AIDS-HILFE ERKENNT JUSTIZSKANDAL

Die Aids-Hilfe Frankfurt veröffentlichte heute eine Stellungnahme zu den Vorgängen rund um „den Fall“ Nadja. In dem Schreiben spricht der Verein von Persönlichkeitsrechtsverletzungen und „massivem Schaden“ für die Präventionsarbeit. blu zitiert:

„Zum Fall Nadja B. stellen wir fest, dass es sich um einen veritablen Justizskandal handelt. Vor allem sehen wir durch das Vorgehen der Staatsanwaltschaft und ihrer Informationspolitik die Unschuldsvermutung ausgehebelt. Überdies ist die Intimsphäre der Sängerin aufs Gröbste verletzt worden. Durch die Lancierung ihrer HIV-Infektion wurden ihre

Persönlichkeitsrechte verletzt und sie gegen ihren Willen als Positive geoutet. In eklatanter Weise wurde damit der Schutz der menschlichen Würde einem nachgeordneten Rechtsgut geopfert. Wir plädieren dafür, dass sich Staat und Justiz aus den sexuellen Beziehungen erwachsener Menschen weitestgehend heraus zu halten haben.“

Dieser Meinung schlossen und schließen wir uns an, weswegen nach dem ersten journalistischen Beitrag keine weitere Berichterstattung erfolgte. Ein weiteres Zitat zum Thema Medienausschlachtung aus der Sendung Kulturzeit auf 3sat: „Es bleibt die Bemerkung, dass Nadja B. eine 10-jährige Tochter hat, die lesen kann.“ •ck

DIE MITTEILUNG DER AIDS-HILFE FRANKFURT IM WORTLAUT:

Die spektakulären Vorgänge um die Verhaftung und Inhaftierung der 26-jährigen No-Angels-Sängerin Nadja B. und die damit verbundene Medienberichterstattung haben der Präventionsarbeit der AIDS-Hilfen massiv geschadet. Unter den Betroffenen ist eine starke Verunsicherung zu spüren. Viele sorgen sich, sie könnten bei einem offenen Umgang mit ihrer HIV-Infektion kriminalisiert werden und fragen, ob sich aus dem Vorgehen der Justiz für sie die Pflicht ergibt, sich als HIV-positiv zu outen.

Die Belastungen, denen sich die Betroffenen ausgesetzt sehen, sind enorm: Soll ich mich überhaupt testen lassen, wenn ich glaube, mich infiziert zu haben? Droht mir eventuell eine Anzeige von Seiten eines Sexualpartners aus früheren Zeiten? Stehe ich als HIV-Positiver, der sexuell aktiv ist, immer schon mit einem Bein im Gefängnis und am öffentlichen Pranger? In all dem sehen wir die direkte Folge des ebenso brachialen wie die Menschenwürde verletzenden Vorgehens der Strafverfolgungsbehörden. Damit aber werden unsere Präventionsaussagen konterkariert. Seit langem vertreten wir die Ansicht, dass nur der verantwortungsvoll mit einer Infektion umgehen kann, der früh um sie weiß und haben deshalb in den letzten Jahren dazu aufgerufen, sich bei einem begründeten Verdacht auf eine Infizierung testen zu lassen. Es ist absehbar, dass sich als Folge der Affäre um die verhaftete Sängerin die Einstellung breit macht, es sei besser, sich nicht testen zu lassen, nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß und unangreifbar für strafrechtliche Verfolgung.

Zum Fall Nadja B. stellen wir fest, dass es sich um einen veritablen Justizskandal handelt. Vor allem sehen wir durch das Vorgehen der Staatsanwaltschaft und ihrer Informationspolitik die Unschuldsvermutung ausgehebelt. Überdies ist die Intimsphäre der Sängerin aufs Gröbste verletzt worden. Durch die Lancierung ihrer HIV-Infektion wurden ihre Persönlichkeitsrechte verletzt und sie gegen ihren Willen als Positive geoutet. In eklatanter Weise wurde damit der Schutz der menschlichen Würde einem nachgeordneten Rechtsgut geopfert. Wir plädieren dafür, dass sich Staat und Justiz aus den sexuellen Beziehungen erwachsener Menschen weitestgehend heraus zu halten haben. Alle Fälle, in denen Gewalt eine Rolle spielt und die Integrität eines anderen Menschen verletzt wird, bilden eine Ausnahme. Selbstverständlich stellt auch die vorsätzliche Infektion eines Sexualpartners mit dem HI-Virus einen Straftatbestand dar. Zur Bewertung und eventuellen strafrechtlichen Verfolgung reichen unserer Ansicht nach die bestehenden Gesetze vollkommen aus.

Wir gewinnen den Eindruck, dass sowohl hinter der Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft im Fall von Nadja B. als auch der zum Teil reißerischen Berichterstattung die ebenso irrige wie diskriminierende Vorstellung steckt, HIV-Positive sollten grundsätzlich keinen Sex haben.

Statt die Menschen im Umgang mit sexuellen Begegnungen durch Aufklärung und Informationen zu stärken, bürdet die Kriminalisierung den HIV-Infizierten ein unverhältnismäßiges Mehr an Verantwortung und Schuldzuschreibungen auf.

Internet: AIDS-HILFE FRANKFURT IM WELTNETZ

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