Polen: Kondome, Küsse und Kommunismus

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Foto: twitter.com/gptygodnik

Homophobe Zuspitzung im EU-Land Polen: Ein Kondomhersteller zeigt ein schwules Paar im Werbespot. Der Kuss erregt umgehend breiten und öffentlichen Homohass. Polens Präsident Andrzej Duda findet queere Rechte gar schlimmer als den Kommunismus. Im deutschen Bundestag sorgte wenigstens DIE LINKE für eine politische Befassung mit dem Thema. 

Die neue Werbung eines Kondomherstellers in Polen zeigt neben drei heterosexuellen Paaren auch ein schwules – für Vielfalt, Sichtbarkeit und gegen Ausgrenzung. Die gleichwertige Anordnung der Szenen soll darstellen: Liebe ist Liebe, jeder hat ein Recht auf ein gesundes und ausgeglichenes Sexualleben. Leider: Ein TV-Sender boykottiert den Werbespot bereits.

Die zwei Männer, die sich in der Werbung im Badezimmer zusammen rasieren und einen zärtlichen Kuss austauschen, sind in Polen keine Unbekannten: Es sind die beiden YouTube-Stars Jakub und Dawid, die wie die anderen Darsteller auch im wahren Leben ein Paar sind. Die beiden fungieren als Botschafter für die Community und als Queeraktivisten – zuletzt ließen sie sich als Hochzeitspaar fotografieren (wir berichteten) oder verteilten Regenbogenmasken in „LGBT-freien Zonen“ in Südpolen, um einen Dialog zu eröffnen (wir berichteten).

Schwule in der Werbung: Was in anderen Ländern entweder nichts besonderes mehr ist oder aber sogar zum Vorwurf des Pinkwashings1 führt, hat in diesem Fall durchaus politische Relevanz. Seit letztem Jahr ist in Polen ein Kriegszug gegen die queere Community entbrannt, angeführt durch die rechtsnationale Regierungspartei PiS und erzkonservative Gruppierungen (wir berichteteten).

Wichtig ist daher: Stellung beziehen, Sichtbarkeit verstärken und der breiten Masse verdeutlichen: Es gibt auch andere Standpunkte und kritische Meinungen gegenüber der queerfeindlichen Politik, die das Land tief gespalten hat. Die Werbung wird nicht nur in Polen, sondern auch in Litauen, der Tschechischen Republik und der Slowakei ausgestrahlt. Auch in diesen Ländern hat die Community keinen einfachen Stand.


Ein Fast-Kuss, der Jugendliche gefährden soll

Der polnische Sender TVP weigerte sich bereits, die Werbung auszustrahlen – vollständig zu sehen ist sie daher nur auf den Sendern TVN und Polsat. Die Verantwortlichen von TVP zitierten Artikel 18 des Rundfunkgesetzes bezüglich Szenen oder Inhalten, die sich „negativ auf die korrekte körperliche, geistige oder moralische Entwicklung von Minderjährigen auswirken können“ – derlei Sendungen sollen nur von 23 bis 6 Uhr morgens verbreitet werden. Dabei sind in der Werbung lediglich Fast-Küsse zu sehen.

Queeraktivist Jakub Kwiecinski (38) arbeitete bis 2017 selbst als Produzent für den Sender – dann wurde er von seinen Chefs freigestellt, nachdem er ein Video auf YouTube hochgeladen hatte, in dem er gemeinsam mit seinem Lebensgefährten Dawid Mycek (35) zu sehen war. Für die beiden ist die Entscheidung des Senders daher keine Überraschung. Dawid (35) erklärte gegenüber Reuters TV:

„Als wir (von dem Verbot) erfuhren ... waren wir ehrlich gesagt nicht überrascht ... Wir sehen ja, dass das polnische Fernsehen zu einem Sprachrohr der Regierung wird“

Jakub fügte hinzu, er mache sich Sorgen um die Zukunft – darüber, wie weit der Hass gegen Minderheiten in Polen noch gehen wird:

„Man macht sich Sorgen darüber, was als nächstes passieren wird. Zuerst entfernen Sie einen aus der Werbung – dann werden sie sagen, dass auch alle LGBT-Plots aus Filmen und Serien entfernt werden müssen.“

Die Situation spitzt sich zu und es scheint kein Ende in Sicht. 


Präsident: Queere Rechte destruktiver als der Kommunismus

Polens Präsident Andrzej Duda hetzte bei einem Wahlkampfauftritt am Samstag in Brzeg ganz offen gegen die queere Bewegung. Er bezeichnete deren unermüdlichen Einsatz für die Rechte queerer Menschen als eine „Ideologie, die destruktiver als der Kommunismus“ sei. Es handele sich um eine Form des „Neo-Bolschewismus“, die Kinder sexualisieren solle, so Duda. 

Deutschlands Community sowie verbündete Politiker zeigen sich schon lange besorgt über den Umgang mit queeren Menschenrechten in Polen. Zuletzt machte die Stadt Schwerte Schlagzeilen, weil sie ihre Partnerschaft mit ihrer polnischen Schwesterstadt aussetzte (wir berichteten). Die Linksfraktion fragte nun die Bundesregierung nach ihrem Kenntnisstand über die Entwicklung der Lebenssituation queerer Menschen in Polen.

Foto: Cosima Hanebeck

In ihrer Antwort teilte die Bundesregierung mit, sie würde die Initiativen mit großer Sorge betrachten. Der Einsatz für queere Rechte sei ein „Schwerpunkt der deutschen Menschenrechtspolitik“. Außerdem erwarte die Regierung von jedem europäischen Mitgliedsstaat, dass „Menschenrechte und die Grundwerte der EU einschließlich des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung (Art.21 EU-GrCh) geachtet werden“. 

Doris Achelwilm, Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag für Gleichstellung, Medienpolitik und Queerpolitik, reicht das nicht aus. Sie erklärte, das Selbstverständnis der Bundesregierung, sich für queere Rechte einzusetzen, müsse auch im Handeln erkennbar sein. Die Community in Polen brauche mehr Unterstützung, so Achelwilm.

„Die Bundesregierung muss in Zeiten, in denen queere Grundrechte in EU-Ländern wie Ungarn und Polen offen aufgekündigt werden, Verantwortung übernehmen und sich deutlicher für die Betroffenen stark machen“.

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