INTERVIEW – DR. ROLAND HEINTZE

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Dass bei der Europawahl mit Dr. Roland Heintze ausgerechnet ein schwuler CDU-Politiker für die Hansestadt ins Rennen geht, erregte die Aufmerksamkeit der Redaktion. Im Interview spricht er über die Möglichkeiten, kommunale Interessen auf die europäische Bühne zu bringen und darüber, wie Europa auf diskriminierende Gesetze reagieren kann. Außerdem erklärt Heintze seine ganz persönliche Einstellung zur Gleichstellungspolitik seiner Partei.

WAS KANN EIN EU-PARLAMENTARIER AUS HAMBURG AN KOMMUNALEN INTERESSEN IN DAS POLITISCHE GESCHEHEN EUROPAS EINBRINGEN?

Die Arbeitsweise des EU-Parlaments ist eine andere, als die, die wir zum Beispiel aus dem Bundestag kennen. Es gibt nicht die klassische Regierung/Opposition-Aufteilung – jeder Parlamentarier kann sich im Rahmen der Fraktionsarbeit bei den Konsultationen mit Rat und Kommission einbringen. Man kann durchaus bei vielen Themen mitreden, sofern man bereit ist, sich intensiv damit zu befassen. Dadurch ist aber eine größere Einflussnahme auch bei „kleinen“ Themen möglich.

SIE WAREN SELBER LSU-VORSITZENDER, SIND SEIT ZEHN JAHREN GLEICHSTELLUNGSPOLITISCHER SPRECHER DER CDU-BÜRGERSCHAFTSFRAKTION. WIE GEHT MAN DENN ALS EUROPAPOLITIKER DAMIT UM, DASS SICH DIE BUNDESREGIERUNG – UND DAMIT DIE PARTEIKOLLEGEN IN BERLIN – WEIGERN, DAS 12. ZUSATZPROTOKOLL DER MENSCHENRECHTSKONVENTION ZU RATIFIZIEREN. DIESES SOLL UNTER ANDEREM AUCH HOMO- UND TRANS*SEXUELLEN BESSEREN DISKRIMINIERUNGSSCHUTZ GEWÄHREN.

Es gibt in fast allen Ländern der EU eingetragene Partnerschaften und diese werden durch die anderen -EU-Staaten anerkannt. Die Frage der Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe ist allerdings keine Frage, die die EU zu regeln hat, sondern hier ist der nationale Gesetzgeber gefragt. Das gilt auch für das 12. Zusatzprotokoll. In Deutschland sind Schwule und Lesben gut gegen Diskriminierung geschützt, wenn es Lücken gibt, müssen diese national geschlossen werden, dazu bedarf es keiner Vorgaben der EU.

DENNOCH GAB ES EINE RÜGE DES EUROPARATES, WAS DIE ANTIDISKRIMINIERUNGSPOLITIK DEUTSCHLANDS ANGEHT. DIESER RÜGE WÄRE DURCH EINE RATIFIZIERUNG DES 12. ZUSATZPROTOKOLLS ZU BEGEGNEN, WEIL ES VIELE MASSNAHMEN FORDERT, DIE DISKRIMINIERUNG BEKÄMPFT. DA GAB ES JETZT ALSO ÄRGER AUS EUROPÄISCHER SICHT.

Das 12. Zusatzprotokoll ist kein Allheilmittel und der Rüge des Europarates kann auch anders begegnet werden. Ich glaube es ist wichtig, dass Dinge wie Diskriminierungsschutz nicht von oben verordnet werden, sondern hier in Deutschland durch gute nationale Politik verbessert werden müssen. Es geht keine Diskriminierung vom Staat aus, aber durchaus von den in Deutschland lebenden Menschen. Es gibt in Hamburg oder Berlin durchaus Gegenden, beispielsweise mit einem hohen Anteil mit Mitbürgern islamischer Glaubensrichtung, in denen ich es mir sehr gut überlegen würde, Händchen haltend mit meinem Freund zu flanieren. Das ist aber ein anderes Thema, das nicht von der Europapolitik zu klären ist, sondern vor Ort. Unabhängig davon gehört die Bundesrepublik zu den Erstunterzeichnern eines Protokolls zur europäischen Menschenrechtskonvention, das langfristig zu einer Angleichung des Diskriminierungsschutzes der osteuropäischen Staaten an unsere hohen Standards führen soll. Für gemeinsame Standards setzen wir uns natürlich ein.

DARAUF ZIELT MEINE NÄCHSTE FRAGE AB. WIE KANN DENN DIE UNION MIT MITGLIEDSSTAATEN WIE UNGARN UMGEHEN, DIE HOMOSEXUELLE STAATLICH MASSIV DISKRIMINIEREN?

Da ist der Rat gefragt, der Sanktionen aussprechen kann. Dazu gehören laut Artikel 7 des Lissabonvertrags der Entzug von Stimmrechten im Ministerrat oder finanzielle Sanktionen. Das tut weh. Unabhängig davon, was rechtlich geht, finde ich es wichtig, noch einmal auf einen stärkeren kritischen Dialog zu setzen und gemeinsam zu schauen, wie man die Probleme lösen kann. Wobei die Situation in Ungarn wirklich in vielerlei Hinsicht schwierig ist, daher muss auch darüber nachgedacht werden, die Möglichkeiten des Lissabonvertrages auszuschöpfen.

SIE HATTEN ES ANGESPROCHEN – DIE EHEÖFFNUNG IST IN DEUTSCHLAND NACH WIE VOR UMSTRITTEN. SEHEN SIE EINE MÖGLICHKEIT, DASS ZUMINDEST EUROPÄISCH GESCHLOSSENE EHEN ZWISCHEN HOMOSEXUELLEN HIER VOLLWERTIG ANERKANNT WERDEN, WIE ES JA NUN MAL AUCH MIT HETEROSEXUELLEN EHEN DER FALL IST?

Prinzipiell gibt es hier tatsächlich eine Regelungslücke, die aber auf europäischer Ebene nur mit einer einstimmigen Entscheidung im Rat zu schließen wäre. Das ist mit Staaten wie Bulgarien oder eben Ungarn derzeit nicht zu erreichen. Anders ist die Frage, wie es da in Deutschland auf nationaler Ebene aussieht. Dieser Diskussion müsste sich die Union wie ich finde aktiver stellen.

WIE STEHEN SIE DENN PERSÖNLICH ZUR ÖFFNUNG DER EHE, GERADE VOR DEM HINTERGRUND, DASS IN GROSS BRITANNIEN EIN KONSERVATIVER REGIERUNGSCHEF DIESES EIGENTLICH LIBERALE PROJEKT SEINES KOALITIONSPARTNERS ZU SEINEM EIGENEN GEMACHT HAT UND ES GEGEN DIE HARDLINER DURCHGESETZT HAT?

Da kann man nur sagen: Chapeau! Ich finde, dass dies mit guten Argumenten passiert ist, die man sich auch in der Union noch einmal grundsätzlich anschauen sollte. Der in England beschrittene Weg ist auch aus konservativer Sicht heraus ein konsequenter, den ich persönlich für richtig halte.

•Interview: Christian Knuth

Internet: ROLAND HEINTZE IM NETZ

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