#Fotostrecke • Dem Verbot getrotzt: Istanbul Pride mit starken Bildern

by ,

Unter dem Motto „Die Straße gehört uns“ hatten verschiedene türkische LGBTIQ*-Organisationen zur Pride-Parade am 26. Juni 2021 im Zentrum von Istanbul aufgerufen. Obwohl von den Behörden verboten, waren Hunderte Menschen gekommen, um für ihre Rechte zu demonstrieren.

Foto: Diego Cupolo / NurPhoto via AFP

Foto: Diego Cupolo / NurPhoto via AFP

Foto: Diego Cupolo / NurPhoto via AFP

Foto: Diego Cupolo / NurPhoto via AFP


Die Stadtteilregierung Istanbuls hatte die Demonstration wenige Stunden vor dem geplanten Beginn untersagt mit der fadenscheinigen Begründung, die Demonstration verstoße gegen die „Moral“. Bereits am Vortag war der Veranstaltungsort mit Absperrgitter abgeriegelt worden.

Als Dutzende queere Aktivist*innen den Restriktionen trotzten und ihren Kampf für gleiche Rechte fortsetzten, ging die Polizei mit Tränengas gegen die Demonstrierenden vor. Auch Gummigeschosse wurden in die Menge gefeuert. 25 Menschen wurden Berichten zufolge festgenommen.

Foto: Bülent Kilic / AFP

Foto: Bülent Kilic / AFP

Foto: Bülent Kilic / AFP

Foto: Bülent Kilic / AFP

Foto: Bülent Kilic / AFP


Unter den Verhafteten befand sich auch Bülent Kılıç, Fotojournalist der Nachrichtenagentur AFP. Er hatte über die Pride-Parade in der türkischen Metropole berichtet. Wie auf Bildern in den Online-Netzwerken zu sehen war, wurde Kılıç bei seiner Festnahme von Polizisten auf den Boden gepresst. Dabei drückten die Polizeibeamten mit ihren Knien auf seinen Rücken und sein Genick. Auch die Kamera des Fotografen wurde seinen Angaben zufolge bei der Festnahme beschädigt.

Foto: AFP / Gazete Duvar / Gazete Duvar / Haco Biskin

AFP protestierte gegen die gewaltsame Festnahme des Fotografen, der nur seiner Arbeit als Journalist nachgegangen war. Auch die türkische Sektion der Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen verurteilte die Festnahme des AFP-Reporters.

„Wir verurteilen die Festnahme des AFP-Reporters Bülent Kilic, der über den Pride-Marsch berichtete. Wir fordern seine sofortige Freilassung."

Reporter ohne Grenzen 

Erst am Abend ist der Fotograf wieder freigelassen worden. Kılıç hat wegen seiner Festnahme nach eigenen Angaben Anzeige gegen die beteiligten Polizisten erstattet.

Europarat drängte auf Einhaltung von Menschenrechten

Foto: facebook.com/CommissionerHR

Menschenrechtskommissarin Dunja Mijatović fand bereits einige Tage vor der Pride-Veranstaltung erstaunlich klare Worte gegen die Politik der Türkei. In einem öffentlichen Brief an Justizminister Abdulhamit Gül und Innenminister Süleyman Soylu forderte sie die türkischen Behörden auf, die Stigmatisierung von LGBTIQ*-Personen zu stoppen und die Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit wiederherzustellen. „Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat die Verpflichtungen der Mitgliedsstaaten in dieser Hinsicht klar und wiederholt dargelegt“, betonte die Kommissarin.

Mijatović die Türkei dazu auf, die im nationalen Aktionsplan für Menschenrechte verankerten Verpflichtungen zu erfüllen. Die Türkei hatte am 2. März 2021 einen Action Plan on Human Rights verabschiedet, in dem es heißt, dass „die Menschenrechte in der Gesetzgebung und in der Praxis vorherrschen müssen und dass Gerichtsverfahren in allen Phasen mit diesem Verständnis betrieben werden muss“. Er schreibt auch vor, dass „keine öffentliche Aufgabe durch die Vernachlässigung oder Verletzung von Menschenrechten erfüllt werden darf“.

Auch äußerte Mijatović ihre Bedenken, dass der Aktionsplan an keiner Stelle auf die Menschenrechte der LGBTIQ*-Community Bezug nimmt.

„Ich fordere Sie dringend auf, das Recht von LGBTI-Personen auf friedliche Versammlung durch Aufhebung der Verbote von LGBTI-Veranstaltungen zu wahren und alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit der Teilnehmenden bei solchen Veranstaltungen, einschließlich Pride-Märschen, zu gewährleisten.“

Die Aufforderung wurde, wie der gestrige Tag eindrucksvoll bewiesen hat, ignoriert.

Istanbul Pride – eine stolze und tragische Geschichte

Foto: instagram.com/oswincanoise

Bereits seit 1992 gibt es in der Türkei eine Pride Week mit Veranstaltungen und Paraden. Der Istanbul Pride-Marsch, der seit 2003 erfolgreich und friedlich abgehalten wurde, galt als eine der wichtigsten Veranstaltungen dieser Art in Europa.

Doch über die Jahre hinweg haben die türkischen Behörden weitreichende Einschränkungen für queere Veranstaltungen durchgesetzt. Nachdem im Jahr 2014 rund 100.000 Menschen zum Istanbuler Pride-Marsch erschienen waren, untersagten die Behörden in den folgenden Jahren alle Pride-Veranstaltungen unter Berufung auf Bedenken der öffentlichen Sicherheit. 2017 gingen die Behörden noch weiter: Verboten wurden queere Kino- und Theaterveranstaltungen, Ausstellungen, Interviews und Podiumsdiskussionen. Zur Begründung hieß es, solche Veranstaltungen könnten „die soziale Ordnung gefährden“ (wir berichteten).

Bei den Begründungen der Verbote sind die türkischen Behörden einfallsreich – „der Schutz der öffentlichen Moral“, „soziale Empfindlichkeiten“, „das Risiko, dass LGBTIQ*-Veranstaltungen zu Hass und Feindseligkeit aufstacheln“ und „die Verhinderung von Straftaten“ wurden schon genannt. *AFP/sh/ck

Back to topbutton