LANDTAGSWAHL HESSEN – INTERVIEWS MIT VIER PARTEIEN

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Am 22. September wählt Hessen einen neuen Landtag. Wir haben Vertreter von CDU, SPD, FDP und den Grünen zum landespolitischen Check befragt. Hier ihre Antworten. •bjö

JÜRGEN GASPER (SPD)

BESSERE BILDUNG FÜR MEHR TOLERANZ

Jürgen Gasper (52) ist SPD-Kandidat in den Bezirken Bornheim, Nordend und Ostend. Der schwule Verwaltungsrichter macht sich unter anderem stark für Homo-Rechte. •bjö

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GUTE BILDUNG IST EINES IHRER WAHLKAMPFTHEMEN – WIE KÖNNTE MAN HOMO- UND GENDERTHEMEN BESSER IN DEN BILDUNGSPLÄNEN UND IM SCHULUNTERRICHT EINBETTEN?

Bildungseinrichtungen haben neben der bildenden und berufsvorbereitenden Funktion auch die Aufgabe, Kinder zu sozialen und toleranten Menschen zu erziehen. Um Ausgrenzung, Homophobie oder Begriffe wie „schwule Sau“ aus der Schule zu verbannen benötigt es sensible Lehrkräfte, die in Genderfragen weitergebildet werden müssen. So früh wie möglich muss in Lehreinrichtungen fachübergreifend auf unterschiedliche Formen sexueller Orientierung hingewiesen werden. Somit sollten alle Schulbücher schwule und lesbische Lebensweise als selbstverständlichen Bestandteil unseres gesellschaftlichen Lebens darstellen.

KÖNNTE ES MIT DER HESSEN-SPD EINEN EIGENSTÄNDIGEN LANDES-ETAT ZUR UNTERSTÜTZUNG LESBISCHER, SCHWULER UND TRANSIDENTER EINRICHTUNGEN GEBEN?

Ja, dies würde ich begrüßen. Auf welche Weise und wie die Förderung lesbischer, schwuler und transidenter Einrichtungen in einer Regierung mit SPD Beteiligung geregelt wird, muss in Koalitionsverhandlungen geklärt werden. Ich gehe aber davon aus, dass in einer Regierung von SPD und GRÜNEN Einigkeit über die Notwendigkeit der Förderung besteht und sie im zuständigen Ministerium einen eigenen Haushaltstitel ausweisen wird.

DIE ANTIDISKRIMINIERUNGSSTELLE DES BUNDES BIETET MIT DER SOGENANNTEN „KOALITION GEGEN DISKRIMINIERUNG“ DIE MÖGLICHKEIT FÜR LÄNDER UND KOMMUNEN, SICH GEMEINSAM GEGEN DISKRIMINIERUNG EINZUSETZEN. HESSEN IST DIESER KOALITION BISLANG NICHT BEIGETRETEN – WIE STEHT DIE SPD DAZU?

Die SPD würde einen Beitritt Hessens zu dieser Koalition gegen Diskriminierung sicher unterstützten. Bislang sind mit Schleswig-Holstein, Hamburg, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Berlin, Bremen, Thüringen nur Länder mit SPD Regierungsbeteiligung der Koalition gegen Diskriminierung beigetreten.

BETTINA M. WIESMANN (CDU)

NOCH ZURÜCKHALTEND

Die hessische CDU-Landtagsabgeordnete Bettina M. Wiesmann (46) ist Kandidatin der Landtagswahl in den Frankfurter Stadtteilen Bornheim, Nordend und Ostend. Sie gehört zum liberalen Teil der CDU, der sich auch für Gleichberechtigung von Homosexuellen einsetzt. •bjö

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EIN WAHLKAMPFPAROLE DER HESSISCHEN CDU LAUTET „FÜR HESSEN ALS FAMILIENLAND“. ERST KÜRZLICH HAT SICH DIE HESSISCHE CDU ABER ERNEUT GEGEN DAS ADOPTIONSRECHT FÜR GLEICHGESCHLECHTLICHE LEBENSPARTNERSCHAFTEN AUSGESPROCHEN. WIE KANN DIE CDU IN HESSEN HOMO-POLITISCH AUFHOLEN?

„Für Hessen als Familienland“ formuliert das Engagement der CDU: Ausbau und Qualität in der Kinderbetreuung, Familienhebammen und Familienzentren, Förderung für benachteiligte Kinder und ihre Eltern, Familiensplitting in Ergänzung zu Ehegatten- bzw. Partnersplitting kommen selbstverständlich allen Kindern und Familien zu Gute. Beim Thema gemeinschaftliche Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare ist die CDU – auch ich – noch zurückhaltend, da es in dieser Frage nicht nur um Gleichberechtigung, sondern insbesondere um das Kindeswohl geht. Ich möchte zunächst prüfen, was Wissenschaft und Fachpraxis dazu sagen. Klar ist aber auch, dass Liebe und Zuwendung die wichtigsten Voraussetzungen fürs Kindeswohl sind. Und schlussendlich sind auch die Hinweise des Verfassungsgerichts zu beachten.

