Why wait, Tony Rizzi?

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Foto: Alessandro Costagliola

Long time no see: Der Tänzer, Performance-Künstler und Choreograf Tony Rizzi meldet sich zurück und zeigt beim diesjährigen Tanzfestival Rhein-Main sein neues Stück. „Why wait?“ ist eine Huldigung an die Arbeit des Ballett Frankfurt mit William Forsythe. Wir haben mit Tony während der Vorbereitungen telefoniert.


Um was geht es bei „Why wait“?

Es geht um die Essenz der Arbeit des Ballett Frankfurt. Alle sprechen über Forsythes Technik, über die Bewegungen und so weiter. Für mich ist das aber nicht der Grund, wieso das Frankfurt Ballett so genial war. Eine Bekannte hat mir mal gesagt, dass sie sich wundert, wieso noch niemand die soziale Komponente beim Frankfurt Ballett untersucht hat. Diese radikal andere Art der Leitung und Führung einer Company.

Was war denn das Besondere?

Wir waren alle Teil eines Ganzen. Es war nicht zwangsläufig so, dass Billy der Leiter war. Er wollte das auch gar nicht. Es gab keinen Leiter, es war vielmehr eine Mischung aus Ideen, eine Art kreative Blase oder Wolke. Es hieß immer: „Genieß’ den Tag! Morgen könnte sich alles schon ändern oder vorbei sein“. Es war alles immer sehr im Hier und Jetzt.

Auf der Bühne gab es große Leute, kleine Leute, asiatische Menschen, farbige Menschen, schöne Beine, nicht so schöne Beine – es war einfach alles zu sehen! Billy hat alle immer als Personen wahrgenommen. Und alle sind auf der Bühne authentisch. Und die Botschaft war, dass ich mit meiner eigenen Freakyness ein Teil davon sein kann. Was man sieht ist nicht die Perfektion, aber alle sind auf ihre Art wunderbar und schön.

Daher möchte ich zeigen, wie diese wunderbare Company so wunderbare Arbeit geleistet und wunderbare Kunst geschaffen hat. Und genau so kann man auch sein Leben gestalten und es zu einem wunderbaren Kunstwerk machen.

Ich habe vergangenes Jahr das Stück von J érôme Bel über die (verstorbene) Tänzerin Isadora Duncan gesehen. Das war besser als eine Filmdoku anzuschauen. Und da habe ich gedacht, wieso mit so etwas warten, bis William Forsythe tot ist? Warum sollten wir überhaupt warten, Dinge zu tun? Darum heißt das Stück „Why wait?“.

Foto: Tony Rizzi

Das Stück bringt auch ein Wiedersehen mit ehemaligen Forsythe-Tänzer*innen?

Ja, Tamas Moritz, Amancio Gonzales, Alan Barnes, Jone San Martin, Irene Klein und Inma Rubio Tomas sind dabei. Und Snezana Golubovic, die selbst Performance-Künstlerin und Forsythe-Fan ist, und der junge Tänzer Richard Oberscheven.

Ich sichte gerade altes Videomaterial. Da kommen viele Ideen, Eindrücke und Erinnerungen zusammen. Die Idee der Transformation oder der Veränderung wird ein wichtiges Element sein. Billy hatte mal eine Probe mit einer Tänzerin, ein Solo, und war sehr unzufrieden. Ich habe ihm gesagt, dass die Tänzerin fantastisch sei, aber das Stück nicht. Daraufhin hat er aus ihrem Solo in kurzer Zeit ein völlig neues Stück erarbeitet, mit zwei weiteren Tänzern. Das ist auch eine Botschaft meines Stücks: Warum etwas, was schlecht ist, nicht einfach ändern?

Besteht nicht Gefahr, mit all den Erinnerungen ins Nostalgische abzudriften?

Ja, am Anfang habe ich das auch befürchtet. Aber es war dann doch ein bisschen wie das, was Penny Arcade mal gesagt hat: Es ist nicht Nostalgie, sondern eher eine Sehnsucht oder ein Verlangen nach einem vergangenen Gefühl. Sie hat gesagt: „Longing lasts longer“. Es geht um die Erinnerung und das Verlangen nach diesen alten Ideen, der Ideologie der Company – um sich damit wieder zu verbinden.

Ich denke, es hängt auch viel davon ab, wer das Stück sieht. Ich habe ein paar Leuten einige der alten Videos gezeigt, die ich für das Stück benutze, und die haben angefangen zu weinen. Ich für meinen Teil versuche, es nicht zu nostalgisch werden zu lassen. Es wird lustig, aber mit Tiefgang!


6. – 8.11., „Why Wait?“ von Tony Rizzi, LAB, Schmidtstr. 12, Frankfurt, Infos und Tickets über www.tanzfestivalrheinmain.de

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