Regierungskrise im Irak: Jetzt auch noch ein Homoverbot?

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Wie Middle East Eye berichtet, hat ein Mitglied des parlamentarischen Rechtsausschusses mit der Formulierung von Vorschlägen zum Verbot von Homosexualität begonnen, die seit fast zwei Jahrzehnten im Irak offiziell legal ist.

„Im Parlament wurde vereinbart, nach der Wiederaufnahme der Sitzung Unterschriften zu sammeln, um ein Gesetz zum Verbot von Homosexualität im Irak zu erlassen“, sagte Aref al-Hamami, Abgeordneter der vom ehemaligen Ministerpräsidenten Nouri al-Maliki geführten Koalition „Rechtsstaat“. „[Die] Gesetzgebung eines solchen Gesetzes wird durch gesetzliche Bestimmungen verstärkt werden, die Homosexualität und die damit verbundenen Perversionen verhindern.“

Obwohl Homosexualität im Irak nach der US-geführten, völkerrechtswidrigen Invasion von 2003, die Saddam Hussein stürzte, legalisiert wurde, haben Politiker und religiöse Führer des Landes immer wieder gegen die LGBTIQ*-Community gewettert. Gesetze, die „unanständige Handlungen“ unter Strafe stellen, wurden genutzt, um queere Menschen zu verfolgen. Viele Mitglieder und mutmaßliche Mitglieder der Community sind Todesdrohungen, Angriffen und regelrechten Mordversuchen durch bewaffnete Gruppen ausgesetzt.

Amir Ashour, Leiter der IraQueer-Rechtsgruppe, erklärte gegenüber Middle East Eye, dass das neue Gesetz solchen Angriffen Deckung bieten würde. „Es wird der irakischen Regierung ermöglichen, legal mit Mord davonzukommen und bewaffneten Gruppen und anderen Kriminellen, die weiterhin LGBTQ+-Bürger ins Visier nehmen, rechtlichen Schutz bieten“, sagte er.

„Es wird aber auch enorme Auswirkungen auf die Community haben, da queere Menschen und diejenigen, die sich für uns einsetzen, zusätzlich zu der außergerichtlichen Gewalt, der wir seit Jahrzehnten ausgesetzt sind, mit rechtlichen Konsequenzen rechnen müssen.“

Irak kommt nicht zur Ruhe

Seit den umstrittenen Wahlen im November 2021 konnte im Irak keine Regierung gebildet werden. Die Sairoon-Koalition unter Führung des einflussreichen schiitischen Geistlichen Muqtada al-Sadr gewann – bei erschreckend geringer Wahlbeteiligung – die meisten Sitze. Im vergangenen Monat wies er jedoch seine Abgeordneten an, sich aus dem Parlament zurückzuziehen, angeblich, um die festgefahrenen Verhandlungen mit einem rivalisierenden schiitischen Bündnis, das vom Iran unterstützt wird, zu beenden.

Muqtada al-Sadr hat in den letzten Jahren wiederholt gegen LGBTIQ gehetzt und sie für die Covid-19-Pandemie und die Ausbreitung anderer Krankheiten verantwortlich gemacht. In einer auf seinem Twitter-Account veröffentlichten Erklärung deutete al-Sadr an, dass die Affenpocken auf homosexuelles Verhalten zurückzuführen seien, da einige der ersten Fälle unter schwulen Männern aufgetreten seien. „Ich fordere sie [die Homosexuellen] auf, Buße zu tun“, schrieb er und rief dann zur Aufhebung der Gesetze auf, die die Rechte von Homosexuellen schützen, um „die Menschheit vor der Affenpockenepidemie oder dem, was wir Homosexuellenpocken nennen“, zu schützen. Außerdem schlug er vor, einen jährlichen Tag gegen Homosexualität einzuführen.Ashour von IraQueer meint, Sadr und andere Politiker hätten Kampagnen gegen die Rechte von LGBTIQ*s vorangetrieben, um zu vermeiden, dass die materiellen Probleme des Irak wie Arbeitslosigkeit, Korruption und das anhaltende Fehlen einer Regierung diskutiert werden.

Foto: Murtadha Al-Sudani / Anadolu Agency / AFP

„Ich denke, dass die irakische Regierung, einschließlich Einzelpersonen wie Sadr, weiterhin versuchen, die Iraker von den wirklichen Problemen im Irak abzulenken, einschließlich ihres Versagens, eine Regierung zu bilden, die Menschenrechte aufrechtzuerhalten und grundlegende Bedürfnisse wie die Zahlung von Gehältern und anderen Dienstleistungen zu erfüllen“, sagte er.

„Sie nutzen das mangelnde Wissen der Öffentlichkeit über LGBTQ+-Identitäten aus, indem sie so tun, als ob sie gegen die 'wirklichen Probleme' im Irak kämpfen würden.“

Derzeit spitzt sich die Krise in dem völlig destabilisierten Land weiter zu: Zuletzt besetzten Anhänger von al-Sadr das Parlamentsgebäude, in der grünen Zone der Hauptstadt Bagdad kam es zu Massenprotestem bzw. sogenanten Freitagsgebeten. 

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