Polen • Präsident Duda stoppt Lex Czarnek

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Am 9. Februar hatte der Sejm eine Änderung des Bildungsgesetzes verabschiedet, die der Zentralregierung mehr Macht gegeben und die Rolle des Bildungsaufsichtsrats gestärkt hätte. Vertreter*innen aus Opposition und Gesellschaft Gegen stellten sich gegen die Umgestaltung des polnischen Bildungswesens und forderten Präsident Andrzej Duda in unzähligen Kampagnen dazu auf, gegen die geplante Novelle zu stimmen. 

Bei einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates zur russische Invasion in die Ukraine am 2. März sagte Polens Staatspräsident Duda, es sei jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, sich mit solchen Angelegenheiten zu befassen. 

„Ich habe mein Veto gegen die Änderung des Bildungsgesetzes eingelegt. Betrachten wir die Angelegenheit als abgeschlossen. Ich will damit nicht sagen, dass ich keine Einwände gegen dieses Gesetz hatte, denn das hatte ich. Aber ich glaube auch, dass es hier eine Reihe von Lösungen gibt, die in Betracht gezogen werden sollten. Aber verschieben wir es auf später. Vorerst gibt es ein Veto gegen dieses Gesetz. Bitte betrachten Sie das Thema als abgeschlossen. Es soll uns in der wichtigsten Angelegenheit, der Verteidigung Polens, nicht stören.“

(Andrzej Duda)

Worum geht es im Lex Czarnek?

Mit Lex Czarnek, so der volkstümliche Name des Regierungsentwurfs zur Änderung des Bildungsgesetzes, hätten die Zentralregierung und regionale Aufsichtspersonen mehr Macht erhalten, die Möglichkeiten von Eltern, über außerschulische Aktivitäten ihrer Kinder zu entscheiden, hingegen wären stark eingeschränkt worden. Die nach dem Minister für Bildung und Wissenschaft Przemysław Czarnek benannte Gesetzesreform hätte auch starke Eingriffe in die Lehrpläne polnischer Schulen bedeutet und LGBTIQ*-Themen vermutlich aus dem Unterricht verbannt.

Zusammengefasst ist die Lex-Czarnek-Reform ein Versuch der nationalkonservativen Regierung, die Ideologisierung von Schulen und Universitäten durch das Ministerium für Bildung und Wissenschaft voranzutreiben und autoritäre Macht über das polnische Bildungswesen zu erlangen. 

Foto: Mateusz Wlodarczyk / NurPhoto / NurPhot via AFP

Hintergrund

Bildungsminister Przemyslaw Czarnek behauptete, sein Gesetz sei eine Reaktion auf Beschwerden von Eltern über die Tätigkeit von NGOs an Schulen. Er habe Hunderte Beschwerden wegen „Verletzung des Wohlergehens der Schüler“ und „Förderung der LGBT-Ideologie“ erhalten.

Eine parlamentarische Überprüfung der Oppositionsvertreterinnen Kinga Gajewska, Barbara Nowacka, Krystyna Szumilas und Katarzyna Lubnauer legte offen, dass es in ganz Polen nur vereinzelte Beschwerden gab. Wyborcza berichtete, dass es in sechs Jahren insgesamt 31 Beschwerden gab, von denen das Bildungsministerium jedoch keinen einzigen Fall namentlich benennen konnte. Die Beschwerden bezogen sich also auf Eltern, die nicht existieren.

Im Zuge einer weiteren Analyse der 2020 und 2021 eingegangenen Beschwerden stießen die vier Frauen auf eine Liste von Organisationen, die den von NGOs durchgeführten Unterricht, aber auch das „ideologisierende“ Verhalten von Lehrer*innen und Direktor*innen beanstandeten. Wie OKO Press berichtete, umfasste diese Liste 63 katholische und nationale Organisationen, darunter die Initiative „Stop the Sexualisation of Children“ und das von Tadeusz Rydzyk geleitete „Center for the Protection of Christian Rights“.

Auf Nachfrage verwies das Bildungsministerium auf den Ordo-Iuris-Bericht „Let's protect the children“, der jedoch nie verifiziert wurde, wie die ehemalige Bildungsministerin Krystyna Szumilas bestätigte. Das christlich-fundamentalistische und rechte „Instytut Ordo Iuris“ gehört zu den engsten Beratern der PiS-Regierung. Auf der Webseite von Ordo Iuris heißt es, die Kampagne „Schützt die Kinder!“ sei nach einer Reihe von Berichten besorgter Eltern ins Leben gerufen worden, die darauf hinwiesen, dass NGOs ohne die Zustimmung und das Wissen der Eltern an Schulen Unterricht durchgeführt hätten,

„die die Gepflogenheiten von LGBTIQ*-Subkulturen fördern, sich mit der Gender-Ideologie identifizieren oder ein freizügiges Modell der Sexualerziehung propagieren“.

Gegenproteste

Gegen die Pläne zur Zentralisierung und staatlichen Kontrolle der polnischen Schule wurde heftig protestiert. Über 100 lokale Organisationen, Kommunalverwaltungen, Sozialverbände und Lehrergewerkschaften sowie Bildungs-, Eltern- und Schülerverbände äußerten ihre Einwände gegen das Gesetz und forderten Duda zum Veto auf. 

Foto: Beata Zawrzel / NurPhoto / NurPhoto via AFP

Angesichts der Umstände, die zum Veto geführt haben, gehen viele davon aus, dass das Lex Czarnek zwar aufgeschoben, doch längst nicht aufgehoben ist.

Auch nach Ansicht von Przemyslaw Czarnek „wird es bald + lex Czarnek 2.0+ geben“. Gegenüber Dziennik Gazeta Prawna kündigte der Minister an, den Gesetzentwurf alsbald neu schreiben zu wollen – „je früher, desto besser“.

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