Brüssel besorgt: Ungarns Regierung fechtet EuGH-Urteil an

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Die EU-Kommission hat sich besorgt über Ungarns Anfechtung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gezeigt. „Es ist für uns inakzeptabel, dass eine EuGH-Entscheidung vor dem ungarischen Verfassungsgericht angefochten wird“, sagte Justizkommissar Didier Reynders am Freitag zum Abschluss eines zweitägigen Besuchs in Budapest. Wenn der Vorrang von EU-Recht infrage gestellt werde, müsse die EU-Kommission reagieren.

Ungarn war im Dezember wegen seiner Asylpolitik verurteilt worden. Die EuGH-Richter bescheinigten Budapest die „rechtswidrige Inhaftierung“ von Migrant*innen in Lagern an der Grenze zu Serbien und die Abschiebung von Flüchtlingen ohne Beachtung der geltenden Garantien. In der Folge stellte die EU-Grenzschutzagentur Frontex ihre Arbeit in Ungarn ein.

Foto: Attila Kisbenedek / AFP

Im Oktober legte die rechtsnationalistische Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban dieses Urteil dem ungarischen Verfassungsgericht zur Prüfung vor. Der Schritt folgte auf eine umstrittene Entscheidung des Obersten Gerichts von Polen, das den Grundsatz des Vorrangs von EU-Recht vor nationalem Recht infrage gestellt hatte.


Verhältnis von Ungarn zur EU verschlechtert sich stetig

Orban hatte die polnische Entscheidung gegen scharfe Kritik aus Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten verteidigt. Er warf der EU vor, Ungarn und Polen eine „Feindseligkeit aus der Sowjetzeit“ entgegenzubringen und die Länder als „Feinde“ zu behandeln. Die EU-Kommission liegt schon seit Jahren in Fragen der Rechtsstaatlichkeit mit Ungarn und Polen über Kreuz. Urteile des EuGH hatte Budapest bislang jedoch stets akzeptiert – wenn auch widerwillig.

„Wenn wir feststellen, dass ein EuGH-Urteil nicht angewandt oder der Vorrang des EU-Rechts infrage gestellt wird, müssen wir reagieren, denn wir sind die Hüter der Verträge“, sagte Reynders. „Wir sind bereit, alle möglichen Verfahren einzuleiten, um sicherzustellen, dass die beiden wichtigsten Grundsätze für die Funktionsweise der EU, nämlich der Vorrang des EU-Rechts und die Verbindlichkeit von EuGH-Entscheidungen, gewahrt bleiben.“

Der Justizkommissar bekräftigte zudem die Kritik an einem umstrittenen ungarischen Gesetz zum Umgang mit Homosexuellen. Das Verbot von „Werbung“ für Homo- und Transsexualität stelle „eine Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung“ dar. „Wir wollen eine Änderung des Gesetzes, weil wir sicher sind, dass es einen Verstoß gegen EU-Recht gibt“, sagte der Belgier. *AFP/lm

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