Britische Regierung queerfeindlich? LGBTIQ*-Berater*innen kündigen

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Aus Protest gegen die queerfeindliche Politik der britischen Regierung legten drei Berater*innen des LGBT*-Gremiums ihr Amt nieder. Der Auslöser: Das ausbleibende Verbot von Konversionsverfahren, das jedoch nur der finale Grund gewesen sein soll. Liz Truss, Ministerin für Frauen und Gleichstellung, antwortete Ende der Woche schließlich mit einem Versprechen: Das Verbot soll in Kürze endlich vorgelegt werden.  

Ein Viertel des zwölf-köpfigen LGBT*-Beratungsgremiums der britischen Regierung hat diese Woche seinen Posten niedergelegt. Laut Fernsehsender ITV sollen weitere Mitglieder über ähnliche Schritte nachdenken. Die Berater*innen werfen der Tory-Regierungspartei Stillstand bezüglich eines dringend benötigten Verbotes von Konversionsverfahren sowie Desinteresse an queerer Lebensrealität und die Begünstigung eines queerfeindlichen Umfeldes vor.


Verzögerungstaktik der Regierung sorgt für Sturm der Entrüstung

Als den „Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte“, bezeichnete Ex-Beraterin Jayne Ozanne die Parlamentsdebatte am Montag, dem 8. März, zum Verbot von Konversionsverfahren. Fast 1000 Tage sind vergangen, seit die Tories 2018 versprachen, die schädliche Praxis als Teil ihres LGBT*-Aktionsplans zu verbieten. Viel geschah seitdem nicht. Auch die Debatte am Montag sorgte nicht für den von Aktivist*innen erhofften Fortschritt. Besonders kritisiert wurde Kemi Badenoch (41), Staatssekretärin für Gleichstellungsfragen.

Foto: Chris McAndrew / CC BY 3.0 / wikimedia.org

Nachdem 20 Abgeordnete über alle Parteigrenzen hinweg die Notwendigkeit eines dringenden Verbots hervorgehoben hatten, gab Badenoch ein Update der Regierung, das keinen festen Zeitplan enthielt, in dem die Gesetzgebung auf den Weg gebracht werden würde. Außerdem weigerte sie sich wiederholt, das Wort „Verbot“ in den Mund zu nehmen und spielte auf eine mögliche Ausnahmeregelung für religiöse Gruppen an. Sie soll außerdem angedeutet haben, dass man sich an der deutschen Regierung orientieren und die Konversionsverfahren erstmal nur für Kinder und Jugendliche verbieten wolle.

In der Folge wurde sogar ihr Rücktritt gefordert – sie sei für den Posten nicht geeignet, so LGBTIQ*-Aktivist Peter Tatchell. Der konservative Abgeordnete Crispin Blunt verurteilte Badenoch, da ihre Rede nicht „im Einklang mit allen anderen sei“. Labour-Abgeordnete Charlotte Nichols kritisierte, ihre Kommentare seien zu „vage“.

Auch Ozanne, die am 10. März als erste Beraterin ihre Kündigung bekanntgab, ging mit Badenoch hart ins Gericht. Die Ex-Beraterin behauptet, Badenoch ignoriere Erwachsene, die Opfer der Verfahren geworden seien und hätte kein Verständnis für die Auswirkungen der so genannten „Homoheilung“ auf Menschen, die sich ihr freiwillig unterzogen hätten. Die evangelikale Queeraktivistin Ozanne, die sich 2015 als lesbisch outete, bezeichnet sich selbst als Überlebende von Konversionsverfahren. Sie habe der Praxis zwar zugestimmt, dennoch habe es sie fast umgebracht.


„Feindliches Umfeld für LGBT*-Menschen“ in der Regierung

Ozanne betont jedoch: Das Fass war schon vorher fast voll. Im Interview mit ITV wirft sie der Regierung vor, sie begünstige in den eigenen Reihen ein „feindliches Umfeld für LGBT*-Menschen“. Ferner äußerte sie ihre Überzeugung, dass die derzeitige Tory-Regierung leider nicht die besten Wünsche der LGBT*-Gemeinschaft im Sinne habe. Viele britische Queers würden inzwischen befürchten, dass sich das Land zurück in die Tage von Margaret Thatcher bewege, zurück in die Tage von Section 28, so Ozanne. Das 1988 verabschiedete Gesetz verbot Gemeinden, Schulen und Kommunalbehörden die „Förderung von Homosexualität“. Es wurde erst 2003 wieder abgeschafft.

