INTERVIEW – MARCUS WEINBERG

Foto. Gundula Stein

Die CDU steht durch taktische Manöver ihrer Führungsriege um Angela Merkel nicht gerade ganz oben auf der homosexuellen Wahlagenda. Allerdings gab es in den letzten vier Jahren innerhalb der Partei so viel Bewegung wie nie zuvor, was homosexuelle Themen angeht. Wir freuen uns, dass uns mit dem Landesvorsitzenden der CDU Hamburg, Marcus Weinberg, ein Mitglied der „Wilden 13“ Rede und Antwort stand. •ck

HERR WEINBERG, UNS ALS MAGAZIN FÜR DIE SCHWULE ZIELGRUPPE FÄLLT ES SCHWER, BEI DER CDU INTERVIEWS ZU BEKOMMEN. DIE HAMBURGER CDU HAT, WAS DEN UMGANG MIT LESBEN UND SCHWULEN ANGEHT, EINE LIBERALERE HALTUNG ALS DIE BUNDESPARTEI. HABEN SIE DAFÜR EINE ERKLÄRUNG?

Erstens sehe ich es als Selbstverständlichkeit an, dass wir gerade bei wichtigen Themen wie der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft den Dialog suchen – was nicht bedeuten muss, dass man überall die gleichen Positionen vertritt. Zum Zweiten ist die Hamburger CDU eine Großstadtpartei mit den Erfahrungen einer offenen Metropole und dadurch liberaler und weltoffener, als das vielleicht andere Landesverbände sind. Zusätzlich wurde die CDU in Hamburg nachhaltig durch den Senat Ole von Beusts geprägt, unter dessen Regierung unter anderem die erste rückwirkende Gleichstellung im Beamtenrecht sowie Bundesratsinitiativen zum Beispiel zum Erbschaftssteuerrecht gefordert wurden. Drittens ist es, glaube ich, für uns Hamburger an sich selbstverständlich, dass verschiedene Lebensentwürfe akzeptiert und toleriert werden, und deswegen machen wir uns dafür stark, dass Diskriminierung weiter abgebaut wird.

NUN GIBT ES IN DER SZENE KONKRET KRITIK AN EINEM GROSSPLAKAT ZUR FAMILIENPOLITIK: VIELE SEHEN ES ALS RECHT EINDIMENSIONAL AN, DASS DAS WORT „ANDERS“ BENUTZT WIRD, ABER EBEN EINE EIGENTLICH HERKÖMMLICHE FAMILIE GEZEIGT WIRD. WARUM NICHT EIN ZUGEHEN AUF REGENBOGENFAMILIEN ODER ZUMINDEST ALLEINERZIEHENDE MÜTTER?

Ich glaube, dieses eine Plakat zur Familienpolitik darf nicht überinterpretiert werden. Wir lehnen nicht das eine ab, weil wir das andere zeigen. Wir als Volkspartei können mit einem Plakat nicht alle Facetten eines komplexen Politikfeldes abbilden. Es zeigt ja gerade eine aufgebrochene Rollenverteilung und bezieht sich mehr auf die aktuellen Aspekte der Familienpolitik, Stichwort: Wahlfreiheit der Kinderbetreuung.

WIE STEHT DIE HAMBURGER CDU, WIE STEHEN SIE PERSÖNLICH ZUR FORDERUNG DER ÖFFNUNG DER EHE FÜR HOMOSEXUELLE PAARE SOWIE ZUM VOLLEN ADOPTIONSRECHT?

Für die volle Gleichstellung der Lebenspartnerschaft gibt es in der CDU keine Mehrheit. Was das Adoptionsrecht angeht, ist allerdings in der Urteilsbegründung zur Sukzessivadoption durch das Bundesverfassungsgericht etwas herauszulesen, das die Entscheidungen in den noch anhängigen Verfahren zur Volladoption mit Spannung erwarten lässt. Für mich gilt dabei immer ausschließlich das Wohl des Kindes.

