NACHGEFRAGT: CDU-ABGEORDNETER ZUM STREIT UM DEN BILDUNGSPLAN

Selten wurde Schulpolitik so kontrovers und nah am rechten Rand diskutiert, wie aktuell in Baden-Württemberg. Kirchen, besorgte Eltern und Politiker und eine Online-Petition liefen gegen die grünroten Pläne, auch an Schulen über sexuelle Vielfalt aufzuklären, Sturm und vergriffen sich teilweise deutlich im Ton. Wir konnten den Stuttgarter CDU-Vorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Dr. Stefan Kaufmann von der CDU in Berlin zu seiner Einschätzung befragen. Kaufmann lancierte zusammen mit Cem Özdemir (Grüne) und Ute Vogt (SPD) einen parteiübergreifenden Aufruf gegen die Online-Petition, der zwischenzeitlich von 34 Parlamentariern unterzeichnet wurde. •ck

SELTSAMER WEISE ERHÄLT DIE GEPLANTE AUFNAHME DER AUFKLÄRUNG ÜBER SEXUELLE VIELFALT IN DEN BILDUNGSPLAN SOGAR GEGENWIND VON DEN LIBERALEN. FDP-FRAKTIONSCHEF HANS-ULRICH RÜLKE SPRICHT VON "NICHT GLEICHWERTIGEN LEBENSFORMEN." WAS SAGEN SIE ALS CDU-POLITIKER DAZU?

Ich habe mich zu dieser Petition bereits klar geäußert. Jungen Menschen Toleranz, Weltoffenheit und Respekt in der Schule zu vermitteln, halte ich für richtig und notwendig. Dazu gehört auch der tolerante Umgang mit sexueller Vielfalt. Die Sorge der Petenten, es werde eine „pädagogische, moralische und ideologische Umerziehung“ angestrebt, teile ich nicht. Im Übrigen habe ich vernommen, dass sich die Landes-FDP auch klar für gesellschaftliche Toleranz ausgesprochen hat. Einzelmeinungen gibt es in jeder Partei.

ALS VERTRETER DER PARTEI MIT DEM CHRISTLICHEN C STELLEN SIE SICH MIT DIESER MEINUNG OFFENBAR SOGAR GEGEN DIE LANDESKIRCHEN, DIE EBENFALLS EINE "INDOKTRINATION" AN SCHULEN BEFÜRCHTEN UND DEN BILDUNGSPLAN ABLEHNEN. WIE BERÜHRT SIE DIE AUSSAGE DER KIRCHEN?

Wie gesagt, die Sorge vor einer Umerziehung halte ich für unbegründet. Ich verstehe auch die Aufregung nicht. Die Arbeiten am Bildungsplan sind im Gang und der Gedanke, die Erziehung zu Toleranz – auch im Umgang mit unterschiedlichen Lebensentwürfen – zu berücksichtigen, ist gut. Gerade vor dem Hintergrund einer zunehmenden Zahl von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund ist diese Aufgabe besonders wichtig. Das ist keine Indoktrination oder Umerziehung. Insofern haben mich die Einlassungen der Kirchen überrascht und in ihrer Schärfe zum Teil auch enttäuscht.

WIE SOLLTE IHRER MEINUNG NACH ÜBER DEN BILDUNGSPLAN DISKUTIERT WERDEN. WELCHE PUNKTE KRITISIEREN SIE, WELCHE BEFÜRWORTEN SIE?

Die Landesregierung Baden-Württemberg bietet gerade im Bereich der Schul- und Bildungspolitik viel Angriffsfläche. Ich wünsche mir, dass die Diskussion um den Bildungsplan wieder in ruhigeres Fahrwasser kommt und sachlich-unaufgeregt zu Ende geführt wird. Wünschenswert wäre allerdings, dass die Toleranzerziehung im Bildungsplan auf weitere Felder ausgedehnt wird. Ich bin überzeugt: am Ende wird ein Bildungsplan stehen, der bestimmt Anlass zur Diskussion gibt, aber mit Sicherheit keine sexuelle Umerziehung der Schülerinnen und Schüler zum Ziel hat. Und allen, die gleichwohl Sorge haben, rufe ich zu: Lesbisch oder schwul ist man; man wird es nicht durch Aktivitäten der Landesregierung.

Internet: STEFAN KAUFMANN IM NETZ

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