INTERVIEW • HAMBURG BRAUCHT LGBT*I-UNTERKUNFT

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Die April-Ausgabe des hinnerk schaut auf die  aktuelle Situation für geflüchtete Queers in der Hansestadt: auf bestehende Angebote, Netzwerke und zaghafte Bewegung in der Politik. Steve Behrmann vom mhc mit einer Situationsbeschreibung.

Foto: Rike/www.pixelio.de

BRAUCHT HAMBURG EIN LGBT*I-FLÜCHTLINGSHEIM?

Das befürworte ich unbedingt. Nicht nur, weil wir nach Berlin, Dresden und Nürnberg gucken, aber auch deshalb. Berlin hat zum Beispiel ein Integrationskonzept und LGBT*I als besonders schutzbedürftig einstuft. Das haben wir meines Wissens in Hamburg nicht. In Hamburg arbeiten wir an Einzellösungen. In der Beratungsstelle haben wir aber seit Oktober 2015 Anfragen, die noch nicht einmal von den Geflüchteten selbst kommen, sondern von Mitarbeiter_innen der verschiedenen Betreiber von Erstunterkünften, zum Beispiel Fördern und Wohnen.

WAS WIRD DA AN EUCH HERANGETRAGEN?

Die Mitarbeiter _innen der Erstaufnahmeeinrichtungen rufen bei uns an und suchen verzweifelt Hilfe: „Wir haben hier einen jungen Schwulen, der wurde geschlagen, der war im Krankenhaus, der muss hier weg, könnt ihr was machen?“

Foto: Privat

UND WAS KÖNNT IHR TUN?

Wir versuchen unser Möglichstes, Abhilfe zu organisieren. Zusammen mit dem Netzwerk „Queer Refugees Support Hamburg“ haben wir gerade erst einen dritten Geflüchteten privat unterbringen bringen können. Problematisch ist neben dem zeitlichen Aufwand auch die unterschiedliche Handhabe in den Einrichtungen.

INWIEFERN?

Dadurch, dass es den Status der besonders Schutzbedürftigen nicht gibt, handeln die verschiedenen Träger individuell. Da gibt es vom eben erwähnten Beispiel bis „Ach der fordert das aber doch auch heraus, so wie der aussieht“ alles. Und es gibt Unterschiede im Umgang mit den Vorschriften: Bei einigen Trägern setzen sich sehr engagierte Mitarbeiterinnen für schnelle Hilfe ein, bei anderen muss erst umständlich ein sogenannter Antrag aus vorläufige Entlassung aus der Residenzpflicht gestellt werden. Das kostet viel Zeit, ist umständlich und greift auf private Ressourcen zurück.

KÖNNT IHR DAS BEZIFFERN?

Der Arbeitsaufwand ist für jeden Einzelfall rund fünf bis sechs Mal so groß wie für unsere normale Beratung. Du brauchst einen Sprachmittler, du musst Anwälte suchen, die Mitarbeiter der Erstaufnahme kontaktieren , die Unterkünfte organisieren – ja, es legt hier den ganzen Laden lahm. Schon jetzt, und das, obwohl wir unser Angebot weder öffentlich noch gegenüber den Trägern überhaupt bewerben. Würde sich das rumsprechen, würden wir eventuell überrannt werden.

WAS FORDERT IHR?

E s muss unbedingt eine halbe oder volle Stelle für Hamburg eingerichtet werden, die für alle Beteiligten – Geflüchtete, Politik, Behörden und Aufnahmeeinrichtungen – die Vernetzung übernimmt. Wir brauchen Gelder für Sprachmittler, das läuft bisher alles kostenfrei auf ehrenamtlicher Basis. Ein Antrag auf Unterstützung liegt bereits vor. Wir wünschen uns klare Strukturen und selbstverständlich eine gesonderte sichere Unterkunft für LGBT*I.

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