Schweizer Jugend: Knapp ein Viertel findet schwule Küsse ekelhaft

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Foto: twitter.com/guskenworthy

Eine neue Studie des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) hat ergeben, dass Homophobie in Teilen der Schweizer Bevölkerung noch immer fest verwurzelt ist. Queere Organisationen fordern ein Umdenken an den Schulen – Homosexualität dürfe im Unterricht nicht mehr als etwas Außergewöhnliches präsentiert werden.

Die NZZ veröffentlichte am 13. Januar die Ergebnisse einer bislang unveröffentlichten Studie des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention an der ZHAW. Demnach halten 10,8 Prozent der Schweizer*innen Homosexualität für etwas Unmoralisches. 22,7 Prozent der Befragten sind gegen die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare.

Kein Generationenproblem

Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass Homophobie, wie häufig angenommen, bei weitem kein Generationenproblem zwischen alt und jung ist. Eine Vergleichsstudie aus dem Jahr 2017 ergab, dass ein großer Teil der Jugendlichen homophob ist: Damals stimmten 14,3 Prozent der Jugendlichen der Aussage zu, Homosexualität sei unmoralisch. Fast 30 Prozent lehnten die Ehe für Schwule und Lesben ab. Der aktuellen ZHAW-Erhebung zufolge finden es 23,3 Prozent der Jugendlichen „ekelhaft“, wenn sich Homosexuelle in der Öffentlichkeit küssen.


Überkommene Wertmaßstäbe der Eltern in der Schule aufbrechen

Vera Studach, Chefin der sexualpädagogischen Fachstelle liebesexundsoweiter, überraschen diese Ergebnisse nicht. „Bei unseren Einsätzen sind wir des Öfteren mit homophoben Äußerungen konfrontiert“, sagte sie gegenüber Watson. Homophobie unter Jugendlichen, so Studach, basiert auf Vorurteilen und Fehlinformationen. Außerdem sei sie stark von den Wertmaßstäben der Eltern sowie von religiösen oder kulturellen Einflüssen abhängig:

„Jugendliche stehen noch stark unter Einfluss ihres Elternhauses Gibt es dort eine homophobe Tendenz, ist es wahrscheinlich, dass die Jugendlichen diese übernehmen – jedenfalls bis sie mit Kritik und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Thema konfrontiert werden und die Ansicht ihrer Eltern hinterfragen.“

Muriel Waeger, Co-Geschäftsführerin der Lesbenorganisation Schweiz (LOS), fordert deshalb ein Umdenken an den Schulen und grundlegende Veränderungen im Unterricht. Homosexualität dürfe nicht länger als etwas Außergewöhnliches präsentiert werden, sagte sie. Denn das „hinterlässt Spuren in den jungen Köpfen.“ Waeger plädiert dafür, die verschiedenen sexuellen Orientierungen in den Schulstoff zu integrieren,

„also zum Beispiel im Französischkurs explizit darüber zu sprechen, dass die homosexuelle Affäre von Dichter Arthur Rimbaud sein Werk stark beeinflusst hat.“

Berlin und Baden-Württemberg als Vorbild?

Grafik: Ralf Ricker

Im Prinzip ist dieser Ansatz das, was in Deutschland 2009 Berlin mit der Initiative sexuelle Vielfalt ziemlich geräuschlos,  einführte. Als Baden-Württemberg 2014 mit dem Bildungsplan Vielfalt nachzog, standen Eltern der oben erwähnte religösen und nationalistischen Milieus zusammen mit Beatrix von Storch und Hedwig von Beverfoerde auf den Plätzen und kreierten den Fakenews-Dauerbrenner von der angeblichen Frühsexualisierung und Indoktrination von Kindern (männer* Dossier). Heute haben bis auf Bayern alle Bundesländer entsprechende Maßnahmen verabschiedet.Trotz der teilweise hysterischen, aber gut finanzierten Kampagnen von Fundamentalisten und Rechtspopulisten.

Die Schweiz stimmt im Februar darüber ab, Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung künftig unter Strafe zu stellen. Hassverbrechen wären dann auch homophobe Äußerungen in den sozialen Medien. Das Schweizer AfD-Pendant SVP und seine Medien wie Roger Köppels Weltwoche laufen Sturm gegen die Strafbarkeit von Hassrede und sehen, Achtung DejaVu: Meinungsfreiheit und (Stammtisch)kultur gefährdet, wenn Schwulenwitze verboten seien. 


Foto: S. Ahlefeld

Roman Heggli vom Schwulenverband Pink Cross versucht im Deutschlandfunk zu versachlichen:

„Doch, doch… doch Schwulenwitze sind immer noch möglich. Stammtischgespräche sind hier nicht betroffen, sondern es geht wirklich um den öffentlich gerichteten Aufruf zu Hass, also beispielsweise, wenn man von einer Bühne spricht oder eben im Internet für alle zugänglich gegen uns als Gruppe hetzt.“

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