Homosexualität im Fußball: Hitzlsperger erhält Bundesverdienstkreuz

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Am 1. Oktober wird dem ehemaligen Nationalspieler der Bundesverdienstorden verliehen – wegen seines Einsatzes für die Enttabuisierung von Homosexualität im Fußball. In Großbritannien hat sich derweil ein weiterer Profifußballer anonym zu seiner Angst vor einem Coming-out während seiner aktiven Karriere geäußert.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeichnet am 1. Oktober im Schloss Bellevue 15 Bürger*innen mit dem Bundesverdienstkreuz aus, dem Verdienstorden der Bundesrepublik. Das Motto dieses Jahr: „Vereint und füreinander da“. Hitzlsperger wird unter anderem für seinen Einsatz gegen Diskriminierung im Profisport ausgezeichnet. Auch der Virologe Christian Drosten erhält den Orden – für seine Stimme des Wissens und der Vernunft in der Corona-Krise.


Hitzlsperger hat „...Thema Homosexualität im Fußball und Sport enttabuisiert“ 

Foto: Bundesregierung/Steffen Kugler

2014 outete Hitzlsperger sich als erster deutscher Ex-Profi als schwul. Seitdem hat er sich stark ehrenamtlich engagiert, unter anderem in den Projekten „Fußball für Vielfalt - Fußball gegen Homophobie und Sexismus“ und „Gesicht zeigen - für ein weltoffenes Deutschland“. Anfang des Jahres feierte er einen großen beruflichen Erfolg: Er wurde Vorstandsboss des VfB Stuttgart (wir berichteten).

In der Begründung des Bundespräsidialamtes zur Nominierung des 38-Jährigen heißt es, sein Engagement habe gezeigt, wie wichtig der Abbau von Vorurteilen für ein gelingendes Zusammenleben in einer offenen Gesellschaft sei:

„Durch sein öffentliches Coming-out 2014 als erster ehemaliger Fußballnationalspieler in Deutschland hat er das Thema Homosexualität im Fußball und Sport enttabuisiert und zu einer breiten und sachlichen Debatte über Diskriminierung im Sport beigetragen.“

Hitzlsperger sagte der Presseagentur dpa, für die Ehrung ausgewählt zu sein erfülle ihn mit „großer Freude“. Persönlich erlebe er eine in kleinen Schritten, aber stetige Verbesserung im Umgang des Profifußballs mit Homosexualität. Er habe seinen Weg frei von Vorurteilen bis an die Spitze eines Bundesligavereins gehen können.

„Die Auszeichnung ist eine Bestätigung dafür, dass mein gesellschaftspolitisches Engagement Wirkung zeigt und andere Menschen dazu motiviert, sich ebenfalls zu engagieren.“

Foto: www.thomas-hitzlsperger.de


Ein weiterer Profi fürchtet sich vor dem Coming-out

Von 2001 bis 2005 spielte Hitzlsperger auch beim britischen Spitzenverein Aston Villa, erreichte dort Kultstatus unter seinem ihm von Fans wegen seiner Schusskraft verliehenen Spitznamen „Hitz The Hammer“. Er war nach Justin Fashanu1 erst der zweite Profi, der sich nach einer Karriere in Großbritannien als schwul outete. Im Juni 2020 stand auch der Brite Thomas Beattie nach Ende seiner aktiven Spielzeit zu seiner Homosexualität. 

Kurz nach dessen Coming-out wurde ein anonymer Brief eines aktiven schwulen Fußballers bekannt, der sich dazu äußerte, warum auch er sich derzeit nur in der Lage sähe, sich erst nach seiner Karriere zu outen (wir berichteten). Nun veröffentlichte die Justin Fashanu Foundation, die auch den ersten Profi betreut, einen weiteren anonymen Brief eines anderen schwulen Profifußballers aus Großbritannien. 

Darin spricht dieser von seinem Leben, seiner Angst vor einem Coming-out und davon, was sich im Fußball ändern müsse. Seit seinem 14. Lebensjahr habe er gewusst, dass er schwul sei – etwas, das sich, wie ihm bewusst war, nicht gut mit seinem Berufswunsch des Fußballprofis vereinbaren ließe. 

„Jahrelang im Verborgenen zu leben, hat sich massiv auf meine psychische Gesundheit ausgewirkt. Und eine Beziehung zu führen ist für mich auch praktisch unmöglich.“

Bild: Lars Deike

Als er sich schließlich vor Familie und Freunden geoutet habe, sei vieles für ihn einfacher geworden – und durch ihre Liebe und Unterstützung habe er sogar die Kraft gefunden, sich einigen Mitspielern anzuvertrauen. Ein öffentliches Coming-out, so der Profi, käme derzeit jedoch absolut nicht in Frage.

„Es ist so traurig für mich, das zu sagen, aber obwohl sich die Gesellschaft seit meiner Teenagerzeit massiv weiterentwickelt hat, hat das Spiel das einfach nicht geschafft.“

Der Brief, der im Juli veröffentlicht wurde, habe ihn sehr berührt. Seitdem steht er mit der Justin Fashanu Foundation in Kontakt – und hofft, eines Tages auch den ersten Briefeverfasser kennenzulernen. Das Wissen, dass er nicht alleine sei und die Stiftung ihn unterstütze, mache das Leben ein wenig einfacher – aber es sei kein Dauerzustand. Er beendet seinen Brief mit den Worten: 

„[...] diejenigen, die den Fussball betreiben, müssen aufstehen und helfen, Veränderungen herbeizuführen.“


Foto: photographer695 / CC BY 2.0 / wikimedia.org

1 Justin Fashanu outete sich 1990 als homosexuell – während seiner aktiven Karriere. 1998 behauptete ein 17-Jähriger, Fashanu habe ihn vergewaltigt. Es begann eine mediale Hetzjagd, woraufhin Fashanu sich das Leben nahm. In seinem Abschiedsbrief erklärte er, offen schwul und berühmt zu sein, sei sehr hart gewesen. Er würde sich das Leben nehmen, weil er wisse, dass er wegen seiner Homosexualität keinen fairen Prozess bekäme. Der Junge hätte bereitwillig mit ihm Sex gehabt, am nächsten Tag aber Geld dafür gewollt. Als er dies abgelehnt habe, habe der 17-Jährige ihm gedroht.

Die ihm zu Ehren gegründete Justin Fashanu Foundation wird von seiner Nichte Amal Fashanu (Foto) geleitet.

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