KÖNNTE ES MIT DER CDU IN HESSEN EINEN EIGENSTÄNDIGEN LANDES-ETAT ZUR UNTERSTÜTZUNG LESBISCHER, SCHWULER UND TRANSIDENTER EINRICHTUNGEN, ZUM BEISPIEL AUCH FÜR DEN BEREICH SCHULE/BILDUNG, GEBEN?

Die Frage stellt sich nicht, da wir im Zuge der Schuldenbremse erhebliche Einsparungen vornehmen müssen. Wie wichtig wir Themen nehmen, definiert sich auch nicht zwangsläufig darüber, wie viel Geld wir dafür ausgeben. Dass noch Vorurteile oder Diskriminierungen gegenüber verschiedenen sexuellen Orientierungen abgebaut werden müssen, halte ich für selbstverständlich; es ist eine Aufgabe, die wir mit den bestehenden Mitteln von Aufklärung, Toleranzerziehung und Gesellschaftspolitik lösen können.

DIE ANTIDISKRIMINIERUNGSSTELLE DES BUNDES BIETET MIT DER SOGENANNTEN „KOALITION GEGEN DISKRIMINIERUNG“ DIE MÖGLICHKEIT FÜR LÄNDER UND KOMMUNEN, SICH GEMEINSAM GEGEN DISKRIMINIERUNG EINZUSETZEN. HESSEN IST DIESER KOALITION BISLANG NICHT BEIGETRETEN – WIE STEHT DIE CDU ZU DIESEM THEMA?

Die hessische Gesellschaft ist von Vielfalt geprägt. Dennoch werden Menschen auch hier tagtäglich diskriminiert. Das wollen wir nicht! Seit Mitte 2012 gibt es in Hessen das „Netzwerk gegen Diskriminierung Hessen“, dessen Aufbau die Antidiskriminierungsstelle des Bundes beratend begleitet hat. In ihm sind über 70 hessische Organisationen zusammengeschlossen.

Benachteiligende Strukturen werden kenntlich gemacht, und Betroffenen werden Wege aufgezeigt, sich gegen Ungleichbehandlung zur Wehr zu setzen. Auch eine Beschwerde- und Beratungshotline wurde geschaltet. Ich halte dies für einen guten Weg.

KAI KLOSE (DIE GRÜNEN)

GLEICHSTELLUNG UNTERSTÜTZEN

Die Grünen haben sich seit jeher stark für Homothemen engagiert – wir haben den lesben- und schwulenpolitischen Sprecher der GRÜNEN im Hessischen Landtag, Kai Klose (39), nach den landesrechtlichen „Baustellen“ der Homopolitik befragt. •bjö WWW.KAI-KLOSE.DE

DIE ANTIDISKRIMINIERUNGSSTELLE DES BUNDES BIETET MIT DER SOGENANNTEN „KOALITION GEGEN DISKRIMINIERUNG“ DIE MÖGLICHKEIT FÜR LÄNDER UND KOMMUNEN, SICH GEMEINSAM GEGEN DISKRIMINIERUNG EINZUSETZEN. HESSEN IST DIESER KOALITION BISLANG NICHT BEIGETRETEN – WIE STEHEN DIE GRÜNEN ZU DIESEM THEMA?

Eine Landesregierung mit GRÜNER Beteiligung würde der Koalition selbstverständlich beitreten. Der Kampf gegen Diskriminierung endet mit der fast erreichten rechtlichen Gleichstellung nicht. Deshalb werden wir zum Beispiel auch mit einem Aktionsplan für Vielfalt und Akzeptanz als Land dazu beitragen, die nach wie vor bestehenden Mauern in den Köpfen niederzureißen. Hessen ist bunt und das ist eine große Stärke – nur CDU und FDP haben das immer noch nicht kapiert.

WELCHE WEITEREN HOMOPOLITISCHEN THEMEN SIND DEN GRÜNEN AUF LANDESEBENE WICHTIG?

Wir haben im vergangenen Jahr dafür gesorgt, dass der Hessische Landtag sich bei den Opfern des unsäglichen Paragraphen 175 StGB entschuldigt, und eine Ausstellung und Dokumentation über ihr Schicksal beauftragt hat. Wir wollen eine angemessene Darstellung sexueller Orientierung und queerer Lebensweisen in den Lehrplänen, und wir werden im Bundesrat alle Maßnahmen zur Gleichstellung und zur Öffnung der Ehe unterstützen.