„In den Jahren, in denen das Beratungsgremium getagt hat, haben wir einen zunehmenden Mangel an Engagement gesehen, und die Handlungen von Ministern waren offen gesagt gegen unseren Rat.“

Foto: Chatham House / flickr.com / CC BY 2.0

Ozanne offenbart, Stimmen aus der Regierung hätten Queeraktivist*innen als „laute Lobbygruppen“ bezeichnet. Sie wirft den Politiker*innen vor, nicht zu verstehen, dass der Grund, warum sie schreien müssten, jener sei, dass die Community verletzt sei – dass es Menschen gäbe, die verletzt, ungehört und unbemerkt blieben.

„Ich glaube nicht, dass sie LGBT+ Menschen verstehen, besonders Transgender Menschen. Ich habe in Meetings gesessen und war erstaunt, wie unwissend sie bei Themen sind, die das wirkliche Leben betreffen, vor allem das Leben von jüngeren Menschen.“


Ex-Berater: Trans*-Politik besorgniserregend

Ozannes deutlicher Schritt und ihre offenen Worte animierten offenbar die Berater*innen James Morton und Ellen Murray, ihrem Beispiel zu folgen. Auch sie beschuldigten die konservative Regierung, sie schaffe ein „feindliches Umfeld“ für queere Menschen. Während Ellen Murray lediglich bekanntgab, aufgrund der Feindseligkeit der Regierung gegenüber Queers zurückzutreten, verfasste Morton ein Rücktrittsschreiben an Staatssekretärin Priti Patel, in dem er vernichtende Kritik an der britischen Regierung übte.

„Trotz des Schadens und des Leids, das trans Menschen durch den falschen Umgang der britischen Regierung mit der möglichen Reform des Gender Recognition Act zugefügt wurde, wollte ich als Teil des LGBT-Beratungsgremiums konstruktiv mit Ihnen zusammenarbeiten, um zu helfen, bescheidene Verbesserungen für das Leben von LGBT* Menschen voranzutreiben.“

Foto: Steve Eason / flickr.com / CC BY 2.0

Morton betonte, der Mangel an Engagement, den Patel, Badenoch und weitere Beamt*innen der Gleichstellungsbehörde in der Zusammenarbeit mit dem Gremium an den Tag legten, sowie die Rhetorik in ministeriellen Erklärungen, ließen ihn nicht länger hoffen, dass die Regierung die Lebensqualität von Queers verbessern und ihre Menschenrechte schützen wolle.

„Die britische Regierung scheint weder durch Worte noch durch Taten den Wunsch zu haben, ein Land aufzubauen, in dem Trans-Menschen zu denen gehören, die ihr Leben frei leben können.“  


„Fantastische Nachricht“ von Liz Truss und vorsichtiger Optimismus  

Der Rücktritt der Berater*innen und ihre unverhohlene Kritik an der Regierung sorgten in Großbritannien für ein politisches Beben. Zuerst äußerte sich ein Regierungssprecher nach Ozannes Rücktritt noch mit Worten, die man als patzig interpretieren könnte:

„Die Regierung hat sich verpflichtet, ein Land aufzubauen, in dem jeder, unabhängig von seiner Sexualität, Rasse oder Religion, frei ist, sein Leben so zu leben, wie er will. Wir haben wiederholt deutlich gemacht, dass wir Maßnahmen ergreifen werden, um die Konversionstherapie zu beenden.“

Foto: Number 10 / flickr.com / CC BY 2.0

Am Freitag, den 12. März reagierte Liz Truss, Ministerin für Frauen und Gleichstellung, dann aber endlich auf die Vorwürfe. Sie versprach der Community, das Verbot der Konversionstherapie auf den Weg zu bringen. Paul Brand von ITV zufolge soll sie gesagt haben, ein entsprechender Entwurf würde „in Kürze“ vorliegen. Sie habe versprochen, dass sie...

...Pläne vorbringen wird, um die Konversionstherapie zu verbieten, die eine abscheuliche Praxis ist.

Ihr Zugeständnis an die Community sorgte für vorsichtigen Optimismus unter LGBT*-Aktivist*innen und Politiker*innen. Die Kampagnengruppe End Conversion Therapy Scotland begrüßte die Ankündigung als „fantastische Nachricht“, warnte zugleich jedoch vor möglichen Versuchen, das Verbot weiter hinauszuzögern – Aktivist*innen müssten weiterhin wachsam bleiben. Auch Ozanne begrüßte das Engagement, sagte aber gegenüber der BBC, dass sie „den Atem anhält“, was das Ergebnis betrifft.

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