GENITALVERSTÜMMELUNG IN DEUTSCHLAND

Beim Wort Genitalverstümmelung denken die meisten Menschen unweigerlich an blutige Rituale auf dem afrikanischen Kontinent. Wenigen ist bewusst, dass auch in Deutschland jeden Tag ein Kind irreversibel genitalverstümmelt wird. Interesexuell geborene Kinder werden meist kurz nach der Geburt chirurgisch „angepasst“.

Anlässlich der ab heute in Potsdam abgehaltenen Tagungen der „Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (DGKJ)“ und der „Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH)“ ruft die Menschenrechtsorganisation „Zwischengeschlecht.org“ zu Protesten auf und bietet eigene Informationsveranstaltungen an. •ck

PROTESTE UND INFOVERANSTALTUNG POTSDAM-BABELSBERG AM 16.+18. SEPTEMBER

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org protestiert anlässlich der „DGKJ 2010“ vor Ort in Potsdam-Babelsberg – gegen die täglichen Verstümmelungen und gegen die Untätigkeit von Justiz und Politik:

- Bewilligter friedlicher Protest während der Mediziner-Pressekonferenz zur Eröffnung der „DGKJ 2010“ am 16.9. von 12:30–15:30 Uhr.

- Mahnwache während der parallel stattfindenden Jahresversammlungen von DGKJ und DGKCH am 18.09. von 15:30–18:30 Uhr.

- Informationsveranstaltung zu den Protesten, 16.9., 20Uhr im TRISTEZA, Pannierstr. 5, U Hermannplatz

In Köln liest Christiane Völling, die als erster (und immer noch einziger) Zwitter ihren ehemaligen Chirurgen vor Gericht brachte und gegen ihn gewann aus ihrem Buch „Ich war Mann und Frau. Mein Leben als Intersexuelle“. Mit anschließendem Gespräch und Diskussion. Ebenfalls anwesend: Buch-Co-Autorin Britta Dombrowe, die eine Dokumentation drehte, die am 8.10 um 21:45 Uhr auf ARTE erstausgestrahlt wird.

FRAUENBUCHLADEN „BUCH AM DREIECK“, 19:30 UHR.

HINTERGRUND

Seit Jahrzehnten werden in Deutschland Kinder mit „auffälligen“ Geschlechtsorganen (Zwitter / Intersexuelle / Hermaphroditen) systematisch „kosmetisch“ zwangsoperiert, um aus ihnen „unauffällige“ Jungen und Mädchen zu machen – ohne ihre Einwilligung und ohne dass die angebliche „Wirksamkeit“ der verstümmelnden Operationen je klinisch geprüft worden wäre. Dabei wird von den behandelnden Medizinern in Kauf genommen, dass das sexuelle Empfinden vermindert oder gänzlich zerstört wird. Viele dieser Kleinkinder werden obendrein kastriert und dadurch ihr Leben lang von gesundheitschädigenden „Hormonersatztherapien“ abhängig gemacht.

Das durch diese medizinisch nicht notwendigen Zwangsoperationen an Kleinkindern verursachte Leid ist längst auch durch wissenschaftliche Studien dutzendfach belegt, auch in der Bundesrepublik. Ebenso bestätigen Experten, dass die Zwangseingriffe ethische Grundsätze verletzen, gegen Grund- und Menschenrechte verstoßen und auch strafrechtlich nicht haltbar sind.

Seit Jahren beklagen internationale Menschenrechtsorganisationen die kosmetischen Genitaloperationen an Kindern als „fundamentalen Verstoß gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit“ (Amnesty Deutschland), und unterstreichen die Parallelen zur weiblichen Genitalverstümmelung in Afrika (Terre des Femmes).

2009 wurde in Köln erstmals ein Chirurg letztinstanzlich zu einer Schmerzensgeldzahlung von 100.000 Euro verurteilt. Ebenfalls 2009 rügte das UN-Komitee CEDAW die Bundesregierung wegen Verletzung ihrer Schutzpflicht gegenüber zwischengeschlechtlichen Kindern.

2010 bestätigte der Deutsche Ethikrat: „Der Umgang mit der Intersexualität berührt eine Reihe medizin-, rechts- und sozialethischer Fragen, insbesondere das Recht auf körperliche Unversehrtheit.“ •zwischengeschlecht.org

Internet: ZWISCHENGESCHLECHT.ORG

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