LONDON: Queer as f*ck

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Ob im Sommer oder Winter – Großbritanniens Hauptstadt ist aktuell ein Mekka für LGBTIQ*-Reisende, egal ob sie sich für Kunst und Kultur oder das facettenreiche Nachtleben interessieren.

Foto: Dirk Baumgartl

Brexit, Stress im Königshaus, Regierungskrisen und eine Pandemie. Die Millionenmetropole London hatte es die letzten Jahre wahrlich nicht leicht, die Herzen ausländischer Gäste zu erobern. Dabei war das Jahr 2022 für die britische LGBTIQ*-Community von besonderer Bedeutung, schließlich konnte man den 50. Jahrestag der ersten Pride-Demonstration des Landes feiern, die am 1. Juli 1972 durch die Straßen Londons zog. Anlässlich des Jubiläums wurde im letzten Jahr passenderweise Großbritanniens erstes LGBTIQ*-Museum in der Nähe der Bahnstation Kings Cross eröffnet. In vier Räumen widmet sich die aktuelle Ausstellung von Queer Britain der Geschichte der britischen LGBTIQ*-Bewegung anhand von Fotos, Dokumenten und Videobeiträgen. Das wohl beeindruckendste Objekt ist dabei jene Zellentür, hinter der einst die schwule Schriftstellerlegende Oscar Wilde seine Zeit hinter Gittern verbrachte.

Dandys & Diven

Einigen von Wildes Zeitgenossen begegnet man auch während eines Besuchs in Londons Tate Britain, die vor allem für ihre einzigartige Sammlung von Werken des britischen Romantikers William Turner berühmt ist. Regelmäßig finden hier kostenlose Führungen unter einem queeren Blickwinkel statt. Diese widmen sich beispielsweise dem von John Singer Sargent 1894 gemalten Porträt des mit Wilde bekannten Autors, Malers und Kunstsammlers W. Graham Roberston, der sich als Londoner Dandy im Mantel mit Pelzkragen, Gehstock und Pudel inszenierte. Die Bandbreite der in der Führung gezeigten Werke reicht dabei von homoerotischen Badeszenen der Maler Henry Scott Duke und Duncan Grant über Arbeiten der lesbischen Künstlerinnen Ethel Sands und Gwen John bis zu Werken der schwulen Ikonen Francis Bacon und David Hockney. Mit Führungen aus queerer Perspektive ist die Tate Britain nicht allein. Die Tate Modern, Londons wichtigstes Museum für Gegenwartskunst, bietet spezielle Rundgänge ebenso an wie das Victoria & Albert Museum (V&A), das anhand von Kunstobjekten die Geschichte von sexuellen Identitäten und Geschlechterrollen erzählt. Ziemlich queer geht es auch in der im V&A noch bis April 2024 zu sehenden Ausstellung DIVA zu, die sich überwiegend Ikonen des Showbusiness widmet – darunter Grace Jones, Marilyn Monroe, Maria Callas, Cher und Elton John.

Foto: Dirk Baumgartl

Foto: Dirk Baumgartl

Foto: Dirk Baumgartl

Foto: Dirk Baumgartl

Foto: Dirk Baumgartl

Dass es auf und rund um Theaterbühnen bereits zu Zeiten von William Shakespeare recht queer zuging, kann man bei einem Besuch des Globe Theatre erfahren: In dem am Ufer der Themse liegenden Nachbau eines Theaters aus dem Jahr 1599 wird ebenfalls eine thematische LGBTIQ*-Führung angeboten. Da zu jener Zeit ausschließlich Männer auf der Bühne stehen durften und diese auch Frauenrollen übernahmen, waren homosexuelle Eskapaden quasi vorprogrammiert. Zudem war zwischen 1603 und 1625 mit James I. ein Regent an der Macht, der seine Zuneigung zu Männern, etwa zu George Villiers, Duke of Buckingham, in aller Öffentlichkeit auslebte und von diesem in Briefen mit „Eurer Majestät demütigster Sklave und Hund“ verabschiedet wurde.

