Interview: „Der Barcelona-Sessel ist Teil meines Lebens“

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Foto: J. Blum

Das Bauhaus – eine der wichtigsten Designschulen der Moderne – wird 100 Jahre alt. Mit seiner inhaltlichen Verbindung von Kunst und Handwerk übt es bis heute einen stilbildenden Einfluss aus. Daran erinnern nicht nur zahlreiche Ausstellungen in ganz Deutschland, auch Einrichtungshäuser wie clic im stilwerk stellen Klassiker der Epoche neu vor. Ein besonders ikonisches Stück ist der Barcelona-Sessel (MR90), designt vom vierten und letzten Leiter der Bauhaus-Schule, Mies van der Rohe. Wir sprachen mit Shopleiter Kai Debski.

Was verbindest du persönlich mit dem MR90?

Das ist eine Beziehung, die bis in meine Kindheit zurückreicht. Meine Großmutter hatte einen MR90 und ich habe dementsprechend auf diesem Sessel geschlafen, gespielt, mich eingekuschelt – er ist ein Teil meines Lebens.

Heute berätst du Menschen bei der Einrichtung ihrer Wohnungen. Hat der Sessel ein Feuer in dir geweckt?

Nein, so direkt kann man das nicht sagen. Aber meine Großmutter war sehr musikalisch, sehr belesen – ich habe sehr viel Zeit bei ihr verbracht, und diese Kindheit hat mich in vielen Bereichen sehr geprägt. Richtungsweisend für meinen Beruf war sie aber nicht. Dass ich heute das mache, was ich mache – Menschen bei der Planung ihrer Einrichtung zu unterstützen – war nicht durch spezielle Erfahrungen vorprogrammiert.

Euer MR90 ist limitiert. Was macht ihn besonders?

Knoll International hat den Sessel anlässlich des Jubiläumsjahres in einer auf 365 Stücke limitierten Variante auf der Kölner Möbelmesse präsentiert. Er hat einen wunderschönen Lederbezug in Flaschengrün und ein Schwarzchromgestell. Den mussten wir einfach haben. Er ist außerdem mit der Relaxpolsterung gefertigt – wer das Original kennt, weiß, dass der Sessel nicht unbedingt der bequemste war. Ohne die Formsprache zu verändern, hat Knoll International darauf reagiert und die Relaxvariante weicher und flexibler hinbekommen.

Welchen Einfluss hat denn Bauhaus heute noch? Anders gefragt: Sehen Möbel heute anders aus?

Die Formgebung bestimmter Produkte wie des MR90 oder der Liege LC4 von Le Corbusier hat sicher prägenden Einfluss. Das kann man nicht abstreiten. Es ist aber – wie bei fast allem – eine Wellenbewegung. Auch das Bauhaus war zu seiner Zeit etwas ganz Neues, Ungewöhnliches – bis dahin war ja alles eher opulent und verspielt. Das Bauhaus selbst hat sich in seiner kurzen Existenzphase auch laufend fortentwickelt, und so gibt es auch heute einen ständigen Wandel.

Welchen Trend siehst du aktuell?

Foto: J. Blum

Ich glaube, dass es aktuell eher darum geht, verschiedene Stile geschickt zu kombinieren. Zurzeit dominieren weichere Formen und es sind Materialien wie Kupfer und Messing wieder da – die Zeit, wo man stringent nur in eine Richtung denkt und einrichtet, ist vorbei. So gehen wir auch an unsere Ausstellungen in den clic Stores heran. Wir gehen nicht zu einem Designer oder Hersteller, weil wir unbedingt die Kollektion zeigen wollen, sondern kreieren Wohnwelten, von denen wir glauben, dass sie unsere Kunden ansprechen.

Gibt es heute Designer, von denen man in 100 Jahren noch sprechen wird?

Es gibt sehr gute und bekannte Namen wie Piero Lissoni, Rodolfo Dordoni oder den kürzlich verstorbenen Paolo Piva, um drei Italiener zu nennen. Aber auch ganz junge neue Designer wie Sebastian Herkner aus Deutschland. Er hat in den letzten Jahren sehr schöne Möbel und Leuchten entworfen. Ich will nicht behaupten, dass alles der Genannten 100 Jahre Bestand haben wird, aber das ein oder andere Produkt ganz sicher.

Letzte Frage: Was steht in deinem Wohnzimmer?

Auch bei mir steht eine Komposition aus verschiedensten Elementen. Aber auch etwas ganz Besonderes für mich: der Barcelona-Sessel meiner Großmutter.

*Interview: Christian Knuth

clic im stilwerk, Große Elbstr. 68, Hamburg, www.clic.de

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