ich freue mich auch sehr darauf.

Was muss man an Equipment mitbringen?

Wichtig sind die Socken: Keine dünnen Socken, weil die nicht so gut rutschen und man dann zum Beispiel keine Drehungen machen kann. Etwas festere Socken wie Tennissocken sind zum Beispiel super. Ansonsten bequeme Kleidung, in denen du dich wohl fühlst, eine Flasche Wasser zum Trinken – that’s it!

Welche anderen Workshops bietet ihr im Rahmen des Education Programms an?

Es gibt Workshops für Kinder, Jugendliche, Schulklassen und Erwachsene.

Zum „Community Dance“ können alle zwischen 14 und 99 Jahren kommen. Da zeigen und lehren wir einen kleinen Ausschnitt aus Jacopos Choreografien sowie Improvisationsmittel, die auch Jacopo Godani verwendet und die man im Tanz allgemein verwendet, um Choreografien zu bauen oder den Körper zu erfahren. Im Community Dance hat man sehr viel Freiheit, und ich versuche alles so einfach wie möglich zu halten. Wir haben auch Workshops 60+, die auch sehr gut angenommen werden.

Es gibt hier eine Community, die unbedingt tanzen will, aber nur wenig Möglichkeiten hat, weil sowas einfach nicht oder nur selten oder nur sporadisch angeboten wird.

Die Angebote der „Community Dance“-Workshops sollen in Zukunft noch weiter ausgebaut werden?

Ja, die Nachfrage hier in Frankfurt ist unglaublich hoch, es gibt wirklich ein großes Bedürfnis, sich zu bewegen, insbesondere sich frei zu bewegen. In Tanzschulen ist vieles festgelegt, alles muss so und so aussehen und man hat da auch einen gewissen Druck. Den spürt man in meinem Kurs wahrscheinlich auch, aber nicht unbedingt, weil ich das vorgebe, sondern weil man denkt, dass man es für sich selbst gut machen möchte. Das ist eines meiner Ziele, dass man aus dem Workshop rausgeht und sagt, ich habe heute meinen Körper neu erfahren, ich habe etwas Tolles mitgenommen, nicht nur Tanz, sondern auch etwas von der Dresden Frankfurt Dance Company. Das ist mir in den Workshops relativ wichtig und ich glaube, dass sich das auch in den Anfragen widerspiegelt: Teilnehmer*innen wollen wiederkommen.

Für die nächste Spielzeit haben wir daher drei „Community Dance“-Kurse für Anfänger geplant, und zusätzlich zwei Kurse für die Mittelstufe, also für Leute mit ein bisschen mehr Tanzerfahrung, und für alle, die den ersten Kurs vertiefen möchten. Die Fortgeschrittenenkurse werden auch von Tänzer*innen der Company unterrichtet.

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Erzähl zum Schluss doch noch ein bisschen über dich und deinen Weg zum und mit dem Tanz!

Ich habe erst mit 15 Jahren angefangen zu tanzen, also relativ spät, und komme eigentlich eher aus dem Streetdance- und Hip Hop-Bereich. Meine Mom wollte mich immer zum Fußball schicken. Das wollte ich aber nicht, dann habe ich ein Jahr lang Judo gemacht, da war ich aber so grottenschlecht, dass das mir auch keinen Spaß gemacht hat. Und dann habe ich irgendwie in der Stadt einen Flyer von einer Tanzschule in die Hand gedrückt bekommen. Tatsächlich hat alles mit diesem Flyer angefangen. Mit 18 Jahren fragte mich meine Tanzlehrerin, ob ich nicht mal in den Ballettunterricht kommen wolle; sie plane eine große Show und ich solle die Hauptrolle tanzen, aber das ging nur mit Ballett. Und da habe ich erst mal gesagt: Auf gar keinen Fall! Ich gehe da nicht rein, nein, ich will nicht.

Ich komme aus einem Dorf in der Nähe von Stuttgart, und da war Tanz als Mann halt auch ein bisschen verpönt. Deswegen kann ich es auch nachvollziehen, wenn Männer sagen, ich möchte nicht tanzen, eben weil das in der Gesellschaft kritisch gesehen wird und du wohlmöglich in irgendeine Schublade gesteckt wirst, egal was für eine Schublade das ist. Ich bin schwul, und ich finde, man muss sich nicht unbedingt über seine sexuelle Orientierung definieren, das ist für mich persönlich ziemlich irrelevant. Aber ich kann verstehen, dass Männer Angst haben, in diese Schublade gesteckt zu werden.

Also, ich habe dann mit 18 mit Ballett angefangen, wollte dann aber lieber ins Schauspiel. Das habe ich dann auch studiert und währenddessen noch getanzt, Dann hieß es, komm‘ doch mal zu einer Audition. Das wollte ich aber auf gar keinen Fall; die Initialzündung war dann eigentlich ein Mann, der mich mit seinem tollen Tanz derart überzeugt hat, dass ich es schließlich auch versuchen wollte.

Ich bin dann hier in Frankfurt an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst fürs Bachelor-Programm genommen worden. Anschließend habe ich eineinhalb Jahre in Dänemark gearbeitet und bin dann zurückgekommen. Seitdem arbeite ich als Freischaffender und habe sehr viel unterrichtet, arbeite aber auch noch für verschiedene Häuser, für die Oper Frankfurt, das Staatstheater Wiesbaden, das Staatstheater Karlsruhe und in Mannheim für verschiedene Produktionen. Ich arbeite außerdem mit dem Electric Dance Theatre, da haben wir Performances für Firmen und 3D-Hologramm-Shows, das ist auch sehr interessant. Als Tänzer war ich zum Beispiel auch im Film „Ich war noch niemals in New York“ dabei. Ansonsten bin ich seit zwei Jahren wieder auf dem Vormarsch zurück ins Schauspiel und möchte da wieder ein bisschen Fuß fassen.

Bei der Dresden Frankfurt Dance Company bin ich als Education Manager seit August 2021. Das ergab sich eher zufällig, weil sie ursprünglich nur jemanden für den Männer-Workshop gesucht hatten. Als meine Vorgängerin nach Berlin zurück gegangen ist, wurde mir die Stelle als Education Manager angeboten.

Mit meiner damaligen Tanzlehrerin bin ich übrigens noch immer sehr eng verbunden. Sie hat mich immer gepusht, aber sie hat auch ganz ehrlich gesagt: „Wenn du wirklich Tänzer werden willst, überleg es dir gut, ich empfehle es nicht“. Auch, weil sie selber weiß, wie hart das ist und wie es in den Schulen manchmal zugeht. Trotzdem habe ich mich durchgebissen und habe mein eigenes Business aufbauen können. Und das macht mich sehr froh!


16. und 17.5., Workshop zeitgenössischer Tanz für Männer, Tanzstudio der Dresden Frankfurt Dance Company, Schmidtstr. 12, Frankfurt, jeweils 19:30 – 21 Uhr, der nächste, jeweils eintägige Community-Dance-Workshop findet am 2. und 3. Juli statt.

Infos und Anmeldung über www.dresdenfrankfurtdancecompany.com

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