Foto: Marc Brenner

Nackte Haut

Dass Londons Theaterszene auch heute noch jede Menge Queerness zu bieten hat, zeigt ein Blick auf den aktuellen Spielplan. Neben Disney-Klassikern wie „Frozen“ und „König der Löwen“ gehören West-End-Produktionen wie „Moulin Rouge“, „La Cage Aux Folles“ (bis 16. September) und „The Wizard of Oz“ zu den aktuellen Highlights. Der derzeit heißeste Tipp innerhalb von Londons LGBTIQ*-Community ist jedoch die Produktion des Musicals „Cabaret“, die 2021 Premiere feierte und mit sieben Olivier Awards ausgezeichnet wurde. Im eigens zum Kit Kat Club mit zentraler Rundbühne umgebauten Playhouse Theatre zeigen die Tänzerinnen und Tänzer viel nackte Haut, während das herausragende Ensemble die Geschichte von Liebe, Hoffnungen und zerplatzten Träumen am Vorabend der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten erzählt. Wesentlich heiterer geht es dagegen beim Konzertereignis des Jahrzehnts zu, auch wenn die Band dabei nur virtuell auf der Bühne steht. Doch das ist bei der Show „ABBA Voyage“ in der dafür errichteten ABBA Arena kaum zu bemerken. Das Konzert der vier ABBA-Avatare, die kaum von echten Menschen zu unterscheiden sind, ist ein technologisches Meisterwerk, das auch nicht eingefleischte Fans der schwedischen Poplegenden überzeugen dürfte. Und echte Fans? Die dürfen sich zu Songs wie „Dancing Queen“, „Waterloo“ oder „Voulez-Vous“ die Seele aus dem Leib tanzen, während es sich ein Teil der Konzertbesucher auf den Sitzplätzen im hinteren Teil der Arena bequem macht.

Foto: Dirk Baumgartl

Tanzen mit Dragqueens

Getanzt werden darf auch in Londons queeren Klubs. Je nach Lust und Laune hält die Stadt für jeden Musikgeschmack etwas bereit. Da ist zum Beispiel Londons berühmtester Nachtklub Heaven, der seit 1978 ein fester Bestandteil des Nachtlebens ist und in dem über 1.500 Menschen bis in den frühen Morgen tanzen. Indie und Punk spielt man im Bethnal Green Working Men’s Club, während die im The Eagle stattfindende Horse Meat Disco echte Kerle anlockt. Ein Blick auf die Website lohnt auch bei Bars und Klubs wie Dalston Super Store, The Cock Tavern, Circa Embankment, The Gloria, Zodiac Bar und Ku Bar. Oder man streift einmal quer durch Londons schwules Ausgehviertel Soho und lässt sich von der Stimmung auf der Straße oder in den einzelnen Bars mitreißen. Eine witzige Alternative ist zudem eine „Drag Queen Disco Diva Tour“, die man am besten mit einer Gruppe guter Freunde und nach einigen Drinks absolviert. Mit Kopfhörern à la „Silent Disco“ ausgerüstet, wird man von einer Dragqueen durch Soho gelotst, wobei diese die Teilnehmenden nicht nur mit queeren Musikklassikern wie „I am what I am“ beschallt und kleine Tanzchoreografien einübt, sondern mal mehr, mal weniger ernst zu nehmende Storys über Soho bereithält. Ein bisschen Spaß muss sein.

INFO

www.visitlondon.com

www.visitbritain.com

HOTEL

Das zur Hiltons Curio Collection gehörende Hart Hotel Shoreditch hat im Sommer 2020 eröffnet und befindet sich im Gebäude einer ehemaligen Möbelwerkstatt. Im Restaurant des Lifestyle-Hotels mit dem Namen Mostrador hat man sich auf lateinamerikanische Küche spezialisiert. www.hartshoreditch.com

Foto: ABBA Voyage / Johan Persson

TIPP

Nicht nur ABBA-Fans werden von „ABBA Voyage“ begeistert sein. Dank modernster Technik feiert die Band in einer eigens dafür gebauten Arena ihre erfolgreiche Wiederauferstehung. Täuschend echt tanzen und singen die vier Avatare auf der Bühne und das Publikum feiert Songs wie „Dancing Queen“ und „Gimme! Gimme! Gimme!“ www.abbavoyage.com

TERMIN

Großbritanniens größter Pride-Event findet alljährlich Ende Juni/Anfang Juli in London statt. Beim London Pride feiern bis zu 1,5 Millionen Menschen auf den Straßen und Plätzen rund um Soho und die zentrale Bühne am Trafalgar Square. An der mehrstündigen Parade am Samstag nehmen über 600 Gruppen und 30.000 Menschen teil. www.prideinlondon.org

Foto: Dirk Baumgartl

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