WIE KANN DENN EIN LANDESVERBAND EINFLUSS AUF DIE BUNDESPARTEI AUSÜBEN, WAS WIRD DORT SEITENS HAMBURGS GETAN?

Zum einen hat, wie in der Eingangsfrage erwähnt, die Ole-von-Beust-Regierung viele Akzente setzen können. Aber auch ich als CDU-Landesvorsitzender und Abgeordneter im Bundestag habe in der Legislatur die Wilden 13 unterstützt und durch Beschlüsse des Landesverbandes in der Bundespartei zum Beispiel für die Gleichstellung im Steuerrecht geworben. Beim diesbezüglichen Votum auf dem Bundesparteitag der CDU gab es dafür auch eine Mehrheit aus den Reihen der Hamburger Delegierten.

HAMBURG IST PARTNERSTADT VON ST. PETERSBURG. DIE HOMOPHOBE GESETZGEBUNG UND DIE DADURCH ERÖFFNETE JAGD AUF HOMOSEXUELLE IN RUSSLAND IST ZURZEIT THEMA IN ALLEN WICHTIGEN NACHRICHTEN. SELBST DER US-PRÄSIDENT ÄUSSERTE SICH. WAS FORDERT DIE HAMBURGER CDU DIESBEZÜGLICH VOM SENAT?

Die Gesetzgebung in Russland ist nicht akzeptabel. Kein Mensch darf aufgrund seiner Sexualität diskriminiert werden. Gewalttaten gegen Minderheiten müssen konsequent verfolgt werden. Ich finde es richtig, dass am 8. September gegen diese Gesetzgebung demonstriert wird. Ich finde es wichtig, dass der Senat seine Verbindungen zum Beispiel zur Partnerstadt St. Petersburg nutzt, um diese Themen anzusprechen. Von Boykotten oder Aufkündigungen der Städtepartnerschaft halte ich nichts, denn dies bedeutet eine Beendigung des Dialogs. Unter Partnern muss man Probleme ansprechen können. Und hier muss man das tun!

GANZ AKTUELL HÄUFEN SICH IN HAMBURG HOMOPHOBE ÜBERGRIFFE IN UNERWARTETER INTENSITÄT. DAS MHC WURDE ZIEL EINER STEINWURFATTACKE, IM UMFELD DES CSD WURDEN ZWEI JUNGE MÄNNER SCHWER VERLETZT, ALS SIE FÜR SCHWUL GEHALTEN UND DARAUFHIN ZUSAMMENGESCHLAGEN WURDEN. STOLPERSTEINE HOMOSEXUELLER NAZIOPFER SIND BESCHÄDIGT WORDEN. HABEN SIE EINE ERKLÄRUNG FÜR DIESE NEUE QUALITÄT DER ÜBERGRIFFE?

Das beobachte ich mit großer Sorge. Drei Dinge sind wichtig: Zum Ersten müssen Politik und Gesellschaft klar ihre massive Ablehnung gegenüber diesen Taten deutlich machen. Zweitens muss es eine Verfolgung der Straftäter geben, und zwar auch dahingehend, dass die Szene wahrnimmt, dass die Strafverfolgungsbehörden sich der Schwere der Taten bewusst sind und sie als solche einordnen. Drittens muss die Aufklärungsarbeit an Schulen vorangetrieben werden, um Homophobie von Beginn an zu bekämpfen. Ich selber habe eine St.-Pauli-Dauerkarte und erinnere mich an ein Spiel im Frühjahr, wo mit Regenbogenfahnen und Transparenten gegen Homophobie Stellung bezogen wurde. Das ist etwas, das diese Stadt, die sich als weltoffen, als Tor zur Welt fühlt, auszeichnet und was sie prägt: Hier werden Toleranz und Respekt gelebt. Wenn solche Übergriffe passieren, muss die Gesellschaft, sei es im Fußballstadion oder woanders, zeigen, dass so etwas nicht akzeptabel ist!

•Interview: Christian Knuth

Internet: WWW.MARCUSWEINBERG.DE

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