Trans*-Aktivistin mischt Armenien mit Rede im Parlament auf

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Mit einer drastischen Rede vor der Nationalversammlung in Jerewan hat Trans*-Aktivistin Lilit Martirosyan eine Debatte über Homo- und Transphobie in Armenien in Gang gesetzt. Die EU-Delegation des Landes reagierte mit einem Aufruf zur Wahrung queerer Menschenrechte, die Sprecherin des Außenministeriums blockt mit Verweisen auf die „öffentliche Moral“ ab. 

Foto: facebook.com/lilit.martirosyan.716195

Als „Revoluion“ bezeichnete Lilit Martirosyan die bloße Tatsache, dass sie als Sprecherin einer LGBTIQ*-Organisation überhaupt eine Rede vorm Plenum der armenischen Nationalversammlung halten durfte. Gleichgeschlechtlicher Sex ist in der Kaukasusrepublik nicht verboten, aber LGBTIQ* sehen sich immer wieder massiven Anfeindungen durch rechte und religiöse Gruppen ausgesetzt, Antidiskriminierungsgesetze existieren nicht und besonders Trans*-Personen sind Zielscheibe von Hassverbrechen.

So nutzte Martirosyan bei ihrer Rede am 5. April die Gelegenheit, um über 238 LGBTIQ*-feindliche Übergriffe zu berichten und die Situation von Trans*-Personen in Armenien mit dem drastischen Fazit zusammenzufassen: „Gefoltert, verschleppt, entführt, verbrannt, bestohlen, getötet, attackiert, ausgestoßen, mundtot gemacht und diskriminiert.“ 

Armeniens EU-Delegation reagierte, indem sie am Dienstag eine offizielle Stellungnahme veröffentlichte, in der die Abgeordneten forderten: „Die EU ruft alle Armenier, die an die Universalität der Menschenrechte glauben, auf, Hassrede zu verurteilen und fordert von Strafverfolgungsbehörden, Schritte einzuleiten, die die körperliche Unversehrtheit armenischer Staatsbürger garantieren, und strafrechtliche Ermittlungen gegen Hassverbrecher in die Wege zu leiten.“ 

Daraufhin wiederum reagierte Außenministeriumssprecherin Anna Naghdalyan am Mittwoch, mit einer schriftlichen Stellungnahme, in der sie auf die Sitten ihres Landes verwies: „Unsere internationalen Partner sollten der armenischen Gesellschaft Respekt und Sensibilität entgegenbringen und von unangemessenen Einmischungen in öffentliche Debatten absehen, auch wenn ihnen deren Tonalität missfällt. Armeniens Behörden halten am Schutz der verfassungsmäßigen Rechte aller Bürger fest. (...) Wir möchen daran erinnern, dass das Prinzip der öffentlichen Moral ein Bestandteil internationaler Bemühungen um Menschenrechte ist und nicht ignoriert werden kann.“

Für den Verweis auf die öffentliche Moral im Angesicht roher Gewalt gegen LGBTIQ* erntet Naghdalyan nun viel Kritik von internationalen Diplomaten und Aktivisten. Unter anderem kommentierte der stellvertretende Vorsitzende von Human Rights Watch Giorgi Gogia: „Das Prinzip der öffentlichen Moral? Ist das ein Gegengewicht für Menschenrechte? Hat eine Trans*-Frau, die vor dem Parlament über Diskriminierung gesprochen hat, die sie in Armenien erlebt, in irgendeiner Form die öffentliche Moral verletzt, nur weil sie ist wer sie ist oder weil sie öffentlich darüber berichtet? Denken Sie noch mal nach.“ 

Naghdalyan blieb bei ihrem Standpunkt. Die Debatte dürfte damit aber nicht beendet sein. Die „Revoluion“ der Lilit Martirosyan hat erst begonnen.

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