QAnon-Anhänger: „Impfungen machen homosexuell oder trans*“

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Nachdem ein iranischer Kleriker behauptete, Menschen würden durch die COVID-19-Impfung homosexuell, stimmten führende QAnon-Verschwörungstheoretiker ihm zu. Homosexualität sei „gegen das Leben“, ein sie verursachendes Gen müsse daher rezessiv sein und würde erst durch Impfungen „aktiviert“.

Die neusten Theorien der Telegram-Wissenschaftler von QAnon1 richten sich gegen die Queercommunity. Der BBC-Reporter Shayan Sardarizadeh schrieb auf Twitter, zwei der größten QAnon-Kanäle auf Telegram hätten:

„ [...] die haltlose Verschwörungstheorie unterstützt, dass das Impfen von Kindern die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie sich später als homosexuell oder transgender identifizieren.“

QAnon stützt sich auf krude Thesen eines iranischen Klerikers

Die QAnon-Theorien sind eine Zuspitzung der Aussagen des religiösen Führers Ayatollah Abbas Tabrizian, der seine knapp 210.000 Telegram-Follower davor warnte, mit Menschen in Kontakt zu kommen, die eine COVID-19-Impfung erhalten hätten – da sie „Homosexuelle geworden sind“. Der umstrittene iranische Kleriker wurde für seine Kommentare in sozialen Medien weitgehend kritisiert – QAnon-Anhänger stimmten ihm auf Telegram jedoch zu. Im Januar behauptete bereits der Rabbi Daniel Asor, die Corona-Impfung mache schwul (wir berichteten). Dessen Thesen verbreiteten die häufig mit antisemitischen Kreisen gleichgesetzten Verschwörungstheoretiker, soweit es bekannt ist, allerdings nicht. 

Wie in den Screenshots von Reporter Sardarizadeh zu erkennen, schrieb ein QAnon-Anhänger mit mehr als 56.000 Followern, dass Tabrizian seiner Meinung nach nicht weit von der Wahrheit entfernt sei. Er führte aus:

„Das ist der Grund, warum wir Geschlechterverwirrung unter unserer Jugend haben. Recherchiert, wie sie mit ihren Impfstoffen Hormone einführen und die DNA verändern.“

Wissenschaftliche Beweise blieb er schuldig. Ein anderer Nutzer, der sogar 180.000 Anhänger hat, ließ auf Telegram eine Tirade gegen queere Minderheiten los, an deren Ende er es sogar noch schaffte, das Thema Kindesmissbrauch in seine Argumentation einzubinden. 

Er schrieb:

„Nehmen wir einmal an, [LGBT+ zu sein] ist genetisch bedingt. Da Homosexuelle im Großen und Ganzen keine eigenen Kinder zeugen, wird ihre eigene Genetik typischerweise nicht weitergegeben. Da das gegen den Fortbestand des Lebens ist, kann Homosexualität kein dominantes Gen sein, es muss rezessiv sein.“

Im Folgenden machte er deutlich, er habe „viele homosexuelle Freunde“, die behaupteten, sie hätten seit dem frühesten Kindesalter gewusst, dass sie homosexuell seien. Daher stellt er die verallgemeinerte und nicht belegte These auf:

„Wann ist Ihre früheste Erinnerung? Im Alter von vier Jahren? Bis dahin haben Sie im Jahr 2020 bereits 50 Impfungen erhalten.“

Zum Schluss hinterfragte er sich selbst, bevor andere die Chance bekamen: 

„Sind ungeimpfte Kinder auch homosexuell oder transgender? Ich weiß es nicht. Niemand hat eine Studie dazu gemacht.“


Queerfeindliche Zuspitzung alter Thesen

Spätestens seit die ersten Arzneimittelhersteller im letzten Jahr COVID-19-Impfstoffe ankündigten, wimmelt es im Internet von kruden Theorien von Verschwörungstheoretikern, Möchtegern-Wissenschaftlern und Impfgegnern. Beliebtes Thema: Der mRNA-Impfstoff von dem deutschen Unternehmen BioNTech und dem US-amerikanischen Arzneimittelhersteller Pfizer greife „in die DNA des Körpers ein“. 

Foto: Geoff Livingston / flickr.com / CC BY 2.0

Fundierte, wissenschaftliche Beweise – Fehlanzeige. Studierte Wissenschaftler auf der ganzen Welt versuchen seitdem, den Menschen zu erklären, dass dem Körper durch die Impfung nur der Protein-Bauplan der Viren mitgeteilt wird, damit er ihnen gegenüber im Vorteil ist und fähig, das nötige Antigen selbst herzustellen. Im schlimmsten Falle nimmt der Körper dieses Wissen nicht an, es passiert also: Nichts. Trotzdem versuchen Impfgegner seither mit immer neuen Theorien, Angst vor der Impfung zu schüren.

Der zutiefst queerfeindliche Ansatz, der den neuen Thesen zugrunde liegt, könnte jedoch dazu führen, dass zumindest queeren Anhängern der QAnon-Theorien die Augen geöffnet werden. 


QAnon (oder Q) ist der Name einer Person oder Gruppe, die seit 2017 im Internet Verschwörungstheorien mit rechtsextremen oder antisemitischen Inhalten verbreitet. Donald Trump ist in diesen Theorien der Held, der versucht, eine weltweite Verschwörung aufzudecken. Befeuert durch die Coronapandemie bekamen diese Behauptungen weltweit Millionen Anhänger. Terrorismusexperten sowohl in den USA als auch in Deutschland schätzen die Theorien als eine akute, schwere Gefahr für die repräsentative Demokratie ein. QAnon-Anhänger waren beim Sturm auf das Capitol in Washington, D.C. an vorderster Front (wir berichteten). 

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