INTERVIEW – KATRIN GÖRING-ECKARDT: „UMPOLUNG IST ABSURD!“

© Foto: S. Kaminski

Die Welt veröffentlichte ein Statement der Grünen Spitzenfrau Katrin Göring-Eckardt, das Fragen zu ihrer Haltung zu sogenannten Umpolungstherapien für Schwule und Lesben aufwarf. Wir haben nachgefragt und mit Göring-Eckardt, die ihr Amt als Synodenpräses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zurzeit ruhen lässt, auch über das kirchliche Arbeitsrecht sprechen können.

DA MIR, VIELEN LESERN UND SICHER AUCH IHNEN AUS AKTUELLEM ANLASS DARAN GELEGEN IST, DIE MISSVERSTÄNDLICHEN ÄUSSERUNGEN IM BEZUG AUF DAS GEPLANTE VERBOT VON KONVERSIONSTHERAPIEN AUFZUKLÄREN, ALS ERSTES EINE GANZ KONKRETE FRAGE: GLAUBEN SIE PERSÖNLICH, DASS HOMOSEXUALITÄT THERAPIERBAR IST?

Nein, ich finde das absurd. Homosexualität ist keine Krankheit, sondern ein Teil der Persönlichkeit.

SIE ANTWORTETEN LAUT WELT AUF DIE FRAGE, OB MAN „UMPOLUNGSTHERAPIEN“ VERBIETEN SOLLTE AUSWEICHEND. DEM ZITAT KANN MAN ENTNEHMEN, DASS SIE SELBER ZWAR GEGEN SOLCHE THERAPIEN ZU SEIN SCHEINEN, SIE SAGTEN ABER AUCH, SIE WÜRDEN ABWEICHENDE POSITIONEN AKZEPTIEREN. ERKLÄREN SIE DAS BITTE.

Ich habe gesagt, dass es auch andere Positionen gibt, das bezog sich auf die Gruppen, wo es um Seelsorge geht. Seelsorge und Therapie sind aber zwei völlig verschiedene Dinge, sie dürfen nicht vermischt werden. Grundsätzlich ist Seelsorge für Jugendliche positiv zu beurteilen, gerade für jene, die auf der Suche sind, die die eigene Identität entdecken und dabei Verunsicherungen erleben, unabhängig, ob es hier um Homosexualität oder andere Identitätsthemen geht. Seelsorge ist Beratung einer wachsenden Seele, mit Umpolung darf das nichts zu tun haben.

DAS HEISST?

Die Frage ist: wird der junge Mensch angenommen, wie er ist und seelsorglich auf seinem Weg begleitet oder wird er in eine Richtung gedrängt. Von der EKD gibt es dazu die ganz klare Positionierung: Seelsorge ja, Therapie nein.

IST ES NICHT GERADE FÜR SIE ALS „GRÜNE CHRISTIN“ AUFGABE, LIBERALE UND FÜR KONSERVATIVE EVANGELIKARE KREISE EVENTUELL UNBEQUEME THEMEN ANZUSPRECHEN, DIE EIN RATSVORSITZENDER IN DIESER DEUTLICHKEIT NICHT ANSPRICHT/ANSPRECHEN WILL?

Ich sage selbstverständlich sowohl öffentlich, auch kirchenöffentlich, was ich zu diesem Thema denke. Zum Beispiel wurde ich anlässlich des Papstbesuchs in Erfurt darum gebeten im Gottesdienst für meine Kirche zu sprechen. Ich bin dort dann auch auf das Thema Homosexualität sehr deutlich eingegangen und habe gesagt: „Gott sieht uns alle an, mit der gleichen und nur ihm eigenen großen Liebe: ob wir nun alt sind oder jung, Mann oder Frau, so oder anders gläubig, heiter oder bedrückt, egal, wen wir lieben und mit wem wir das Leben teilen.“ Das waren deutliche Worte, und mein Vorschlag es so anzusprechen wurde vom Rat der EKD unterstützt.

ES GIBT MIT DEM KIRCHLICHEN ARBEITSRECHT UND DEN AUSNAHMEN BEIM DISKRIMINIERUNGSSCHUTZ NOCH EIN POLITISCHES FELD, DAS WEIT MEHR MENSCHEN BETRIFFT, ALS „NUR“ HOMOSEXUELLE. GESCHIEDENE, ALLEINERZIEHENDE UND SO WEITER WERDEN ZWAR DURCH DIE KATHOLISCHE KIRCHE EXTREM DISKRIMINIERT, ABER AUCH IN EINIGEN EVANGELISCH GEFÜHRTEN EINRICHTUNGEN SIND PROBLEME BEKANNT. WIE STEHEN SIE ZU DIESEN BESONDEREN RECHTEN GRÖSSTENTEILS STAATLICH FINANZIERTER ABER NACH KIRCHLICHEM RECHT GEFÜHRTER BESCHÄFTIGUNGSVERHÄLTNISSE?

Da wo es um den reinen Verkündigungsauftrag geht, muss die Kirche selbst entscheiden dürfen. Außerhalb des Verkündigungsdienstes geht es nicht, dass man sich jenseits des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes bewegt. Ich diskutiere aber gerne darum, wo Verkündigung anfängt und wo die Grenzen sind. Man muss im Dialog klären: Was versteht man unter Verkündigung? Man könnte sagen, ein Christ geht zum Beispiel bewusst in ein christlich geführtes Krankenhaus, weil er erwartet, dass die Krankenschwester abends mit ihm betet. Andere sagen aber die Schwester ist nur für das Pflegerische verantwortlich und wenn jemand für das Seelsorgerische gebraucht wird, kann sie dann jemanden anrufen, der zum Patienten kommt.

GIBT ES DENN KONKRETE POLITISCHE ANSÄTZE FÜR DEN FALL EINES REGIERUNGSWECHSELS?

Das Arbeitsrecht ist durch Klagen vor Gericht permanent in der Debatte, so dass sich jede Bundesregierung damit befassen muss. Über die Frage der Loyalitätsanforderungen an Mitarbeiter*innen, die nicht in der Verkündigung arbeiten, wollen wir in einen Dialog mit den Kirchen treten.

ALSO MUSS SICH LAUT IHRER MEINUNG UND DER MEINUNG IHRER PARTEI JEDES ARBEITSVERHÄLTNIS AUSSERHALB DES VERKÜNDUNGSAUFTRAGES INNERHALB DES AGG BEWEGEN?

Genau. Soweit es um private Fragen wie sexuelle Identität, Familienstand und so weiter geht, müssen die Vorgaben des AGG erfüllt sein.

•Interview: Christian Knuth

Internet: WWW.GOERING-ECKARDT.DE

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