Britischer Fußballstar bekennt anonym: „Ich bin schwul!“

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Wird es einem aktiven Fußballprofi bald möglich sein, sich als schwul zu outen? In einem anonym veröffentlichten Brief spricht ein Profi der britischen Premier League von seinen zwei Leben, dem täglichen Kampf und der Angst vor einem Coming-out. Betreut wird der Spieler von der Justin Fashanu Foundation, die auch den Brief veröffentlichte. Justin Fashanu war 1990 der erste aktive Fußballer in Großbritannien, der sich outete – acht Jahre später nahm er sich das Leben.

In dem Brief, der unter anderem von der Tageszeitung „The Mirror“ veröffentlicht wurde, wendet der Fußballer sich anonym an Führungskräfte und Fans von Fußballclubs und spricht von seiner inneren Zerrissenheit und den täglichen Qualen, denen er ausgesetzt ist. Weder sein Manager noch seine Teamkameraden wissen von seiner Homosexualität – geoutet ist er nur vor einigen Familienmitgliedern und Freunden. Aber er drückt auch seine Hoffnung aus, dass er sich gegenüber seinen Kollegen „in naher Zukunft“ outen kann.

„Als Kind wollte ich immer nur Fussballer werden. Ich war nicht daran interessiert, in der Schule gut abzuschneiden. Statt Hausaufgaben zu machen, verbrachte ich jede freie Minute mit einem Ball. Am Ende zahlte sich das aus. [...] Es gibt jedoch etwas, das mich von den meisten anderen Spielern in der Premier League unterscheidet. Ich bin schwul. Schon das in diesem Brief niederzuschreiben, ist ein großer Schritt für mich.“

Vor einigen Wochen outete sich der britische Ex-Fußballprofi Thomas Beattie als schwul. Das Outing fand, wie das von Thomas Hitzlsperger im Jahr 2014, nach der aktiven Karriere statt. In den letzten Monaten häuften sich weltweit die Coming-outs im Profisport, darunter im Basketball (wir berichteten) und in der Leichtathletik (wir berichteten). Nicht dabei: Das Coming-out eines aktiven Profi-Fußballers. 


Was hält ihn davon ab, sich öffentlich zu outen?

Foto: Public Domain / CC0

Es ist eines der am meisten diskutierten Fußball-Themen der letzten Jahre: Was müsste ein schwuler Fußballstar ertragen? Der Verfasser des Briefes macht deutlich: Derzeit wäre es einfach noch zu viel. Das veröffentlichte Schreiben ist zugleich auch ein Hilferuf. Der Spieler wendet sich darin an den britischen Berufsfußballverband, die PFA. Zu wenig wird getan, das wirklich helfen würde, den Fußball dauerhaft zu verändern, so der Profispieler.

„Der Berufsfußballverband sagt, er sei bereit, einem Spieler zu helfen, sich zu outen. Und sie haben gesagt, dass sie Beratung und Unterstützung für jeden anbieten werden, der sie braucht. Das geht am Thema vorbei. Wenn ich einen Betreuer brauche, kann ich jederzeit eine Sitzung mit einem Berater buchen. Was diejenigen, die das Spiel leiten, vorantreiben müssen, ist die Aufklärung der Fans, Spieler, Manager, Agenten, Klubbesitzer - im Grunde allen, die mit dem Spiel zu tun haben. Wenn ich diesen Schritt machen würde, würde ich wissen wollen, dass ich bei jedem Schritt auf meinem Weg unterstützt werde. Im Moment habe ich nicht das Gefühl, dass das so wäre.“

Foto: Dictum Media / CC BY 3.0 / wikimedia.org

Also kommt ein öffentliches Coming-out für ihn nicht in Frage? Nein, erklärt er. Noch nicht. Zu einem Outing als aktiver Spieler fühle er sich derzeit einfach nicht in der Lage. Verzichten auf seine Karriere, auf den Fußball und die finanzielle Unabhängigkeit könne er auch nicht. Er macht deutlich, dass er sich wünsche, nicht mehr so leben zu müssen. Doch er habe keine Wahl: Die Realität, so der Fußballspieler, ist, dass es im Fußball noch immer sehr viele Vorurteile gibt. Homophobe Sprechchöre und schwulenfeindliche Kommentare von Fans wären an der Tagesordnung. 

„Von Tag zu Tag kann es ein absoluter Albtraum sein. Und es beeinträchtigt meine psychische Gesundheit mehr und mehr. Ich fühle mich gefangen, und ich habe die Befürchtung, dass die Enthüllung der Wahrheit darüber, was ich bin, alles nur noch schlimmer macht.“

Foto: Jsimps28 / CC BY-SA 4.0 / wikimedia.org

Auch auf eine liebevolle Beziehung und einen Partner, der ihm Kraft gibt, habe er bislang verzichten müssen, erzählt der Profi.

„Aber eine Sache, die ich vermisse, ist Gesellschaft. Ich bin in einem Alter, in dem ich gerne in einer Beziehung wäre. Aber aufgrund meiner Arbeit muss das Vertrauen in einen langfristigen Partner extrem hoch sein. Im Moment vermeide ich also Beziehungen überhaupt. Ich hoffe sehr, dass ich bald jemanden kennenlerne, dem ich genug vertrauen kann.“

Sein derzeitiger Plan: So lange aktiv zu spielen, wie er den Spagat psychisch verkrafte – und sich öffentlich zu outen, sobald er im Ruhestand sei. Wie lange er die Situation aushalten und trotzdem aktiv spielen könne, das wisse er nicht. Der anonyme Briefeschreiber lobt Thomas Beattie. Dessen Coming-out letzten Monat sei ein großartiges Zeichen gewesen. Auch die Unterstützung der Justin Fashanu Foundation habe ihm sehr geholfen, mit den Auswirkungen der Situation auf seine Psyche fertig zu werden. Doch die Belastung sei dennoch manchmal kaum zu ertragen. Der Fußballprofi schließt seinen Brief mit den Worten:

„Aber Seelenfrieden ist unbezahlbar. Und ich will nicht ewig so leben.“

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