IN FRANKFURT GIBT ES SEIT LANGEM EINE SCHWARZ-GRÜNE KOALITION – KÖNNTE MAN SICH DAS AUCH AUF LANDESEBENE VORSTELLEN?

Wer die hessische CDU und ihre Protagonisten – zum Beispiel Erika Steinbach und Christean Wagner – kennt, weiß, dass mit ihr keine moderne Gesellschafts- und keine nachhaltige Umwelt- und Wirtschaftspolitik zu machen ist. Starke GRÜNE sind die Voraussetzung dafür, dass die Bleiernis der 15 Jahre Schwarz-Gelb in Hessen endlich ein Ende hat und Hessen zu einer Politik für Morgen wechselt. Dafür kämpfen wir, und auch ich ganz persönlich.

Jörg-Uwe Hahn (FDP)

VIELFALT UND TOLERANZ LEBEN

Der hessische Justizminister und stellvertretende Hessische Ministerpräsident Jörg-Uwe Hahn (56) ist Landtags-Spitzenkandidat der Hessischen FDP. Im Interview nimmt er Stellung zu homopolitischen Fragen. •bjö

WWW.JOERG-UWE-HAHN.DE

SIE HABEN IM JULI BEI DER AKTUELLEN FRAGESTUNDE IM LANDTAG ZUM THEMA „ADOPTIONSRECHT“ EINEN VORSTOSS GEWAGT UND ZU EINER UMFASSENDEN RECHTLICHEN GLEICHSTELLUNG GLEICHGESCHLECHTLICHER LEBENSPARTNERSCHAFTEN AUFGERUFEN; GEGEN DEN KOALITIONSPARTNER CDU KONNTE MAN SICH LEIDER NICHT BEHAUPTEN. WO KANN MAN IN ZUKUNFT MEHR HOMOPOLITISCHEN EINSATZ SEITENS DER HESSISCHEN FDP ERWARTEN?

Beim Adoptionsrecht handelt es sich um ein bundespolitisches Thema. Die FDP will das volle Adoptionsrecht für eingetragene Lebenspartner. Dafür gab es bislang auf Bundesebene keine Mehrheit. Sollten die Wählerinnen und Wähler uns das Vertrauen aussprechen, wird das sicherlich bei den Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU ganz weit oben stehen. Nachdem wir bereits in Hessen 100 Prozent rechtliche Gleichstellung umgesetzt haben, müssen wir das nun auf Bundesebene auch noch erreichen.

KÖNNTE ES MIT DER FDP IN HESSEN EINEN EIGENSTÄNDIGEN LANDES-ETAT ZUR UNTERSTÜTZUNG LESBISCHER, SCHWULER UND TRANSIDENTER EINRICHTUNGEN GEBEN?

Wichtig sind für mich zwei Dinge. Erstens, dass sich sehr viel im gesellschaftlichen Klima verbessert hat. Dass wir bunte Straßenfeste feiern, Vielfalt und Toleranz leben, und dass wir zum Beispiel im öffentlichen Dienst Ehe und Lebenspartnerschaften völlig gleich behandeln. In Hessen ist es egal ob man hetero, schwul oder lesbisch ist. Das finde ich gut so. Zweitens muss die Arbeit lesbischer, schwuler und transidenter Einrichtungen weiter unterstützt werden. Und da sind alle gesellschaftlichen Gruppen aufgerufen sich einzubringen, das Land genauso wie die Kommunen oder Verbände, aber auch die Community und die Bürgerinnen und Bürger untereinander.

DIE ANTIDISKRIMINIERUNGSSTELLE DES BUNDES BIETET MIT DER SOGENANNTEN „KOALITION GEGEN DISKRIMINIERUNG“ DIE MÖGLICHKEIT FÜR LÄNDER UND KOMMUNEN, SICH GEMEINSAM GEGEN DISKRIMINIERUNG EINZUSETZEN. HESSEN IST DIESER KOALITION BISLANG NICHT BEIGETRETEN – WIE STEHT DIE FDP ZU DIESEM THEMA?

Das Land Hessen ist auf Vorschlag der FDP der Charta der Vielfalt beigetreten. Darin sind positiv die Ziele Toleranz und Vielfalt festgeschrieben. Das gute an der Charta der Vielfalt ist, dass die Initiative dazu aus der Mitte der Gesellschaft kam und sich mittlerweile bundesweit circa 1.500 Unternehmen, aber auch Kommunen und Sportvereine daran beteiligen. Bei der Koalition gegen Diskriminierung sollten wir einen Beitritt prüfen. Wichtig ist, dass wir damit tatsächlich Veränderungen erreichen können, und nicht nur eine neue Bürokratie aufgebaut wird.

BETTINA M. WIESMANN (CDU)

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