Polizei-Schikane gegen polnische Student*innen – wegen Beschwerde über homophobe Dozentin

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Der Kampf gegen LGBTIQ* in Polen geht weiter: Polizisten und Anwälte sollen junge Student*innen stundenlangen Verhören ausgesetzt haben. Viele waren danach in Tränen aufgelöst. Ihr Vergehen: Sie hatten sich über eine homophobe und konservative Dozentin beschwert.

Die Universitätsstudent*innen reichten eine offizielle Beschwerde gegen die Professorin für Familiensoziologie ein, die seit über drei Jahrzehnten an der Schlesischen Universität in Kattowitz unterrichtet. Sie warfen ihr darin vor, im Unterricht homophobe und queerfeindliche Aussagen getätigt zu haben sowie wissenschaftlich rückständige Informationen zu verbreiten und ihre Zuhörer*innen dadurch aufzuhetzen. Verkehrte Welt: Nicht die Dozentin wurde nun stundenlang von der Polizei der südpolnischen Stadt Kattowitz verhört – sondern ihre Schüler*innen. 

Das Zentrum zur Beobachtung rassistischer und fremdenfeindlicher Verhaltensweisen machte auf den Vorfall in einem Facebook-Posting aufmerksam. Die Organisation berichtet, dass die Geschädigten anschließend erschüttert und in Tränen aufgelöst waren. Das Ganze sehe eher nach einem Einschüchterungsversuch aus als nach einer normalen Vorgehensweise im Rahmen der Strafverfolgung, so die Organisation in dem Post.


Fall um erzkonservative Dozentin wird zum Politikum

Bereits 2019 hatten die Schüler*innen die Dozentin Dr. Ewa Budzyńska der Intoleranz und Homophobie beschuldigt. Budzyńska soll während der Vorlesungen unter anderem gesagt haben, Abtreibung sei „Mord“, Empfängnisverhütung sei „unsozial“, eine „normale Familie“ bestehe immer aus einem Mann und einer Frau, und Geschlechterforschung, einschließlich der Akzeptanz von Transgender-Identitäten, sei eine „kommunistische Ideologie“.

Foto: Piotr Drabik from Poland / Dudek1337 / CC BY 2.0 / wikimedia.org/

Im Januar 2020 reichten die jungen Soziologen bei der Universitätsbehörde eine offizielle Beschwerde ein. Darin wird Budzynska außerdem vorgeworfen, ihre Vorträge hätten junge Menschen negativ beeinflusst und würden unter anderem Antisemitismus, radikale katholische Ansichten und Homophobie fördern – und Informationen verbreiten, die mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht vereinbar sind. So habe sie zum Beispiel behauptet, Antibabypillen würden eine Abtreibung verursachen, obwohl sie eine solche erst verhindern. 

Der Disziplinarsprecher der Schlesischen Universität eröffnete daraufhin ein Verfahren – und Budzyńska kündigte aus Protest. Zur Unterstützung der Soziologie-Professorin eilten, wie soll es anders sein, katholische Organisationen und konservative Medien. Auch dabei: Ordo Iuris – eine konservativ-christliche Denkfabrik, die sich gegen die Gleichstellung der Ehe und Abtreibung ausspricht. Anwälte der Organisation befanden sich in der Polizeistation und nahmen an der Befragung der Student*innen teil.

Polens stellvertretender Premierminister, Jarosław Gowin, schaltete sich im Januar auf Twitter in die Debatte ein. Er nahm die Professorin in Schutz und verwies auf die Rede- und Forschungsfreiheit an polnischen Universitäten, zu deren Schutz er im Februar einen Gesetzesentwurf vorlegte. Er stellte Budzyńska als Opfer dar und erklärte, die Regierung werde eine Zensur nicht zulassen.


Unermüdlicher Kampf gegen den Hass

Spätestens seit letztem Jahr ist in Polen ein massiver Kampf gegen sexuelle Minderheiten und Identitäten entbrannt (wir berichteten). Glück im Unglück: immer mehr Menschen machen auf die Problematiken aufmerksam und zeigen sich solidarisch. So setzte unlängst die deutsche Stadt Schwerte ihre Verbindung mit ihrer polnischen Partnerstadt bis auf Weiteres aus (wir berichteten).

Die beiden polnischen Queeraktivisten Jakub und Dawid verteilten letzten Monat Regenbogenmasken in Städten an der polnischen Ostsee (wir berichteten). Damit wollten sie für Sichtbarkeit sorgen und einen Dialog eröffnen. Nun wagten sie sich zu einer weiteren Verteilaktion sogar in „LGBT-freie Zonen“ in Südpolen. Wie die Aktion gelaufen ist, könnt ihr euch im Video anschauen:

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