LOUISIANA: Sumpf & Sünde

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Bizarre Wasserlandschaften, imposante Plantagen und die dank ihres französischen Erbes so völlig unamerikanisch wirkende Großstadt New Orleans – bei einem Besuch von Louisiana gibt es neben einer aufregenden LGBTIQ*-Szene viel Natur, Kultur und jede Menge kulinarische Köstlichkeiten zu entdecken.

Foto: Dirk Baumgartl

Nein, man befindet sich gerade nicht in der Hölle, auch wenn der verkaterte Blick in eine riesige Stichflamme vielleicht genau jenes suggeriert. Das feurige Spektakel am Frühstückstisch ist eine von vielen Traditionen, mit denen sich New Orleans rühmt. In diesem Fall handelt es sich um die Zubereitung einer süßen Nachspeise, die unter dem Namen „Bananas Foster“ jedem Amerikaner bekannt sein sollte. Erfunden wurde das Gericht aus flambierten Bananen und Eiscreme 1951 im Restaurant Brennan’s, das sich heute in dem 1795 erbauten Gebäude der ehemaligen Louisiana State Bank in der im French Quarter gelegenen Royal Street befindet und das als Nonplusultra für ein ausgedehntes Frühstück respektive einen Brunch gilt. Ob die ebenfalls hier erfunden Eggs Hussarde (eine Variante von Eggs Benedict mit einer reduzierten Weinsoße), überbackene Austern („Oyster J’aime“), Schildkrötensuppe, Gumbo aus Meeresfrüchten oder eine „Omelette à la Creole“ – im Brennan’s serviert man überwiegend Gerichte der kreolischen Küche von Nachfahren französischer und spanischer Einwanderer. Dass zum Frühstück neben Champagner bereits Cocktails wie die Bloody-Mary-Variante „Bloody Bull“ oder ein süßer Brandy Milk Punch gereicht werden, ist in New Orleans so selbstverständlich wie das Amen in der nicht weit entfernt stehenden katholischen St. Louis Kathedrale. Angeblich ist die Methode, seinen Kater am besten mit Alkohol zu bekämpfen, sogar erfolgversprechend. Und wer am Abend durch die Bourbon Street schlendert, versteht schnell, warum die Hauptstraße des French Quarter nach dem Strip in Las Vegas als die bekannteste Vergnügungsmeile der USA angesehen wird. Hier reiht sich eine Bar an die nächste, zudem ist dies einer der ganz wenigen Orte des Landes, an dem Alkohol auch in der Öffentlichkeit – also auf der Straße – getrunken werden darf. Fast ebenso facettenreich wie die hier angebotenen Drinks tönt es an fast jeder Straßenecke.

Foto: Dirk Baumgartl

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Natürlich überwiegt der Jazz, der in New Orleans einen seiner Ursprünge hat und natürlich live gespielt wird, aber auch Funk, Hip-Hop und Dance sind in den Klubs des French Quarter zu hören. Und auch das schwule Nachtleben hat in der Bourbon Street seinen Platz. In der Nummer 901 befindet sich mit dem Cafe Lafitte in Exile die älteste kontinuierlich geöffnete queere Bar der USA. Nach dem Ende der Prohibition 1933 eröffnet, sah die 24 Stunden rund um die Uhr betriebene Bar schwule Promis wie Truman Capote oder Tennessee Williams, der der Stadt mit seinem Drama „Endstation Sehnsucht“ ein literarisches Denkmal setzte. Wer heute die im etwas ruhigeren Teil der Bourbon Street gelegene Bar betritt, merkt jedoch kaum etwas von der bewegten Geschichte. Dafür hat man vom typisch gusseisernen Balkon im ersten Stock eine gute Aussicht auf die vorbeiziehenden Nachtschwärmer. Etwa einen Block weiter findet man mit den beiden sich gegenüberliegenden Bars Bourbon Pub Parade und Oz gleich zwei der beliebtesten Szenetreffpunkte für Besucher wie Einheimische. Während die Gäste von den Balkonen den attraktivsten Kerlen auf der Straße hinterherpfeifen und mit aus dem Karneval bekannten bunten Plastikketten („Beans“) bewerfen, gibt es drinnen Dragshows, Go-go-Tänzer oder auch mal einen Amateur-Stripwettbewerb. Mit Öffnungszeiten bis fünf Uhr morgens und bei aufgeheizter Stimmung ist es also kein Wunder, wenn man am nächsten Morgen verkatert am Frühstückstisch sitzt.

