Oberrabbiner: Polens jüdische Gemeinde steht LGBTIQ* zur Seite

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Auf einer Veranstaltung über die Herausforderungen von jüdischen Gemeinden und jüdischen LGBTIQ*-Communitys in Europa verurteilte Polens Oberrabbiner Michael Schudrich LGBT-freie Zonen in Polen. Sie stünden den Vorschriften der Halacha1 entgegen, so Schudrich.

„Nach allem, was ich sagen kann, ist die Schaffung von LGBTQ+-freien Zonen gegen die Halacha“, sagte der Oberrabbiner von Polen, Michael Schudrich, am 1. September zum Auftakt von „Pride in the Living Room“, einer Veranstaltungsreihe, die von der israelischen LGBTIQ*-Organisation Aguda zum Gedenken an die Opfer des Attentats auf das Schwulenzentrum in Tel Aviv (2009) und des Messerangriffs auf der Jerusalem Pride-Parade (2015) gegründet wurde. Die Idee des Projekts ist, die Öffentlichkeit mit persönlichen Geschichten der LGBTIQ*-Community bekannt zu machen, um Brücken zu bauen. Denn, so das Motto:

„Persönliche Geschichten und offener Dialog sind die Wurzeln des Wandels.“

Gemeinsam mit Rabbiner Péter Simon Radvánszki von der Föderation der Jüdischen Gemeinden in Ungarn sowie Dalia Fleming, Geschäftsführerin der jüdischen LGBTIQ*-Organisation Keshet UK in Großbritannien, sprach Schudrich über die Herausforderungen, denen jüdische Gemeinden generell und jüdische LGBTIQ*-Communitys in Europa begegnen. „Jeder Jude sollte wissen, dass er willkommen ist, und wenn ihm jemand sagt, dass er nicht willkommen ist, ist diese Person falsch“, so Schudrich.

Botschaften wie diese seien für die (jüdische LGBTIQ*-Community) enorm wichtig, betonte Dalia Fleming,

„Es ist so wichtig, Rabbiner in unserem Leben über jüdische LGBTQ+-Menschen sprechen zu hören, denn das Schweigen kann tödlich sein.“

Die Errichtung von LGBT-freie Zonen war schon früher von jüdischen geistlichen Führern in Polen kritisiert worden. Im Juni 2020 schrieb der Vorstand der Jüdischen Gemeinde Warschau angesichts der homophoben Äußerungen, mit denen Andrzej Duda während des polnischen Präsidentschaftswahlkampfs auf Stimmenfang ging (wir berichteten), in einem offenen Brief: „Wir haben beobachtet, wie Politiker [...] sich zynisch dazu verpflichten, Feindseligkeit und Hass gegenüber LGBT-Personen zu schüren“. 

„Wir Juden – die Nachkommen von Holocaust-Überlebenden – können und werden nicht gleichgültig gegenüber Worten bleiben, die LGBT-Personen entmenschlichen.“

Die Politik, zitierte die Jerusalem Post den Vorstand weiter, habe keine Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg gezogen.

Europäische Kommission streicht fünf polnischen Regionen die Gelder

Unterdessen hat die Europäische Kommission angekündigt, die EU-Aufbauhilfe REACT-EU für jene fünf polnischen Provinzen, die sich zu so genannten „LGBTI-Ideologie-freien Zonen“ erklärt haben, auf Eis zu legen.

In dem Schreiben vom 3. September heißt es: „Die Kommission möchte betonen, dass die Erklärung von LGBTIQ-freien/unwillkommenen Gebieten, Arbeitsplätzen oder Dienstleistungen eine Handlung darstellt, die gegen die in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union dargelegten Werte verstößt. Daher werden wir die REACT-EU-Programmänderungen in Bezug auf Ihre regionalen operationellen Programme auf Eis legen.“


1 Die Halacha bezeichnet die Gesamtheit der jüdischen Rechtsvorschriften mit Geboten und Verboten der mündlichen und schriftlichen Überlieferung. Für Jüdinnen und Juden stellt sie die gesetzliche Grundlage dar.

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