Österreich entschädigt strafrechtlich verfolgte Homosexuelle

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Personen, die in der Zweiten Republik in Österreich wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen strafrechtlich belangt oder verurteilt wurden, sollen rehabilitiert und finanziell entschädigt werden. Am 19. Oktober kündigte das österreichische Justizministerium den Beschluss einer entsprechenden gesetzlichen Regelung an.

Homosexualität wurde in Österreich 1971 grundsätzlich entkriminalisiert. Trotzdem gab es auch danach noch vier Sonderparagraphen (§§ 209, 210, 220 und 221 StGB), die ansonsten legales Verhalten bei gleichgeschlechtlichen Handlungen unter Strafe gestellt haben. Paragraf 209, der sich nur auf schwule Männer bezog, legte beispielsweise unterschiedliche Mindestaltergrenzen für homosexuelle (18 Jahre) und heterosexuelle Beziehungen (14 Jahre) fest. Gingen männliche Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren eine Beziehung mit einem 19-Jährigen ein, so riskierte ihr Partner eine Haftstrafe zwischen 6 Monaten und 5 Jahren. Erst 2002 wurde die letzte dieser Bestimmungen vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) als verfassungswidrig aufgehoben.

Entschädigung bei Haftstrafen und sozialen Nachteilen

Aus einem Budgetbegleitgesetz, das am 19. Oktober im Nationalrat eingebracht wurde, geht hervor, dass sich die österreichische Bundesregierung nun endlich dazu durchringen konnte, die Opfer dieser homophoben Strafverfolgung zu rehabilitieren und zu entschädigen. Die Regelung sieht vor, alle Urteile aufzuheben, die aufgrund von homosexuellen Handlungen ergangen sind, wenn sie bei heterosexuellen Handlungen nicht strafbar gewesen wären. Darüber hinaus wird ein Entschädigungsfonds eingerichtet, der bis zu 33 Millionen Euro umfasst. Betroffene können eine Entschädigung beantragen, wenn sie wegen ihrer sexuellen Orientierung eine Haftstrafe verbüßen mussten oder schwerwiegende soziale Nachteile erlitten haben, etwa den Verlust ihrer Arbeit oder ihrer Wohnung. 

„Dunkles Kapitel der Zweiten Republik“

„Die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Menschen war ein dunkles Kapitel der Zweiten Republik und ein großes Unrecht“, schrieb Justizministerin Alma Zadić (Die Grünen – Die Grüne Alternative) auf X. Es sei beschämend, „dass queere Menschen in Österreich bis ins 21. Jahrhundert strafrechtlich verfolgt wurden“. Die Rehabilitierung und Entschädigung könne das zugefügte Leid zwar nicht wiedergutmachen, „aber als Staat übernehmen wir damit die Verantwortung für das Unrecht“.

Quelle: @Alma_Zadic

HOSI Wien fordert Anrechnung von Haftzeiten und Rückzahlung von Geldstrafen

Die Homosexuellen-Initiative (HOSI) Wien begrüßte die geplante Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer. Sophie Otte, Obfrau der HOSI Wien, sagte, es sei ein „wichtiges Signal für die Opfer, denen zusätzlich zur Strafverfolgung oft auch ihre soziale Existenz vernichtet wurde. Das alles lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Aber dass die Republik sie offiziell rehabilitiert und für das erlittene Unrecht entschädigt, ist als Anerkennung des Unrechts ein wirklicher Grund zur Freude und ein großer Erfolg für die HOSI Wien und die LGBTIQ-Community, die das seit vielen Jahren von der Politik gefordert haben“.

Für die HOSI Wien sind allerdings noch einige wesentliche Fragen offen: „Hier sind Menschen zu Unrecht im Gefängnis gesessen, die konnten in dieser Zeit ja nicht arbeiten. Es muss also unbedingt eine beitragsfreie Anrechnung der Haftzeiten auf die Pension erfolgen. Ebenso müssen die verhängten Geldstrafen entsprechend verzinst zurückgezahlt werden“, sagt Otte. „Wir erwarten, dass die Bundesregierung das in ihrem finalen Gesetzesantrag berücksichtigen wird.“

Ebenso hoffe man, „dass mit der Rehabilitierung und Entschädigung auch eine Entschuldigung des Nationalrats [österreichisches Parlament, Anm. d. Red.] folgt, denn schließlich hat dieser diese Gesetze erst beschlossen“.

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