Polen: Homophober Angriff überschattet UEFA-Fußballfest

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„Ich habe meinen Zahn verloren. Ich wurde verprügelt. Ich musste ins Krankenhaus und alles abtasten lassen. Ich stand unter Schock.“ Der Leiter einer Fitnessgruppe für LGBTIQ* berichtet über eine homophob motivierte Attacke in Danzig – der Stadt, die am 26. Mai 2021 das Finale der Europa League austrug. Ein Umstand, der für erneute Kritik an der UEFA sorgt.

Die Tat ereignete sich bereits im März. Andrzej Tokarski, Leiter einer queeren Sportgruppe in Polen, sprach jetzt in einem Interview mit der englischsprachigen Sportwebseite The Athletic über die Nacht, in der die „Freunde, die zusammen Sport treiben“, von mehr als zwei Dutzend Männern in schwarzen Sturmhauben überfallen wurden.

„Wir wurden verprügelt und zu Tode erschreckt. Zwei von uns mussten ins Krankenhaus, der Rest konnte entkommen.“

Die Gruppe trifft sich einmal pro Woche – mit dem Ziel, einen inklusiven Raum für Queers zu schaffen, in dem sie gemeinsam Sport machen und Spaß haben können. Deswegen gerieten sie auch ins Visier der Täter, davon ist Tokarski überzeugt. Die Sache sei kein zufälliger Angriff, sondern organisiert gewesen – und vor allem homophob motiviert.

„Die Leute waren maskiert und trugen nachts Sonnenbrillen, ohne irgendwelche Unterschriften oder Logos auf ihren T-Shirts. Es war durch Hass motiviert, weil sie [homophobe] Sachen nach uns riefen.“

Tokarski selbst gehörte zu den zwei Menschen, die anschließend im Krankenhaus behandelt werden mussten. Sein Zahn war abgebrochen und er trug eine Wirbelsäulenverletzung davon. Zudem habe er unter Schock gestanden, so der Trainer.


Kritik an der UEFA

Der Vorfall trug sich mit Danzig ausgerechnet in einer Stadt zu, die in der öffentlichen Wahrnehmung als eher liberal gilt – besonders verglichen mit den Vorkommnissen in Südpolen (wir berichteten). Die Polizei ermittelte nach der Tat, auch Danzigs Oberbürgermeisterin Aleksandra Dulkiewicz meldete sich zu Wort und verurteilte den Überfall aufs Schärfste.

Foto: AFP / Michael Sohn

Die Webseite The Athletic geht mit einem Verband jedoch hart ins Gericht: Mit der UEFA. Der Vorfall habe erneut Zweifel an der Entscheidung der UEFA befeuert, das Finale der Europa League in Danzig auszutragen – beziehungsweise überhaupt in Polen, das zum zweiten Jahr in Folge das homophobste Mitgliedsland der EU gewesen sei. Trotz der vielen Versprechen, Homophobie im Sport auszurotten, habe die Welt des Fußballs geschwiegen, während der homophobe Hass in Polen eskaliert sei und mehr als ein Drittel des Landes sich als „LGBT-frei“ erklärten. Zudem, so The Athletic, sei bereits das vorherige Europa League Finale 2019 in Aserbaidschan ausgetragen worden – dem Land, das, obwohl es geographisch offiziell nicht zu Europa zählt, dennoch als das homophobste Land in Europa außerhalb der EU eingestuft wurde. Die Webseite verurteilte außerdem den Umstand, dass die Türkei im Bewerbungsprozess für die Meisterschaft 2024 unter die letzten zwei kam.

Als die UEFA von The Athletic kontaktiert wurde, soll sie trotz wortreicher Versprechen auf der eigenen Webseite keine Beispiele für die Bekämpfung von Homophobie in Polen genannt haben können. Sie lehnte es auch ab, den Angriff in Danzig zu kommentieren.


„Wir wollen niemanden provozieren“

Seit der Tat sind über zwei Monate vergangen – Tokarski hat seine physischen Verletzungen inzwischen auskuriert, die psychischen aber sind geblieben. Zwar trainiert die Fitnessgruppe trotzig weiter, doch macht der Leiter deutlich: Angst und Vorsicht, die trainieren nun mit.

„Ich fühlte mich verantwortlich für die Gruppe, ich hatte sie in einen sicheren Raum eingeladen, der unsicher wurde. Meine Freundin brachte ihr achtjähriges Kind mit, das Zeuge wurde.“

Damit sich der Vorfall nicht wiederholt, versuchen die queeren Sportler*innen, keine Aufmerksamkeit mehr auf sich zu ziehen. Sie haben aufgehört, Werbung vor Ort zu schalten und ihre Facebook-Gruppe auf privat gestellt. Möchte jemand neues an dem Training teilnehmen, so führen sie vorab Hintergrundprüfungen durch. Und: Die Regenbogenfahne darf jetzt während des Trainings nicht mehr fröhlich wehen. Tokarski erklärt:

„Nur noch ganz am Anfang. Damit neue Mitglieder, die dazukommen, uns im Park sehen können. Wir wollen niemanden provozieren.“


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