Foto: Dirk Baumgartl

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Verwunschene Gärten

Als Kontrastprogramm zum quirligen New Orleans empfiehlt sich eine Reise ins Hinterland von Louisiana. Hier, wo Großgrundbesitzer mit dem Anbau von Zuckerrohr und Tabak und durch unerbittliche Ausbeutung von Sklaven einst unermesslichen Reichtum verdienten, zeugen auch heute noch prächtige Herrenhäuser von jener dunklen Geschichte des Staates. Einige Plantagen wie das zwischen New Orleans und der Hauptstadt Baton Rouge gelegenen Houmas House Estate dienen inzwischen als luxuriöse Herbergen und vermitteln den Eindruck von Südstaatenprunk im 19. Jahrhundert. Neben geräumigen Cottages für die Gäste beeindrucken vor allem die auf über 15 Hektar angelegten Gärten mit regionalen und exotischen Pflanzen und Bäumen. Auch das dreißig Autominuten südlich von Lafayette gelegene Rip van Winkle House fasziniert mit seinem von Pfauen bevölkerten, verwunschenen Garten. Vor allem das von Eichen und Zypressen hängende Louisianamoos bzw. Spanish Moss, das zur Familie der Bromeliengewächse gehört, verleiht den Gärten und Sümpfen des Staates etwas Romantisch-Geheimnisvolles. Apropos Sümpfe: Einen Ausflug in die für Louisiana so typische Wasserlandschaft sollte man sich nicht entgehen lassen. Das zwischen Lafayette und der Hauptstadt Baton Rouge gelegene Atchafalaya Basin gilt mit über 2.400 Quadratkilometer Fläche als größter Sumpf der USA. Die aus dem Wasser aufragenden Zypressen schaffen oft bizarre Szenerien. Rund um die Stadt Henderson, die man mit auf der quer durch den Sumpf führenden Hochautobahn Interstate-10 erreicht, finden sich etliche Anbieter von Touren – sei es mit den klassischen, von einem Propeller angetrieben „Airboat“ oder mit Kajaks. Kundige Führer erklären dabei das empfindliche Ökosystem des Sumpfes, und natürlich gehört die Beobachtung von Alligatoren zu den Höhepunkten eines jeden Besuchs.

Foto: Dirk Baumgartl

Technik, die begeistert

Etwa eine Dreiviertelstunde dauert die Fahrt von Henderson nach Baton Rouge. 1699 kamen erstmals Europäer auf das Gebiet der heute knapp 230.000 Einwohner zählenden Stadt. Bis 1810 war die Stadt abwechselnd in französischem, englischem und spanischem Besitz. Nach der Wahl zur Hauptstadt von Louisiana im Jahr 1849 entstand bis 1852 das wohl heute noch kurioseste Gebäude der Stadt: Einer mittelalterlichen Burg ähnelnd thront das Old State Capitol über dem Ufer des Mississippi. Der von außen wie innen äußerst fotogene ehemalige Sitz des Parlaments beeindruckt vor allem mit seiner farbenprächtigen Glaskuppel. Empfehlenswert ist die 12-minütige Show „The Ghost of the Castle“ – eine 4-D-Multimediashow, die man eher in einem Disney-Park als hier erwartet und die einen kurzen Abriss über die bewegte Geschichte des Gebäudes gibt. Die ebenfalls im Old State Capitol zu sehende Ausstellung über die politische Entwicklung Louisianas rundet den Besuch ab. Dabei ist ein ganzer Raum einem der wohl umstrittensten Politiker des Staates gewidmet. Mit politischem Talent und durchaus krimineller Energie schaffte es der Demokrat Huey Long zum Gouverneur und später zum U.S.-Senator, bis er 1935 durch ein Attentat ums Leben kam. Long war es auch, der den Bau des heutigen State Capitol vorantrieb. Mit dem 1932 im Art-déco-Stil eröffneten Gebäude, das das höchste Kapitol der USA ist, setzte sich der Politiker sein eignes Denkmal. Von der Aussichtsterrasse im 27. Stock hat man den wohl besten Überblick über Baton Rouge, den Mississippi sowie die zweitgrößte Ölraffinerie des Landes, die direkt am Stadtrand liegt.

