NACHGEFRAGT – ULF BOLLMANN

Der Mitbegründer der Initiative „Gemeinsam gegen das Vergessen – Stolpersteine für homosexuelle NS-Opfer“, Ulf Bollmann, nimmt gegenüber blu Stellung zur aktuellen Diskussion über das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen. Er kann in einer lesbischen Kussszene keine Verzerrung der Geschichte feststellen. •ck

WURDEN LESBEN, WIE IM OFFENEN BRIEF VON RAINER HOFFSCHILDT BEHAUPTET, NICHT VERFOLGT?

Es ist sehr wohl eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen der Situation homosexueller Frauen und Männer im Nationalsozialismus zu machen. Aber die Aussage, dass es historisch nicht belegbar sei, dass Lesben im Dritten Reich verfolgt wurden, ist falsch. Bei unseren Recherchen haben wir solche Fälle gefunden und uns liegen tatsächlich auch Polizeiberichte vor, bei denen individuelle Verfolgungen lesbischer Frauen bestanden haben. Auch die Historikerin Claudia Schoppman in Berlin hat in ihren Veröffentlichungen Beispiele beschrieben.

ALSO GEHÖRT IHRER MEINUNG NACH DAS GEDENKEN AN DIE VERFOLGUNG VON LESBEN IN DER NS-ZEIT ZUM DENKMAL DAZU?

Ja. Außerdem halte ich die Art, wie hier ein interner Streit in der Forscherszene nach außen getragen wird, für unglücklich. Dieser offene Brief vermittelt ein falsches Bild und bietet damit Angriffsfläche für Gegner, die die individuelle Gedenkkultur für die homosexuelle Opfergruppe prinzipiell in Frage stellen.

WIE KOMMT ES ÜBERHAUPT ZU DIESER DISKUSSION. BEI DER KONZEPTION DES BERLINER MAHNMALS WAR DOCH VON BEGINN AN VORGESEHEN, DIE GEZEIGTEN FILME GESCHLECHTERSPEZIFISCH ZU WECHSELN?

Es ist vielleicht ein individueller Versuch, die Unterschiede in der Verfolgung von Schwulen und Lesben in einen Maßstab zu setzen. Meiner Meinung nach schadet er aber der Sache.

Internet: DIE INITIATIVE IM NETZ

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