NACHGEFRAGT – HOMOPHOBES LANDLEBEN?

Mit einer Anzeigenkampagne will die Aids-Hilfe Baden-Württemberg der heterosexuellen Landbevölkerung zurzeit „die Augen“ öffnen. Warum der Kampf gegen Homophobie Teil des Kampfes gegen HIV ist, erklärt uns Stefan Zimmermann von der Aids-Hilfe Baden-Württemberg. •ck

ERKLÄR UNS DOCH KURZ, WARUM IHR MIT EINER SPEZIELLEN KAMPAGNE „AUFS LAND“ GEHT.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir mit den üblichen Präventionsbotschaften, die Safer Sex betreffen, gerade auf dem Land oft viel zu weit weg vom Bedarf von Schwulen sind. Es ist leider immer noch so, dass auf dem Land Homosexualität für viele nicht „normal“ ist und Jungs und Männer im Coming-out sich damit sehr schwertun, zu ihrer Identität zu stehen. Coming-out ist bei den meisten eine psychische Ausnahmesituation: Man merkt, dass man nicht der „Norm“ entspricht, aus der Rolle fällt usw. Und gerade auf dem Land gibt es sehr enge Strukturen und Gemeinschaften, deren Regeln man dann ja so nicht entspricht, was den Druck noch verstärkt. Wer sich in solch einer extremen Situation befindet, ist gefährdeter, sich mit HIV oder anderen sexuell übertragbaren Krankheiten zu infizieren, da er eventuell bereiter ist, Risiken einzugehen. Dazu kommt noch, dass bei männlichen Jugendlichen die Selbstmordrate um ein Vierfaches höher ist, wenn sie im Coming-out stecken, weil sie der Belastung nicht gewachsen sind. Man sieht also, dass wir hier mit den üblichen Präventionsbotschaften nicht weit kommen, sondern erst einmal die Jungs in ihrer Identität stärken müssen.

IHR SPRECHT MIT DEM MOTIV DER NEUEN KAMPAGNE NICHT NUR ANTISCHWULE RESSENTIMENTS AN, SONDERN GLEICH AUCH DAS THEMA RASSISMUS. WARUM DIE GEBALLTE KONFRONTATION MIT DER NORMATIV LEBENDEN LANDBEVÖLKERUNG?

Beabsichtigt war das nicht – das Motiv ist nur rein zufällig so. Aber es gibt ja nicht nur Schwule auf dem Land, sondern auch Menschen aus andern Ländern und Kulturen. Wir wollen einfach zeigen, dass Homosexualität normal ist und zum Leben dazugehört. In dem Fall ist es dann wohl praktisch, dass das Motiv so gewählt ist. Somit zeigen wir nicht nur, dass Homosexualität normal ist, sondern auch in anderen Kulturen existiert. Es besteht hier enormer Aufklärungsbedarf, weil es Ehrenmorde, Ausschluss aus der Familie und Verfolgung von Lesben und Schwulen leider auch in Deutschland gibt, zum Beispiel in Familien aus arabischen Ländern, wenn sich ein Familienmitglied outet.

HABT IHR BEREITS RÜCKMELDUNGEN ERHALTEN, KOMMENTARE UND KRITIK?

Ja, wir haben von den Zeitschriften, in denen wir die Anzeige geschaltet haben, gleich noch eine Interviewanfrage bekommen, da sie das Thema sehr interessant finden und uns darin unterstützen wollen. Es gab hier schon ein sehr gutes Echo. Es haben auch schon Leute bei uns oder den Zeitschriften nachgefragt, ob es noch einen Bericht gibt. Momentan versuchen wir, die Anzeige flächendeckend in ganz Baden-Württemberg zu platzieren, und das soll auch im nächsten Jahr noch weitergehen. Kritik gab es noch keine, aber man weiß ja nie, was noch kommt

Internet: WWW.GENTLE-MAN.EU

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