Foto: Dirk Baumgartl

Kultur der Cajun

Weitaus gemütlicher geht es im etwa 200 Kilometer westlich von New Orleans gelegenen Städtchen Lafayette zu. Neben seiner historischen Altstadt mit ihren kleinen Boutiquen und Geschäften und einer gut 450-jährigen Eiche, die imposant neben der Kathedrale steht, ist Lafayette als Zentrum der Cajun-Kultur bekannt. Aus ihrem ursprünglichen Siedlungsgebiet im kanadischen Nova Scotia vertrieben, ließen sich die Nachfahren französischer Einwanderer Ende des 18. Jahrhunderts in der Region nieder. Noch heute ist das „Cajun Country“ von Sprache, Kochkunst und Musik der auch als Akadier bezeichneten Gemeinschaft geprägt. Im Museumsdorf Vermillionville, der einstigen Keimzelle Lafayettes, gibt es neben historischen Gebäuden auch kleine Demonstrationen alten Handwerks sowie Musikdarbietungen. Nicht versäumen sollte man den Biss in eine Boudin: Hergestellt aus Schweinefleisch, Reis und scharfen Cajun-Gewürzen gibt es um diese Wurst quasi einen ständigen Glaubenskrieg, wo es denn die Beste gibt. Jeweils im Oktober kommt es dann zum großen Showdown im Layfayettes Parc International, wenn die besten Wursthersteller um die Gunst des Publikums wetteifern. Auf der Karte in New Orleans’ Traditionsrestaurant Brennan’s findet man die Wurst übrigens vergebens, denn die Boudin ist tatsächlich eine Spezialität, die fast ausschließlich hier im Cajun Country auf den Tisch kommt.

INFO

www.louisianatravel.com

www.neworleans.de

ANREISE

Aktuell wird die einzige Nonstop-Verbindung von Europa mit British Airways ab London Heathrow angeboten und ist mit Zubringerflügen ab vielen deutschen Flughäfen, darunter Hamburg, München, Düsseldorf, Frankfurt und Berlin, buchbar. www.britishairways.com

HOTEL

Das Houmas House gilt als eines der luxuriösesten Plantagenhotels in Louisiana und liegt etwa eine Autostunde westlich von New Orleans entfernt. Neben geräumigen Cottages findet man auf dem Anwesen auch Restaurants mit klassischer kreolischer Küche. www.houmashouse.com

TIPP

Wer Scharfes liebt, sollte einen Besuch auf Avery Island einplanen. Auf der gut vierzig Autominuten südlich von Lafayette gelegenen Insel befindet sich die Fabrik der originalen, von McIlhenny Co. hergestellten Tabascosoße. Auf dem Gelände gibt es einen selbst geführten Rundgang, der über den Herstellungsprozess von der Chilischote über die Fermentierung bis zur Abfüllung und Verpackung aufklärt. Fensterblick in die Produktionshallen inklusive. www.tabasco.com/visit-avery-island

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